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Am Freitag habe ich in den letzten beiden Stunden Sport. Gedanklich habe ich schon mit der aktuellen Schulwoche abgeschlossen und bin froh, wenigstens die kommenden 60 Stunden am Wochenende meine Ruhe zu haben.

Ich setze mich zu meinen Mitschülern auf eine Bank in der Turnhalle und warte mit den anderen auf unseren Lehrer. Einige unterhalten sich oder albern herum, doch ich halte mich zurück und schweige vor mich hin.

In der anderen Hälfte der Halle sammelt sich derweil ein weiterer Sportkurs, allerdings nicht aus unserer Stufe, sondern aus dem Abiturjahrgang.

Ich schenke dem keine weitere Beachtung, sondern konzentriere mich nur darauf, die letzten zwei Stunden vor dem Wochenende lebendig hinter mich zu bringen.

Abgesehen vom Tanzen ist Sport für mich Mord und meine momentan miserable Kondition macht es nahezu unerträglich.

"Hallo Kinder", begrüßt uns unser Lehrer Herr Lorenz sarkastisch. Er ist ein junger Lehrer, kurz nach dem Staatsexamen und macht abwechslungsreichen und lockeren Unterricht, weshalb er von allen Schülern und Schülerinnen sehr gemocht wird - vor allem von den älteren Schülerinnen.

Er sieht ziemlich gut aus, mit seinen kurzgeschnittenen dunkelblonden Haaren und dem gepflegtem Dreitagebart. Er ist durchtrainiert und wirkt trotz Jogginghose immer gepflegt und stylisch.

"Wir haben heute technische Schwierigkeiten in der Halle, was bedeutet, dass wir die Trennwände nicht herunter lassen können. Deshalb wärmen wir uns ein bisschen auf, machen eine kurze Einheit Geräteturnen, um weiter zu kommen, und spielen dann den Rest der Stunde Fußball gegen den LK von Herrn Kaiser."

Alle Köpfe schnellen hoch und neugierige Blicke wandern zu der anderen Hallenhälfte, um die zukünftigen Gegner abzuchecken.

Erst jetzt bemerke ich, wer dort sitzt. Zwischen einigen mehr oder weniger bekannten Gesichtern sitzen nämlich auch Jonah und Lion.

"Das darf doch wohl nicht wahr sein", murmel ich verzweifelt vor mich hin und reibe mir durch's Gesicht.

"Auf geht's, zehn Runden laufen", weist uns Herr Lorenz motiviert an und klatscht in die Hände. Widerwillig erheben wir uns und beginnen anmutig wie Nilpferde durch die Halle zu traben.

"Alles okay?", fragt Fiona, eine Mitschülerin von mir, plötzlich in der vorletzten Runde.

"Geht, wieso?", gebe ich einsilbig zurück. Ich kriege sowieso schon kaum Luft vor lauter Seitenstechen, wie kommt sie zu der Annahme, dass ich gerade jetzt Lust auf ein Pläuschchen habe? Sonst unterhält sie sich auch nicht mit mir.

"Weil du so ein Gesicht ziehst. Dir ist komplett die Farbe aus dem Gesicht gewichen, als du zum Kaiser-LK geschaut hast. Gibt's da jemanden, dem du nicht begegnen willst?", bohrt sie aufdringlich nach.

"Sei nicht so neugierig", antworte ich genervt und beschleunige mit letzter Kraft meine Schritte, um ihr zu entkommen.

Als ich die zehn Runden geschafft habe, bin ich fix und fertig.

Aufwärmen, dass ich nicht lache.

Herr Lorenz lässt ein paar Jungs drei Stufenbarren aus dem Geräteraum holen. Dann müssen wir nacheinander verschiedene Übungen vorturnen: Hüftaufschwung, Felgenunterschwung, Niedersprung.

Ich kämpfe mich durch und stelle mich gar nicht mal so blöd an, sodass ich sogar von Herrn Lorenz gelobt werde und daraufhin einige neidische Blicke anderer Mädels ernte.

Keine Sorge, der gehört euch.

Immer wieder bekomme ich mit, dass Lion mich beobachtet. Seine schönen Augen beobachten mich intensiv und lassen mich nie ganz aus dem Blick.

Rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt