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Ich halte die Luft an und drehe mich nicht um. Jetzt wäre eigentlich der Moment gekommen, an dem ich aus diesem Alptraum aufwachen müsste.

Joana neben mir fährt jedoch erschrocken herum. Ihr scheint der Nachname Rivans mehr zu sagen als mir und an ihrem schockierenden Blick erkenne ich, dass ich mit meinem schlimmsten Verdacht richtig liege.

Mein Herz rast wie verrückt.

Das kann nicht wahr sein.

"Baby", ertönt Roys dunkle Stimme und lässt meinen letzten Funken Hoffnung sterben. Ich brauche ihn nicht zu sehen, seine rauchige Stimme würde ich unter Tausenden erkennen.

Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass Roy hinter Joana tritt und ihr eine Hand auf die Schulter legt. "Was machst du denn für Sachen? Ich habe dir doch gesagt, dass du nicht einfach so nach Rumänien fliegen kannst. Dass du aber auch immer deinen Dickkopf durchsetzen willst", tadelt er sie mit betont freundlicher Stimme und lacht falsch.

Aber er ist ein guter Schauspieler, und auch wenn ich sofort bemerke, dass seine gute Laune nur vorgetäuscht ist, scheinen die Polizisten keinen Verdacht zu schöpfen.

"Die Herren", wendet er sich an die Polizisten und schüttelt höflich ihre Hände. "Robin Rivans. Ich wollte die beiden Ausreißerinnen abholen. Meine Freundin hat da wohl was falsch verstanden mit der Reisefreiheit innerhalb des Schengen-Raums", scherzt er und die beiden uniformierten Männern lachen.

"Sie können Ihre Freundin und ihre Begleiterin gleich mitnehmen, wir müssen nur noch kurz eine Identitätsfeststellung durchführen, wie Sie sicherlich schon mitbekommen haben. Wenn Frau Lupei fertig ausgefüllt hat, handelt es sich nur noch um wenige Minuten."

Wenige Minuten bis zu der schlimmsten Standpauke meines Lebens, so viel ist sicher.

Egal wie freundlich und betont gut gelaunt Roy gerade spricht, ich weiß ganz sicher, dass das nur eine Maske ist, die er sich mit Verlassen des Flughafens vom Gesicht streifen wird.

Joana reicht dem Polizisten nun zögerlich das DinA4 Blatt zurück, woraufhin dieser beginnt, auf der Tastatur rumzutippen.

Joana und ich sehen beide beschämt und ängstlich zu Boden. Ich habe Roy bis jetzt nicht angesehen und ich wünschte, ich müsste das auch nie mehr. Unsere geplante Flucht, die uns zur Freiheit verhelfen sollte, entwickelt sich gerade zu einem einzigen Alptraum.

Ein paar Minuten später verkündet der dunkelhaarige Polizist: "Treffer. Die Angaben waren korrekt. Frau Lupei, noch einmal: Wenn Ihr Ausweis abhanden gekommen ist, wenden Sie sich bitte an das Rumänische Konsulat. Sobald Sie wieder einen gültigen Pass oder ein anderes Ausweisdokument haben, können Sie selbstverständlich auch nach Rumänien reisen. Sie können dann jetzt gehen."

Joana und ich bewegen uns beide keinen Millimeter.

Ich sehe im Augenwinkel, dass Roy nach Joanas Hand greift. "Hast du gehört, Honey? Du bist wieder frei", sagt Roy sarkastisch, grinst und zieht Joana sanft aber bestimmt von dem Holzstuhl

Frei.

So frei, wie ein Vogel im Käfig.

In einem kleinen, engen, vollgeschissenen Käfig, den Roy nach Lust und Laune mit sich herumschleppt und den er bloß mal öffnet, um jemanden mit seinen dreckigen Pranken reinlangen zu lassen, der uns betatscht, egal wie sehr wir uns wild und mit den Flügeln schlagend dagegen wehren.

Bleibt uns nur zu hoffen, dass er irgendwann mal vergisst, den Käfig abzuschließen und wir in den strahlend blauen unendlich weiten Himmel entfliehen können.

Rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt