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Mittwochs, zwei Tage nach Lions Besuch, bin ich gerade dabei nach einem Kunden das Bett frisch zu beziehen, als plötzlich eine Gestalt im Türrahmen auftaucht. Das alleine wäre nichts ungewöhnliches, schließlich steckt auch der ein oder andere Freier mal den Kopf durch die Tür, wenn er die Dame seiner Wahl nicht direkt vom Flur aus sieht, doch die Person im Türrahmen ist kein Freier sondern eine Frau.

Im ersten Moment gehe ich aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes von einer neuen Kollegin aus, die sich bei mir vorstellen will. Die junge Dame, die schätzungsweise irgendwas zwischen Mitte und Ende zwanzig sein muss, hat wasserstoffblonde Haare, lange spitze pinke Fingernägel und eine solide Solariumsbräune. Ihre Augen sind extrem geschminkt und von exzentrischen Plastikwimpern gerahmt und über den knallpink geschminkten Lippen hat sie auf der rechten Seite ein kleines glitzerndes Piercing.

Ihr schlanker Körper steckt in einem Outfit, welches selbst auf einer Bad-Taste-Party Aufsehen erregen würde: sie trägt ein kurzes Top mit Leopardenmuster, einen Jeansrock, der kaum breiter als ein Gürtel ist und gerade so ihre Pobacken bedeckt und extrem hohe Highheels, die mit zahlreichen Nieten und Spikes verziert sind. Über ihrem Arm baumelt eine Louis Vuitton Tasche, die so fake ist, wie ihr Lächeln, als sie fragt: "Bist du Malia?"

Ich lasse die Bettdecke sinken und wende mich ihr komplett zu. Mit hochgezogener Augenbraue frage ich: "Wer will das wissen?"

Es klingt zickiger, als beabsichtigt, aber der Job hat mich misstrauisch gemacht. Ich kenne sie nicht und wenn sie sich einfach nur vorstellen wollen würde, würde sie wohl kaum meinen richtigen Vornamen kennen.

"Ich", antwortet Blondie patzig und stöckelt ungefragt und voller Überzeugung in mein Zimmer. Sie schmeißt schwungvoll die Tür hinter sich zu und sieht mich mit einem arroganten Blick an.

"Ich hab deinen Name von einer Freundin", informiert sie mich endlich. "Ich bin hier um dich zu warnen."

Was geht denn jetzt ab?

Irritiert mustere ich die tätowierte Blondine, lasse meinen Blick einen Moment zu lang an den Sternen und Lilien auf ihrem Oberarm haften, bis sie fortfährt: "Ich habe gehört, dass du dich an Roy ranmachst. Ich muss dich leider enttäuschen: er meint es nicht ernst mit dir. Er ist mein Freund und wir bauen uns gerade eine gemeinsame Zukunft auf. Nur deshalb ist er so nett zu dir - damit du für ihn arbeitest und Geld ranschaffst."

Jetzt verstehe ich, woher der Wind weht.

Mir entweicht ein heiseres Lachen: "Hör zu, Barbie. Du wirst mir jetzt vermutlich nicht glauben, aber dasselbe hat mein Freund Roy mir auch erzählt. Arbeitest du auch für ihn?"

"Das geht dich gar nichts an", keift sie.

Das reicht mir als Antwort.

"Er hat uns anscheinend beiden dasselbe Theaterstück aufgeführt", schlussfolgere ich nachdenklich.

"Theaterstück? Mädchen, was laberst du?", fragt sie in bestem Ruhrpott-Slang und ich muss unwillkürlich grinsen.

"Er hat uns verarscht. Er hat uns belogen, uns Gefühle und eine Beziehung vorgetäuscht und uns ausgenutzt, damit wir für ihn anschaffen gehen, wie du selbst schon gesagt hast", fasse ich nüchtern zusammen.

Ich hatte ja schon seit einiger Zeit das Gefühl, dass Roys ganzes Gefasel ein einziges Meer aus Lügen war, aber bis jetzt bin ich immer davon ausgegangen, dass ich die Einzige sei, der Roy eine Beziehung vorgespielt hat und dass er seine restlichen Einkünfte aus dem Mirage und dem Rouge bezieht. Scheint aber, als sei dem nicht so. Anscheinend hat Barbie hier genau das gleiche erlebt und mir drängt sich die Frage auf, mit wie vielen Frauen Roy diese Masche schon abgezogen hat?

Rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt