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Roy läuft vor, ohne mich weiter zu beachten und ich tappse ihm hinterher, ohne zu wissen, was mir gleich blüht.

Ich hoffe wirklich, dass es jetzt gleich keine Auseinandersetzung oder das ganz große Theater gibt.

Unser letzter richtiger Streit ist zwar schon eine ganze Weile her, aber streiten mit Roy ist kräftezehrend und ermüdend, weshalb ich versuche es zu vermeiden, wann immer es geht.

Vor allem wenn der Streit beruflicher Natur ist, kann Roy schnell ziemlich ungemütlich werden.

Zögerlich schließe ich die Tür von Roys Büro hinter mir. Roy reicht mir zuerst eine Sweatshirtjacke, die über seinem Stuhl hängt, damit ich sie mir überziehen kann und nimmt dann auf dem großen schwarzen Ledersessel hinter dem Schreibtisch Platz und dirigiert mich mit einer Handbewegung auf den Stuhl vor ihm.

"Was ist da gerade passiert?", fragt er mich nüchtern.

Moment mal..

Hat er das überhaupt nicht mitbekommen?

"Abdel hat mir Geld geboten, damit ich meinen String ausziehe. Ich habe verneint. Dann hat er mir mehr Geld geboten. Ich habe wieder verneint und er hat mir-" "Komm zum Punkt!", fährt Roy ungeduldig dazwischen.

"Er hat gesagt ich soll nicht so arrogant sein, ich sei nur eine kleine billige Tänzerin und nichts besseres, nur weil ich dein privates Spielzeug bin", fasse ich Abdels Beleidigungen kurz und knapp zusammen.

"Und dann hast du ihn geschlagen?", schlussfolgert Roy trocken. Ich nicke vorsichtig.

"Du kannst keine Gäste schlagen, Malia", sagt er streng, aber nicht wütend. Er wirkt gefasst und höchstens belehrend, aber nicht annähernd so zornig, wie ich erwartet habe.

"Mir ist bewusst, dass er was auf die Fresse verdient hat, aber das ist nicht deine Aufgabe. Wir haben Security und die rufst du bitte, wenn dir jemand dumm kommt, hörst du?"

"Ich weiß, das war aus Reflex", rechtfertige ich mich unsicher.

Roy grinst. "Kann ich verstehen. Ich habe doch gesagt, ich hasse ihn. Erinnerst du dich noch an unser letztes Gespräch über ihn? Du hast gesagt "10.000 Euro für's Séparée" und nanntest das utopisch, richtig?" 

Verlegen nicke ich.

Keine schöne Erinnerung.

Roy zieht die zerknitterten Scheine von Abdel aus seiner Hosentasche und legt sie auf den Tisch. Dann sortiert er. Grün zu grün, gelb zu gelb, lila zu lila.

"Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht, neun, zehn", zählt er laut und packt die grünen Scheine auf einen Haufen.

Was wird das?

Will er mir zeigen, wie toll er bis zehn zählen kann?

Er nimmt sich den nächsten Haufen vor und zählt wieder laut: "Zwei, vier, sechs, acht, zehn, zwölf, vierzehn, sechzehn, achtzehn, zwanzig."

Ich hab's noch immer nicht verstanden.

Jetzt nimmt er die lilanen Scheine in die Hand. "Fünf, zehn, fünfzehn, zwanzig, fünfundzwanzig, dreißig, fünfunddreißig, vierzig, fünfundvierzig, fünfzig."

Roy sammelt wieder alle Scheine zusammen, nimmt sie in die Hand und hebt sie hoch. "Zehn, zwanzig, fünfzig."

Wird das ein Matherätsel?
Vollende die Zahlenreihe?

"Das sind 8000 Euro Malia", sagt er und schmeißt die Scheine vor mir auf den Tisch. "Du hast 10.000 Euro für utopisch gehalten für einen Private Dance und er hat dir gerade ohne mit der Wimper zu zucken 8000 Euro hingelegt, damit du deinen Tanga ausziehst. Weißt du jetzt, wieso ich so wütend war?"

Betreten nicke ich.

"Ja los, steck es ein. Es ist deins", befiehlt er und zeigt mir seiner rechten tätowierten Hand auf das Geld.

"Ist das dein Ernst?", frage ich ihn erschüttert. "Normalerweise gehören 30% des Trinkgeldes Joker und mir, weißt du ja. Aber ich will, dass du das Geld als Lehrgeld nimmst. Rahm es dir ein, häng es dir über dein Bett und denk jedes Mal daran, wenn du gerade dabei bist, dich unter Wert zu verkaufen."

Ehrfürchtig nehme ich das Geld in die Hand. Ich habe noch nie so viele bunte Scheine auf einmal gesehen.

"Er heißt al-Yasir mit Nachnamen", informiert Roy mich beiläufig. "Yasir bedeutet reich."

"Da ist der Name wohl Programm", erwidere ich nüchtern. Ich dachte damals, dass Roy mit seinen Aussagen über Abdel übertreibt, aber heute hat Abdel sein wahres Gesicht gezeigt. Er hat gezeigt, dass er nicht nur nett und spendabel ist, sondern dass er fast schon narzisstische Züge hat.

"Er denkt, er kann sich mit seinem vielen Geld kaufen was er will, selbst uns Mädchen und wenn etwas nicht nach seiner Nase läuft, wird er ungemütlich", spreche ich meine Gedanken laut aus.

"Mach dir keine Sorgen, der wird erstmal nicht mehr wieder kommen, Malia", versichert Roy mir um mich zu beruhigen. "Und wenn doch, dann weißt du ja jetzt was zu tun ist."

"Ihn schlagen?", frage ich ihn schmunzelnd.

Roy verdreht die Augen und kneift mir in die Wange. "Na los, geh weiter arbeiten, bevor du auf noch dümmere Ideen kommst. Ich muss jetzt los und bin die nächsten Stunden mit Joker unterwegs, wir müssen ein paar Sachen klären. Wenn noch was ist wendest du dich an Tahar oder Pam, okay?"

Ich nicke und küsse ihn zum Abschied. Dann gebe ich ihm seine Sweatshirtjacke zurück und gehe zur Tür.

"Ach und Malia?", ruft er mir nach. Ich drehe mich noch einmal zu ihm um. "Zieh dir bitte etwas an. Muss echt nicht sein, dass du hier so rumläufst."

Ich lache und zeige ihm den Mittelfinger.

Geradewegs gehe ich zurück an meinen Arbeitsplatz und tanze weiter, so als wäre nie etwas passiert. Gegen 21:45 Uhr treffen Joana, Kitty und ich uns in unseren Morgenmänteln in einer hinteren Ecke der Bar.

"Sind sie schon da?", frage ich neugierig. Ich bin ein bisschen aufgeregt, was das für Typen sind, die wir gleich amüsieren sollen. Dass sie in meinem Alter sind, macht es tatsächlich irgendwie schwieriger für mich.

Was, wenn ich einen von ihnen kenne?

Die Welt ist ja bekanntlich ein Dorf.

"Ne, die sind noch nicht da, müssten aber jeden Moment kommen", antwortet Kitty.

Sie behält Recht und gut fünf Minuten später betritt eine auffallend laute Gruppe das Mirage und nimmt an dem für sie reservierten Tisch Platz.

"Laut und nervig", urteilt Joana und rollt mit ihren schönen braunen Augen.

"Aber absolut harmlos. Das sind kleine Schuljungs, die sind einfach nur aufgeregt. Ist bestimmt deren erstes Mal in 'nem Stripclub", gibt Kitty zu bedenken und streicht sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht.

"Und was sagt unser Küken? Kennst du einen von denen? Sind das Mitschüler von dir?", feixt Joana an mich gerichtet.

Ich lache und lasse meinen Blick erneut über die Gruppe schweifen, bis mir plötzlich das Lachen im Hals stecken bleibt.

Hysterisch drehe ich mich zu Joana um und fluche panisch: "Fuck! Ich kann diesen Auftritt auf keinen Fall machen!"

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Meine Lieben,

Wen oder was hat Malia da wohl entdeckt?

Wird sie den Auftritt wirklich nicht machen oder wird sie sich durchbeißen müssen?

Und was sagt ihr überhaupt zu den 8000 Euro? Schon ganz schön krass, oder?

A.

Rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt