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Der heutige Unterrichtstag ist ziemlich durchwachsen. Einige Stunden vergehen wie im Flug, während andere sich ziehen wie Kaugummi.

Die letzte Doppelstunde ist eine der letzteren Sorte: langweilig und langatmig. Geschichte.

Normalerweise kriege ich die Zeit ganz gut rum, da ich neben Bella sitze und wir uns immer zu beschäftigen beziehungsweise abzulenken wissen; heute jedoch schweigen wir uns nur an.

Zwischen uns liegt unausgesprochen die Diskussion von heute morgen und momentan möchte ich daran auch nichts ändern. Ich habe schließlich nichts verkehrt gemacht. Wenn dann muss Bella einen Schritt auf mich zu gehen.

Immer wieder driften meine Gedanken ab und drehen sich im Kreis. Wieder und wieder werfe ich ungeduldig einen Blick auf die große runde Uhr über der Tafel, bis fünf Minuten vor Schluss ein lautes Geräusch meine Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Noch bevor ich meinen Blick auf die großen Fenster vor mir richte, erkenne ich es. Es ist Roys schwarzer Lamborghini, der laut röhrend auf den kleinen Parkplatz vor dem alten Schulgebäude fährt.

Die gesamte Aufmerksamkeit meiner Mitschüler in dem kleinen Klassenraum liegt sofort auf dem teuren Sportwagen.

Wortfetzen wie "krasses Auto, was ein Wagen, so teuer, 700 PS" fliegen durch den Raum, besonders die Jungs sind ganz aus dem Häuschen und ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen.

Dann öffnet sich die Fahrertür und Roy steigt aus. Er trägt eine blaue Jeans und einen schwarzen Hoodie, dessen Ärmel er ein Stück weit hochgeschoben hat.

Bella scheint mich zu beobachten und wie ich ihn anschmachte, denn sie fragt plötzlich: "Kennst du den?"

Widerwillig löse ich meinen Blick von Roy, der sich lässig an sein Auto gelehnt hat und eine Zigarette raucht.

"Ja", antworte ich kurz und knapp. "Und wer..", beginnt meine Freundin, doch scheint dann selbst die auf die Antwort zu kommen. "Ist das Roy?"

Der leicht verachtende aber auch schockierte Unterton in ihrer Stimme entgeht mir nicht, doch ich übergehe ihn und antworte souverän: "Ja, das ist Roy."

Bella mustert ihn weiterhin skeptisch. "Der ist doch nicht ganz sauber", nuschelt sie vor sich hin, doch bevor ich etwas erwidern kann läutet die Schulglocke.

Ich springe auf, lege meiner Freundin kurz eine Hand auf die Schulter, werfe ihr ein: "Bis Morgen, Bel" zu und laufe zügig aus dem Schulgebäude.

Auch auf dem Schulhof und vor der Schule zieht Roys Wagen viele neugierige, begeisterte und auch neidische Blicke an.

Ich laufe aufgeregt und mit schnellen Schritten auf ihn zu. Als er mich entdeckt, bildet sich ein leichtes Lächeln auf seinem Gesicht, welches ich fromm erwidere.

Ich habe das Gefühl, dass alle Augen auf mich gerichtet sind, als ich vor Roy stehen bleibe und dieser mich in seine Arme zieht. Sonst habe ich mich immer bedeckt und sehr unauffällig verhalten. Ich hatte das Gefühl, dass ich für viele unsichtbar war. Nie konnte ich mithalten was Markenkleidung oder Statussymbole angeht. Oft habe ich mich ausgeschlossen gefühlt oder gar geschämt.

Doch heute bin ich es, die von einem älteren, wahnsinnig gutaussehenden Typen mit seinem teuren Sportwagen abgeholt wird. Ich bin es, die kurz nach Release das neueste iPhone in der Tasche hat. Ich bin es, die angestarrt und beneidet wird.

Rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt