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Die Autofahrt verbrachten wir damit, uns anzuschweigen. Roy legte auch nicht wie sonst seine Hand auf meinen Oberschenkel, sondern er ignorierte mich weitestgehend. Ich tat es ihm gleich, und starrte konzentriert aus dem Fenster.

Als er vor unserem Haus parkt, sage ich schnell: "Danke für's Fahren, das wäre wirklich nicht nötig gewesen. Wir schreiben." Dann öffne ich die Tür, doch als ich gerade aussteigen will, packt Roy mich energisch am Handgelenk.

"Das ist unfair von dir, Malia. Du kannst doch nicht von mir erwarten, dass es spurlos an mir vorbei geht, wenn ich so eine Nachricht auf deinem Handy lese. Wie hättest du denn an meiner Stelle reagiert?", fragt er aufgebracht.

Ich denke einen kurzen Moment darüber nach und antworte dann: "'Ich hätte dich gefragt, und wenn du mir versichert hättest, dass an meinen Bedenken nichts dran ist, hätte ich dir geglaubt. So macht man das nämlich in einer Beziehung!"

Ich beiße mir auf die Zunge. Scheiße, Malia, was laberst du da? Kannst du nicht einmal nachdenken bevor du redest verdammt?

Mir entgeht nicht das kurze Funkeln, dass in Roys Augen aufblitzt, bevor er mich schief angrinst.

"Wir sind also in einer Beziehung?", fragt er mich neckend.

"Natürlich. Zwei Menschen haben immer eine Beziehung zueinander, was nichts anderes definiert, als dass die eine Verbindung zueinander haben. Diese kann zum Beispiel politisch, kulturell, geschäftlich, privat oder zwischenmenschlich sein. Ich habe nicht festgelegt, was für eine Beziehung wir zueinander haben", versuche ich mich rauszureden, in dem ich meine wenigen Kenntnisse aus dem Sozialwisschenschaften-Unterricht aus den Tiefen meines Hirns zum Besten gebe.

Wenn er mich nicht spätestens jetzt für vollkommen bescheuert hält, weiß ich auch nicht.

Doch Roy grinst überlegen und wiederholt: "Wir haben eine Beziehung."

Ich ziehe meine Hand weg und steige genervt aus dem Auto aus. Als ich gerade die Haustür aufschließen will, packt mich eine Hand grob an der Schulter, dreht mich herum und stößt mich unsanft gegen die Haustür.

Roy ist mir gefolgt und fixiert mich mit seinen eisblauen Augen. Er sieht mir tief in die Augen, sein Gesicht ist nur wenige Zentimeter von dem meinen entfernt.

"Was.." beginne ich geschockt, doch bevor ich weiter sprechen kann, drückt Roy grob seine Lippen auf meine.

Ich keuche hilflos auf und will instinktiv zurück weichen, doch drücke mich so nur weiter gegen die Haustür.

Roy öffnet seinen Mund und dringt fast schon grob mit seiner Zunge zwischen meine Lippen. Seine Hand gleitet in meinen Nacken und dirigiert so meinen Kopf noch enger an ihn heran.

Seine Zunge streicht und umkämpft die meine. Er küsst mich roh und leidenschaftlich und mein einstiger Widerstand beginnt schnell zu bröckeln.

Ich lasse mich fallen, gehe ganz in dem Kuss auf, den Roy mir aufgezwungen hat. Unser Münder fügen sich wie Puzzleteile zusammen und unsere Zungen verschmelzen miteinander, doch plötzlich löst Roy sich von mir.

Ich habe das Gefühl, er hat genau auf diesen Moment gewartet, in dem ich mich ihm hingebe, um mich dann fallen zu lassen wie eine heiße Kartoffel.

Er sieht mir tief in die Augen und sagt ganz langsam: "In meinen Beziehungen küsst man sich zum Abschied."

Dann dreht er sich um und verschwindet.

Ich stehe verstört vor der Tür und schaue ihm perplex nach.

Erst als Roy schon längst vom Parkplatz gerast ist, finde ich langsam meine Fassung wieder. Immer noch aufgewühlt laufe ich nach oben und schließe mich direkt in meinem Zimmer ein.

Ich lasse mich auf mein Bett fallen und starre die Zimmerdecke an. Ich brauche eine Weile, um auf diese ganzen Ereignisse des heutigen Tages klarzukommen.

Roys Verhalten ist mir suspekt. Er hat extrem liebevolle und fürsorgliche Züge und es gibt nahe Momente zwischen uns, in denen er mir sehr viel Sicherheit und Geborgenheit gibt.

Aber mindestens genau so oft gibt es eben auch die Momente, in denen er wütend ist, aufbrausend. Situationen, in die er sich reinsteigert, sich auf seine Sicht der Dinge versteift und unberechenbar wird. Er tobt, er schreit, er droht, er baut sich vor mir auf. Und in diesen Situationen ist von Wärme und Sicherheit nicht mehr viel übrig. Nicht nur sein Blick wird kalt, auch er wird es. Kalt, distanziert, emotionslos. Gefährlich, wie ein Pulverfass.

Auch wenn ich zu Beginn überglücklich war, so lässt mich sein Verhalten mittlerweile ab und an zweifeln.

In dem Moment vibriert mein Handy in der Hosentasche meiner Jeans. Umständlich ziehe ich es im Liegen heraus und werfe einen kurzen Blick auf das Display. Es ist wieder eine Nachricht von Lion.

Überrascht richte ich mich in meinem Bett auf. Das hatte ich ja fast schon wieder vergessen. Da sieht man mal, wie kirre mich Roy macht.

"Ein "Nein" ist okay, keine Antwort ist es nicht 🙃", ist Lions zweite heutige Nachricht. Ich klicke auf seinen Chat und sehe, dass er online ist.

Erneut öffne ich sein Profilbild und betrachte es nun in Ruhe. Er hat wirklich ein extrem hübsches Gesicht, und die grünen Augen bilden so einen außergewöhnlichen Kontrast zu seiner gebräunten Haut und den dunklen Haaren, sodass Lion einem gleich ins Auge sticht.

Er wirkt nicht bedrohlich und kalt wie Roy, und ich habe ihn noch nie wütend erlebt. Er ist immer ziemlich gelassen und hat ein Lächeln auf den Lippen.

"Sorry, ich war unterwegs und konnte noch nicht zurück schreiben", antworte ich ihm wahrheitsgemäß.

"Okay. Das ist aber keine Antwort auf meine Frage..", kommt sofort zurück. Er scheint wirklich auf meine Antwort gewartet zu haben.

"Es tut mir leid, Lion, aber das mit uns beiden geht nicht. Du musst das akzeptieren", antworte ich, obwohl es sich irgendwie falsch anfühlt.

Auch wenn es sich komisch anhört, aber ich vermisse ihn irgendwie. Seine sanfte Art, die liebevollen Blicke. Vielleicht sollte ich statt Roy lieber Lion eine Chance geben?

Schnell werfe ich den Gedanken über Board und schicke die Nachricht ab, bevor ich es mir noch anders überlege. Egal wie sehr ich mich zu Lion hingezogen fühle, ich muss das unterdrücken. Es würde sowieso zu nichts führen.

"Aber wieso denn nicht? Ich verstehe es einfach nicht, Malia. Habe ich irgendwas falsches getan?", antwortet Lion prompt.

Ich seufze auf und lasse mich wieder zurück in die weiche Matratze sinken. "Bitte hör auf damit und mach es mir nicht so schwer. Es geht einfach nicht."

Dann stelle ich mein Handy lautlos und sperre mein Display. Ich hab für heute wirklich genug von Menschen mit Penis, die sind mir zu kompliziert.

Den restlichen Nachmittag verbringe ich damit, die Hausaufgaben für den morgigen Schultag zu erledigen und ein paar meiner Gedanken in meinem Tagebuch niederzuschreiben.

Es ist schwer mich zu verstehen,
Schwer mit mir umzugehen,
Ich weiß es,
Deswegen bin ich leise.

Irgendwann wird vielleicht doch alles gut,
Vielleicht braucht es nur Mut,
Oder weniger vielleichts.

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Meine Lieben,

Was sagt ihr zu Malias und Roys Abschied?

Und was zu ihrer kurzen und irgendwie heimlichen Konversation mit Lion?

A.

Rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt