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"Gibst du mir noch einen letzten Abschiedskuss?"

Lions Frage zieht mir den Boden unter den Füßen weg. Unsicher schaue ich ihn an. "Ich denke nicht, dass das eine gute Idee ist", antworte ich vorsichtig.

"Das ist sogar eine sehr gute Idee", flüstert er leise und rutscht ein Stück näher an mich heran.

"Nein", flüstere ich noch leiser und schüttel zaghaft den Kopf.

Lion legt seine Hand in meinen Nacken und meine Haut beginnt unter seiner Berührung angenehm zu kribbeln.

"Doch", gibt er zurück und lächelt.

"Nein", hauche ich ein letztes mal, bevor er die letzten Zentimeter Distanz zwischen uns überwindet und seine vollen Lippen auf meine drückt.

Ich weiß, dass ich mich wehren sollte, aber ich tue es nicht.

Ich will es nicht.

Mein Herz klopft wie wild und die Welt um mich herum verstummt. Lion presst seine Lippen einige Sekunden lang regungslos auf meine, bevor er seinen Mund öffnet und mit seiner Zunge in meinen Mund eindringt.

Sein rechter Daumen streichelt über meine Wange, während er mich immer noch im Nacken festhält.

Das ist mit Abstand der schönste Kuss, den ich je erlebt habe. Lion hatte Recht: Das war eine verdammt gute Idee.

Doch so gut Lions Lippen sich auch auf meinen anfühlen, so bittersüß ist der Nachgeschmack, den dieser Kuss auf meinen Lippen hinterlässt, als er sich nach einer halben Ewigkeit langsam von mir löst.

Es ist nun mal ein Abschiedskuss.

Für einen kurzen Moment überlege ich, Lions Vorschlag einfach anzunehmen. Meine Sachen zu packen und mit ihm mitzugehen, wohin auch immer, hauptsache er hört nie wieder auf mich so zu küssen.

Benommen blinzel ich gegen die helle Sonne und will gerade etwas sagen, als mein Klingelton schrill ertönt.

Ich greife nach meinem Handy, um es zum verstummen zu bringen und komme nicht drumherum zu sehen, dass es schon wieder Roy ist, der anruft.

Verdammt, wenn ich mich nicht langsam bei ihm melde, wird er bestimmt misstrauisch.

"Ich muss gehen", sage ich zu Lion und vermeide, ihm in die Augen zu sehen. Ich habe viel zu viel Angst davor, dass ich sonst anfange zu heulen.

"Okay", sagt er leise.

Ich stehe langsam auf und Lion erhebt sich mit mir.

"Pass auf dich auf. Und behalt meine Nummer. Vielleicht nicht in deinem Handy, aber schreib sie dir irgendwo auf. Und wann immer du mich brauchst, ruf mich an. Es ist egal wieso, du musst dich nicht mal erklären. Ich würde mich einfach nur freuen, noch mal von dir zu hören. Vergiss nicht: wo immer ich bin, kannst du sein. Du hast in mir immer jemanden, der bedingungslos zu dir hält, egal wer gegen dich ist."

In meinem Hals hat sich ein dicker Kloß gebildet, den ich erfolglos versuche herunterzuschlucken.

Gegen meinen Willen steigen mir nun doch dicke Tränen in die Augen, weshalb ich mich von ihm abwende.

Ich will nicht, dass er mich weinen sieht. Ich habe kein Recht jetzt zu heulen.

Ich schnappe mein Handy von der Bank und stecke es in meine Tasche.

Ich sehe ihm ein letztes Mal in die Augen und sage leise: "Danke Lion, für alles. Du bist einfach zu gut für diese Welt."

Und dann drehe ich mich um und gehe.

Rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt