Kapitel 116 - Jonathan

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Jonathan wachte noch vor seinem Wecker auf, doch ausgeschlafen fühlte er sich nicht wirklich. Er schob die Hand zu Sheila hinüber, doch ihre Seite vom Bett war leer. 

Panisch riss er die Augen auf, doch sie war tatsächlich nicht da. Langsam schlug er die Decke zurück und setzte sich auf. Aus dem Wohnzimmer hörte er Stimmen und noch bevor er sich etwas anzog, schlüpfte er durch die Tür ins Wohnzimmer. 

Der Fernseher lief und Sheila lag auf dem Sofa und schien zu schlafen. Möglichst leise ging er zu ihr, nahm die Fernbedienung vom Wohnzimmertisch und schaltete den Fernseher aus. Sheila bewegte sich nicht, als beschloss er, sie schlafen zu lassen. Er erinnerte sich dunkel, dass sie heute Nacht einen Albtraum gehabt hatte, doch er selbst war nicht richtig wachgeworden. Vielleicht konnte sie nicht mehr einschlafen und war ins Wohnzimmer gegangen. 

Er schlich wieder zurück ins Schlafzimmer, schnappte sich ein paar frische Klamotten aus dem Schrank und nahm den Korb mit der dreckigen Wäsche und ging ins Bad. Dort schaltete er die Waschmaschine ein, stellte sich kurz unter die Dusche und machte sich dann daran, im Studio weiter aufzunehmen. Er hatte einiges an Arbeit aufzuholen, doch das machte ihm nichts aus. Es war ihm wichtiger, Sheila in Sicherheit zu bringen.

Obwohl er sich durch die Arbeit ein wenig ablenken konnte, beschäftigte ihn der vergangene Tag noch weiterhin. Sheila gab es zwar nicht zu, aber er wusste, dass sie geschockt gewesen war, wie zerstört das Haus gewesen war. Vielleicht würde sie in ein paar Tagen darüber reden können, denn noch immer hatte er das Gefühl, dass sie ihm noch nicht alles erzählte.

Zwei Stunden später beschloss Jonathan, dass es Zeit für eine kleine Pause war. Leise ging er wieder ins Wohnzimmer, falls Sheila noch immer schlief, doch zu seiner Überraschung war sie dabei, die Wäsche aufzuhängen. 

„Hey", sagte er und legte den Arm um sie. Sie lächelte ihn an und küsste ihn schnell, dann wandte sie sich wieder der Wäsche zu. 

„Das musst du nicht machen", sagte er eindringlich und legte seine Hand auf ihre. 

„Schon okay. Ist ja auch was von mir dabei. Und ich habe sonst nichts zu tun. Johnny kommt erst um zwei und holt mich ab", sagte sie schulterzuckend und erst da fiel ihm wieder ein, dass sie ja mit ihm shoppen gehen wollte. 

„Schön, dass ihr was zusammen macht", erwiderte er und nahm sich nun ebenfalls ein Kleidungsstück aus dem Wäschekorb auf dem Boden und hing es auf den Wäscheständer. 

Eine Weile hingen sie schweigend Wäsche auf, doch dann seufzte sie.

„Was ist?", fragte er neugierig, aber sie schien mit sich zu hadern, ob sie es ihm wirklich erzählen sollte. Noch einmal seufzte sie, dann richtete sie den Blick auf ihre Hände. 

„Ich weiß nicht, ob es dich so sehr interessiert, aber... Jonas hat mir geschrieben. Er hat mir gesagt, warum er Schluss gemacht hat", sagte sie und richtete ihren Blick wieder zu ihm. Er musste schlucken. Zwar kannte er Matthias noch nicht wirklich gut, doch er hatte ihm leidgetan. 

„Und warum?", hakte er nach, doch wieder zögerte sie. 

„Mein Bruder hat Esra schon wieder geschwängert", sagte sie schließlich mit tonloser Stimme und er konnte nicht wirklich sagen, ob sie wütend oder enttäuscht klang. Wahrscheinlich war sie beides. 

„Oh", brachte er nur hervor und durchforstete sein Hirn nach irgendeiner angemessenen Antwort. Sheila schüttelte den Kopf, dann verschränkte sie die Arme vor Brust und lehnte sich an ihn. 

„Er rafft einfach nicht, dass er nicht tun kann was er will. Aber da muss er jetzt durch. Vielleicht reißt er sich irgendwann mal zusammen", entrüstete sie sich. Jonathan konnte ihr nur zustimmen. 

„Jonas tut mir leid. Hat Matthias es ihm gesagt oder wie hat er es herausgefunden?", wollte er wissen, denn sollte er es ihm selbst gesagt haben und dann so ahnungslos tun, würde seine Meinung von ihm deutlich sinken. 

„Er hat Esra getroffen, als sie gerade vom Frauenarzt kam. Also... vielleicht weiß Matthias noch gar nichts von seinem Glück", sagte sie eindeutig verbittert, dann löste sie sich wieder von ihm. 

„Aber er müsste doch wissen, dass er... naja, mit ihr geschlafen hat und dass Jonas das nicht gut finden würde. Wieso tut er so, als hätte er keine Ahnung?", hörte er sich fragen und biss sich augenblicklich auf die Zunge. Er wollte nicht, dass sie dachte, er würde ihn schlecht machen wollen. 

„Er trinkt manchmal ziemlich viel. Kann schon sein, dass er sich tatsächlich nicht erinnert", erklärte sie, doch dann winkte sie ab. 

„Ich habe mir überlegt, dass ich heute Abend kurz bei ihm vorbei fahre und ihn frage, ob er eigentlich bescheuert ist", fuhr sie fort, während sie wieder zum Sofa ging. Er folgte ihr, setzte sich neben sie und legte den Arm um sie. 

„Mein Vater wird ausflippen, wenn er von ihrer Schwangerschaft erfährt", sagte sie, begleitet von einem freudlosen Lachen. 

„Er schafft es ja noch nicht einmal, sich um zwei Kinder zu kümmern", redete sie sich in Rage, doch plötzlich fiel Jonathan etwas ein. 

„Hat Jonas Esra gefragt, ob er auch wirklich der Vater ist? Sie könnte doch von jemand anders schwanger sein", warf er seinen Gedanken ein und einen Moment sah Sheila ihn ausdruckslos an, doch dann zog sie die Augenbrauen zusammen. 

„Ich glaube nicht. Er ist doch oft bei ihr und ich weiß, dass sie ihn mag", erwiderte sie, aber Jonathan war nicht wirklich überzeugt, dass Matthias fremdgegangen war. Dafür fand er seine Reaktion eigentlich zu echt. 

„Vielleicht sollte irgendjemand Esra fragen", schlug er vor, was Sheila lachen ließ. 

„Also ich auf jeden Fall nicht. Ich rufe sie doch nicht an und frage, ob sie mit meinem Bruder geschlafen hat und mal wieder vergessen hat, zu verhüten", sagte sie und schüttelte den Kopf. 

„Ich glaube, ich sage ihm nur, dass Jonas weiß, dass er ihn mit ihr betrogen hat. Den Rest muss er selbst rausfinden", schloss sie, dann rutschte sie mit einer eleganten Bewegung auf seinen Schoß. 

„Aber lass uns doch über was anderes reden. Zum Beispiel, dass ich den tollsten Freund auf der Welt habe", scherzte sie, dann schlang sie die Arme enger um ihn. Er lachte, doch er fühlte sich auch geschmeichelt. 

„Du bist so süß", lachte er, schob sie jedoch langsam wieder von sich herunter. Etwas zerknirscht sah er sie an, bis sie wissend nickte. 

„Du musst arbeiten. Und ich sollte mich schon mal aufs Shoppen vorbereiten und mir Gedanken machen, was ich alles kaufen muss", sagte sie, legte ihm ihre Hand kurz an seine Wange, dann stand sie auf und hielt ihm ihre Hände hin. Schnell ergriff er sie und ließ sich von ihr hochziehen. Sie zog ihn zum Studio, öffnete die Tür für ihn und schob ihn hinein. 

„Du arbeitest jetzt weiter. Nicht, dass du wegen mir in Verzug kommst", sagte sie und zeigte mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf ihn wie eine Lehrerin. Er salutierte. 

„Aye aye Chef", lachte er, woraufhin auch ihre Mundwinkel sich nach oben verzogen. Schnell küsste er sie noch einmal, dann schloss sie die Tür und er stand allein in seinem Studio. 

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