• 69 •

3K 133 108
                                    

Ich atme erleichtert auf, als sich die Türen des Aufzugs hinter mir schließen. Schnell hole ich mein Handy heraus und schreibe Roy eine Nachricht. Ich möchte einfach nur nachhause und schlafen, bevor es morgen Abend ernst wird.

Morgen Abend.

Ich hätte niemals damit gerechnet, dass das alles jetzt so wahnsinnig schnell geht.

Ich fühle mich total überrumpelt von der Geschwindigkeit, mit der die Geschehnisse der letzten Wochen an mir vorbei ziehen. Dafür, dass ich bis vor knapp einem Jahr ein relativ langweiliges Leben hatte, haut mein sechzehntes Lebensjahr jetzt aber voll rein.

Vor dem Hotel zünde ich mir erstmal eine Zigarette an und lasse das Gespräch mit David Revue passieren.

Das Positive ist, dass er ein wirklich attraktiver und gepflegter Mann mit guten Manieren ist, aber das scheint leider auch schon fast sein einziger Pluspunkt zu sein.

Er wirkt mindestens genauso narzisstisch wie Roy und aus meiner Erfahrung, die ich in den letzten Monaten im Mirage mit den diversesten Gästen gesammelt habe, gepaart mit meinem ersten Eindruck von ihm, ist er nicht nur arrogant und vermögend, sondern auch jähzornig, ja fast schon cholerisch.

Es ist immer der gleiche Typ Mann, der durch chauvinistische Bemerkungen und Handlungen auffällt - Männer wie Abdel oder eben auch David. Anfangs, auch durch ihren Kontostand und den damit einhergehenden Einfluss, sind sie höflich, bemüht und schmeicheln einem mit oberflächlichen Komplimenten, doch schnell bemerkt man, dass sie unter dieser Maske skrupellos und machtgeil sind.

Ich bin schon jetzt froh, dass ich David und seine abschätzigen Bemerkungen morgen nur noch ein letztes Mal ertragen muss.

Immerhin sieht er gut aus, denke ich mir. Ich muss ihn ja nicht heiraten. Vielleicht wird es trotzdem ganz gut, beim Sex muss man sich ja nicht unterhalten.

Ich versuche mir das alles selbst einzureden, doch so richtig bringt das nichts und es ist eher der Gedanke, das ich es schon bald hinter mir habe, der mich nicht verzweifeln lässt.

Roy erzähle ich nur grob von David, nachdem er mich wenig später vor dem Hotel eingesammelt hat. David und ich werden sicherlich keine Freunde, aber das müssen wir ja auch nicht, und deshalb halte ich es auch für überflüssig, mich bei Roy über ihn auszulassen. David ist nicht schrecklich abstoßend, sodass ich nicht wüsste, wie ich den morgigen Tag überstehen soll, weshalb ich mich dazu entschließe, die Zähne zusammen zu beißen und ihn nicht mit überflüssigen Kleinigkeiten zu beunruhigen.

Ich bin mir sicher, dass das auch für ihn eine schwierige Situation ist.

Ich verbringe den restlichen Tag mit Vorbereitungen für morgen. Ich lasse mir noch mal die Nägel machen, rasiere meinen ganzen Körper und mache eine Gesichtsmaske. Ich lackiere auch meine Zehnägel und lasse über Nacht eine Haarkur einwirken.

Im Gegensatz zu dem gestrigen Abend, habe ich Roy darum gebeten mir heute meinen Freiraum zu lassen. Ich wollte mit meinen Gedanken alleine sein und mich mental auf morgen vorbereiten.

Am Abend nehme ich das erste Mal seit langer Zeit mein Tagebuch wieder aus dem Schrank und schreibe etwas herein.

Manchmal ist man bereit alles zu geben,
Alles was ich wollte war ein gemeinsames Leben.
Doch was, wenn wir uns auf dem Weg dorthin verlieren?
Hättest du gedacht, das würde uns mal passieren?
Ich versuche mit dem Kopf bei dir zu sein,
Doch mein Herz ist frei und allein
Bei ihm.
Egal was ich tu,
Die Gedanken an ihn lassen mich nicht in Ruh'.

Frustriert schlage ich das kleine schwarze Buch zu. Wie zur Hölle bin ich von Roy und David jetzt wieder bei Lion gelandet.

Das muss aufhören!

Erschöpft rauche ich einen Joint und gehe früh ins Bett. Ich werde mir morgen Abend bestimmt selbst für diese kluge Entscheidung danken; wer weiß schon, wie lange der Abend gehen wird.

Der nächste Vormittag fühlt sich an wie ein Deja-Vu. Roy hat mir im Mirage frei gegeben, damit ich mich voll auf die Treffen mit David konzentrieren kann, und Schule ist am Wochenende auch nicht. Deshalb nehme ich nach dem Aufstehen eine von Roys Tabletten, kann ja nicht schaden, und spule dasselbe Programm wie gestern ganz in Ruhe ab, denn heute habe ich noch mehr Zeit als gestern.

Ich habe mich dazu entschlossen heute Abend jene rote Unterwäsche für David zu tragen, die ich mir damals extra mit Joana für mein Debüt im Mirage gekauft habe.

David hat darum gebeten möglichst natürlich zu kommen, und daran halte ich mich. Ich trage ein wenig Foundation für ein ebenmäßigeres Hautbild auf, benutze sonst aber nur ein wenig Wimperntusche und Rouge. Meine Haare trage ich heute mal glatt geföhnt und den roten Lippenstift wähle ich passend zu dem hübschen Kleid, welches ich mir eigentlich für meinen siebzehnten Geburtstag geholt habe und nun aus Mangel an passenden Alternativen heute bereits einweihe.

Das Kleid ist strahlend rot, sehr kurz und geht gerade bis über den Po. Das Oberteil ist enganliegend mit schmalen Spaghettiträgern und hat einen tiefen Rückenausschnitt, während der Rock weit ausgestellt ist und in tiefen Kellerfalten liegt.

Dazu trage ich hohe beige Pumps aus Lackleder, als ich das Haus verlasse. Da es abends teilweise schon relativ frisch ist, habe ich mir eine dünne cremefarbene Strickjacke über die Schultern gelegt. In meiner Hand habe ich eine kleine Reisetasche von Louis Vuitton, die Roy mir mal geschenkt hat und in der ich ein paar Sachen wie Wechselkleidung und Duschzeug verstaut habe.

Roy ist es übrigens auch, der mich heute wieder zum Hotel chauffiert. Als ich aus der Haustür komme und straight auf seinen kleinen Sportwagen zusteuere, in dem er sitzt und wie so oft eine Zigarette raucht, stößt er einen anerkennenden Pfiff aus.

"Du siehst wahnsinnig gut aus. Dieser David ist ein echter Glückspilz", sagt er grinsend, während ich mich auf dem Beifahrersitzt anschnalle.

"Genau genommen bist du ein Glückspilz, denn ab morgen gehöre ich wieder für immer und alle Zeit ausschließlich dir", gebe ich zurück und schenke ihm ein aufgesetztes Lächeln, dass jedoch meine Augen nicht erreicht.

Mit jedem Meter, den wir uns dem schicken Hotel wieder nähern, steigt auch meine Nervosität, sodass ich noch mal eine von den Zauberpillen schlucke. An diesen ausgeglichenen, unbesorgten und furchtlosen Zustand, den sie hervorbringen, könnte ich mich glatt gewöhnen.

Auch heute reden Roy und ich kaum miteinander; ich bin einfach viel zu angespannt für eine sinnvolle Unterhaltung. Einmal mehr bin ich froh, dass Roy keine Plaudertasche ist, auch wenn seine Verschwiegenheit mich sonst eher in den Wahnsinn treibt.

Vor dem Hotel verabschiede ich mich knapp von Roy, der mir wieder das Versprechen abnimmt ihn anzurufen, wenn irgendwas außerplanmäßiges passiert oder er mich abholen soll.

Dann betrete ich den luxuriösen Hotelkomplex und fahre zum zweiten Mal in den fünften Stock. Wie gestern atme ich ein letztes Mal tief durch, bevor ich meine Hand zur Faust balle und wie in Zeitlupe dumpf gegen die Tür hämmere.

Na dann auf ins Verderben, frei nach dem Motto: Was mich nicht umbringt, macht mich stärker.

­__________________________________

Meine Lieben,

Nun ist es soweit.. Meint ihr, alles geht reibungslos über die Bühne oder wird das Treffen der beiden doch noch im letzten Moment platzen?

Und wie wird Malias Leben danach wohl weitergehen?

A.

Rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt