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Mit großen Augen beäuge ich den durchsichtigen Druckverschlussbeutel, den Roy mir vor die Nase hält.

Er beinhaltet grüne getrocknete Blüten und Blätter, teilweise zu feinen Krümeln zerkleinert.

Gras.

"Hast du schon mal gekifft?", fragt Roy mich unverblümt.

Ich nicke. "Ich habe es zwei oder drei Mal probiert, war aber nicht so meins", gebe ich zu.

"Dann war das bestimmt kein gutes Gras, sondern irgendso 'ne gestreckte Scheiße. Das hier ist feinstes Amnesia Haze aus Holland. Wirklich gutes Zeug", preist er die grünen Knollen überzeugt an.

Neugierig beobachte ich, wie Roy sich an den Wohnzimmertisch setzt und beginnt, einen Joint zu bauen.

"Du solltest es probieren, es wird dir bestimmt besser gehen. Du vergisst den ganzen Scheiß, entspannst dich und kannst danach gleich auch in Ruhe schlafen gehen", führt Roy seinen Monolog weiter und mit dem letzten Argument kriegt er mich tatsächlich. In Ruhe schlafen klingt einfach nur himmlisch.

Wenn ich so darüber nachdenke würde ich sonst bestimmt die ganze Nacht wach liegen und mich in toxischen Gedanken und Flashbacks verlieren.

Roy betrachtet zufrieden den fertig gerollten Joint und zündet ihn an. Er nimmt einen tiefen Zug und sofort erfüllt der süßliche Geruch von Mariuhana das große Wohnzimmer.

Er zieht zwei weitere Male, bevor er mir den glimmenden Joint reicht. Zaghaft ziehe ich daran und spüre, wie der Qualm in meine Lungen fließt.

"Kiffst du oft?", frage ich ihn zwischen zwei Zügen. "Ab und an, zum runterkommen", antwortet er.

"Aber nicht zu oft, das macht einen so lethargisch. Dafür habe ich viel zu viel zu tun", schiebt er grinsend hinterher.

"Hm", mache ich nur und genieße, wie mich eine Welle warmes Kribbeln erfüllt. Es klingt vielleicht komisch,  aber es fühlt sich so an, als würde der viele Rauch die Leere in mir füllen.

"Nimmst du noch andere Drogen?", frage ich ihn vorsichtig, als er wieder an dem bereits ziemlich heruntergebrannten Joint zieht.

"Ich ziehe mir ganz gerne mal 'ne Line", gibt er offen zu. Überrascht schaue ich ihn an. "Koks?", hake ich nach. "Ja, bestimmt kein Pepp", zieht er meine Frage ins Lächerliche.

"Ich habe keine Ahnung davon, ich habe mit Drogen nix am Hut", rechtfertige ich mich. Roy drückt mir einen Kuss auf die Wange und pustet mir dabei etwas Rauch ins Gesicht. "Nee, so war das ja auch gar nicht gemeint, Babe."

Babe.

Es ist schon das zweite Mal heute, dass er mich so nennt, und mir gefällt dieser Kosename. Es drückt unterschwellig aus, dass ich zu ihm gehöre, und das mag ich.

"Aber du sagst das so, mit den "Drogen", als ob das was schlimmes ist. Man muss das nicht so verteufeln. Ich konsumiere ja nicht jeden Tag, bin ja kein Junkie oder so", lamentiert er vor sich hin. "Ich nehme nur mal ab und zu was, zum runterkommen oder um Spaß zu haben, so wie andere eben ein Feierabendbier trinken. "

Es ist, als hätten sich unsere Rollen durch das Gras vertauscht. Roy ist deutlich gesprächiger und offener als sonst, während ich hingegen ausnahmsweise mal die Schweigsamere und Ruhigere bin.

Mir gefällt das.

Ich höre ihm gerne zu, und ich bin froh, endlich etwas mehr über ihn zu erfahren, wo er doch sonst sein Privatleben sehr privat hält.

Gleichzeitig genieße ich die Ruhe und Schwere, die sich in mir ausbreiten. Das Weed lullt meine schmerzhaften Gedanken ein und packt meinen Kopf und mein Herz in Watte.

Rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt