Kapitel 87 - Jonathan

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Jonathan warf ihr immer wieder Blicke zu, wie sie neben ihm im Auto saß und auf ihrem Handy herumtippte. Natürlich war er neugierig, mit wem sie schrieb, doch er wollte auch nicht aufdringlich sein und sie fragen. Also beschränkte er sich darauf, anhand ihrer Miene zu erraten, wer es sein konnte. Da sie fast die ganze Zeit lächelte, war es vielleicht ihr Bruder. 

Nach einer Weile steckte sie das Handy zurück in ihre Handtasche, dann sah sie ihn mit einem Seufzer an. 

„Mein Bruder geht heute Nachmittag seine Kinder besuchen und Jonas ist mal wieder eifersüchtig", sagte sie mit einem Grinsen im Gesicht, das nach Schadenfreude aussah. 

„Okay", lachte er ein wenig unsicher, was genau er dazu sagen sollte. Obwohl er Jonas noch nicht lange kannte, hatte er schon mehr als einmal gehört, dass er ziemlich eifersüchtig zu sein schien. 

„Mein Bruder will nicht, dass er mitkommt. Jetzt ist er anscheinend beleidigt", erklärte sie. Jonathan machte ein unverständliches Geräusch. 

„Er scheint ziemlich oft beleidigt zu sein. Ich mochte ihn eigentlich und er wirkte gar nicht so anstrengend", gab er zu, doch Sheila schnaubte nur. 

„Ich mag ihn auch, vor allem weil er meinen Bruder glücklich macht. Aber er ist ziemlich schwierig", erwiderte sie, dann strich sie ihm kurz über den Arm. 

„Es ist nicht jeder so perfekt wie du", sagte sie leise, doch sie schien es ernst zu meinen. Kurz war er sprachlos, dann gluckste er.

„Ich bin nicht perfekt. Niemand ist das", sagte er nur, doch er war geschmeichelt, dass sie ihn so sah. 

„Na gut, fast perfekt. Du musst dir nicht so viele Sorgen um mich machen", sagte sie, dann rutschte sie in ihrem Sitz nach unten und überschlug die Beine. 

„Ich will nur nicht, dass dir jemand was tut", verteidigte er sich, doch sie winkte ab. 

„Ich kann schon auf mich selbst aufpassen", sagte sie, warf ihm aber gleichzeitig einen warmen Blick zu. Er erwiderte diesen, drückte ihr kurz das Knie, dann lenkte er den Wagen auf einen kleinen Parkplatz. 

„Hier sind wir. Erwarte nicht zu viel, hier gibt es nicht allzu viel", sagte er schnell, dann stiegen sie aus. Neugierig sah sie sich um, griff nach seiner Hand und sah ihn fröhlich an. 

„Wo lang?", fragte sie und er zog sie in Richtung der kleinen Einkaufsstraße.

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Nach einer gefühlten Ewigkeit ließ er sich erschöpft auf ein kleines Sofa fallen, das in der Mitte zwischen den Kabinen zur Anprobe stand und schloss für ein paar Sekunden die Augen. Sheila erwies sich aus äußerst ausdauernd, was das Anprobieren von Klamotten anbetraf. 

Obwohl er sich freute, dass sie Spaß hatte und sich wohlfühlte, wurde es für ihn langsam Zeit, nach Hause zu fahren. Allmählich bekam er Hunger und seine Füße taten weh. 

Ein scharrendes Geräusch ließ ihn wieder aufblicken. Sheila hatte mit einem Ruck den Vorhang ihrer Kabine aufgezogen und stand nun in einem eng anliegenden und ziemlich kurzen schwarzen Stoffkleid vor ihm. Sie strahlte ihn an, zog es noch einmal zurecht, dann präsentierte sie sich ihm. Es war eindeutig sexy, gleichzeitig sah es elegant aus. 

„Vielleicht ein bisschen kurz", sagte er als sie sich umdrehte, denn es bedeckte nur so gerade ihren Po. 

„Mit einer Strumpfhose drunter geht das schon", erwiderte sie, sah sich noch einmal im Spiegel an und warf ihm dann eine Kusshand zu. Er musste grinsen, denn sie wirkte so fröhlich, dass es ansteckend war. 

Neben sich bemerkte er eine Bewegung. Ein kleines Mädchen, vielleicht 6 oder 7 Jahre alt, hatte sich neben ihn auf das Ledersofa gesetzt und starrte Sheila an. Diese bemerkte den Blick, doch sie ließ sich nichts anmerken. 

„Mama? Was hat die Frau da an den Armen?", fragte das Mädchen eine Frau mittleren Alters, die einige Schritte entfernt vor einem Spiegel stand. Sheila warf ihm einen erschrockenen Blick zu und zog an den Ärmeln des Kleides, die nur bis knapp über die Ellbogen reichten. Panisch suchte er ihren Blick, denn er wusste nicht, wie er reagieren sollte. Klar, Kinder waren neugierig, doch er fühlte sich unwohl. Sheila zwang sich zu einem Lächeln, das sie dem Mädchen zuwarf, dann verschwand sie unter dem geschockten Blick der Mutter in ihre Kabine zurück. 

Jonathan fühlte sich schrecklich. Hätte er sie nicht irgendwie verteidigen sollen? Zwar hatte die Frau nichts gesagt, doch ihr Blick hatte mehr als tausend Worte gesagt. 

Kurz darauf kam Sheila wieder aus der Umkleide, doch sie trug nun wieder ihre normalen Klamotten, das Kleid hing über ihrem Arm. Noch immer stand die Frau mit dem Mädchen an der Hand da und starrte sie an. Schnell sprang Jonathan auf, griff nach Sheilas Hand und zog sie mit sich an der Frau vorbei. Er hatte noch dringender das Bedürfnis, nach Hause zu fahren. 

„Vielleicht sollten Sie darauf achten, dass Kinder das nicht sehen", hörte er nach einigen Schritten die Stimme der Frau. Sheila neben ihm zuckte zusammen, dann verkrampfte sich ihr Griff um seine Hand. 

„Ignorier sie", flüsterte er ihr zu, doch es schien ihm irgendwie nicht angemessen. Sheila zog ihn zwischen ein paar Kleiderständer, dann blieb sie stehen. 

„Schon okay. Passiert mir öfter. Man gewöhnt sich irgendwann dran", sagte sie schulterzuckend, doch er konnte seine Wut nur schwer zurückhalten. 

„Sie hätte sich den Kommentar sparen können", gab er verbittert zurück, allerdings lächelte sie ihn beschwichtigend an. 

„Ärger dich nicht. Halb so wild. Inzwischen macht es mir nichts mehr aus", sagte sie, doch er glaubte ihr nicht wirklich. Ihr Blick war in dem Moment zu verletzt gewesen und er wusste, dass es sie zumindest für einen kurzen Moment verletzt hatte. 

„Du glaubst nicht, was Leute schon gesagt haben, als ich mit Johnny shoppen war. Die Psychopathin und die Schwuchtel im Doppelpack", lachte sie, doch in ihren Augen konnte er Schmerz sehen. Trotzdem musste er grinsen, denn wenn er sich Sheila und Johnny zusammen vorstellte, drängte sich ein ziemlich lustiges Bild in seinen Kopf. Sheila war mit ihren pinken Haaren und den Piercings nicht gerade unauffällig und Johnny schien ein wahrer Paradiesvogel zu sein und die Aufmerksamkeit zu genießen. 

„Komm, lass uns gehen. Hast du auch Hunger?", fragte sie dann, hakte sich bei ihm unter und zog ihn zur Kasse. Obwohl es scheinbar nicht das erste Mal war, dass sie dämliche Kommentare an den Kopf geworfen bekam, wirkte sie ein kleines bisschen traurig. 

„Ich kenne ganz in der Nähe ein nettes Restaurant. Du bist eingeladen", sagte er, während sie ihr Kleid bezahlte und es in die riesige Tüte legte, die an seinem Arm hing. 

„Okay", sagte sie, nahm wieder seine Hand und ließ sich von ihm mitziehen. Erst als sie vor dem Laden auf der Straße standen, verrauchte seine Wut ein wenig. 

„Hey, hör auf, darüber nachzudenken. Ich hab schon Schlimmeres gehört, wirklich", sagte sie und sah ihn so eindringlich an, dass sein Herz in die Hose rutschte. 

„Ich versuche es", erwiderte er, dann spürte er einen sanften Kuss auf seinen Lippen. 

„Wenn du willst, machen wir morgen irgendwas, auf das du auch Lust hast", sagte sie, nachdem sie ein Stück die Straße entlanggegangen waren und stupste ihn an. 

„Ach, es hat doch Spaß gemacht. Wenn es dir gefallen hat, bin ich zufrieden", gab er zurück und meinte es durchaus ehrlich. 

„Außerdem sahst du in dem Kleid ziemlich heiß aus", gab er zu, woraufhin sie lachte. 

„Ach, ich dachte es wäre zu kurz", ärgerte sie ihn, doch sie kicherte vor sich hin. 

„Wenn andere dich sehen können, ist es eindeutig zu kurz", sagte er, dann versuchte er das Bild von ihr in dem Kleid wieder wegzuschieben. Das würde er sich für zu Hause aufsparen. 

Slice of Life - A New Beginning IWhere stories live. Discover now