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Roy parkt nach einer relativ kurzen Fahrt vor einer modern aussehenden Shishabar.

Er ruft mir noch schnell ein: "Ich bin sofort wieder da!", zu und schmeißt unsanft die Tür seines Wagens hinter sich ins Schloss.

Ich starre eine Weile Löcher in die Luft, bis ich mein Handy aus der Hosentasche ziehe und gelangweilt durch meinen Instagram Feed scrolle. Perfekte Gesichter, durchgestylte Outfits, nervige Werbeposts und zwischendrin immer mal wieder Schnappschüsse von zuckersüßen Kindern oder #couplegoals.

Diese Plattform kotzt mich nur noch an!

Ich will gerade entnervt die App schließen, als mir ein Bild einen Stich ins Herz versetzt. Es ist ein weiteres Pärchenfoto, diesmal allerdings wirklich ein schönes. Es zeigt Jonah, der Bella verliebt anlächelt, welche sich wiederum vertraut an ihn schmiegt.

Bella hat es gepostet mit der Caption: "Auch wenn alle anderen gehen - du bleibst! ♡"

Frustriert lasse ich mein Handy auf meinen Schoß sinken. Ich weiß genau, dass das ein Seitenhieb an mich ist. Bella ist so ein Mensch. Sie ist sehr nachtragend aber gleichzeitig zu stolz, den ersten Schritt zu machen und sich auch mal zu entschuldigen. Lieber postet sie dann irgendwelche kryptischen, pseudopoetischen "Inspirational Quotes", um ihren unartigen Freunden einen Wink mit dem Zaunpfahl zu verpassen, in der Hoffnung, dass sie sich bei ihr entschuldigen, damit Madame sich keinen Zacken aus der Krone bricht.

Ja, sie ist meine beste Freundin, aber das ist wirklich ein schlechter Charakterzug von ihr, der mich in der Vergangenheit schon das ein oder andere Mal zur Verzweiflung gebracht hat.

Bella ist ziemlich beliebt, aber ihre Kritiker bezeichnen sie aufgrund ihres Verhaltens als oberflächlich, arrogant und werfen ihr vor, sich für was Besseres zu halten.

Sie ist mir bis jetzt immer eine gute Freundin gewesen, aber zu sagen, dass diese Behauptungen komplett aus der Luft gegriffen wären, wäre eine Lüge.

Ich drehe das Autoradio ein wenig lauter und versuche mich auf die Musik zu konzentrieren, doch es gelingt mir nicht.

Meine Gedanken driften wieder zu Bella und ihren kritischen Worten.

Ob ich morgen noch mal das Gespräch mit ihr suchen soll? Es belastet mich, mit ihr im Clinch zu liegen. Sie ist halt auch so ziemlich die einzige Freundin, die ich habe.

Andererseits sehe ich nicht ein, wieder einmal auf sie zuzugehen. Sie kennt Roy nicht und hat ihn schlecht geredet. Sie hat ihm nicht mal eine Chance gegeben, und wenn ich eins hasse, dann dieses vorurteilsbehaftete Denken. Nur wegen all seiner Tattoos, der Rolex und dem teuren Auto MUSS er kriminell sein, oder was?

Dass er sich das alles selbst hart und ehrlich erarbeitet hat kommt ihr wohl gar nicht erst in den Sinn. Aber woher auch? Sie ist es ja nur gewohnt, Papis Geld mit vollen Händen auszugeben.

Die Welt, aus der Roy und ich kommen, kennt sie doch höchstens aus Erzählungen. Sie ist wahrscheinlich noch nie hungrig eingeschlafen, weil der Kühlschrank leer war, und ihr größtes Problem war, ob sie das rosane oder das weiße Tutu zum Balletttraining anzieht.

Auch wenn sich das jetzt abwertend anhört, es ist die Wahrheit. ICh finde es anmaßend, aus so einer privilegierten Position wie der ihren andere so zu ver- und beurteilen.

Schublade auf, Roy rein, Schublade zu - ohne Diskussionen.

Als ich gerade kurz davor stehe endgültig durchzudrehen, öffnet sich die Tür und Roy lässt sich geschmeidig auf den Beifahrersitz gleiten.

"Fertig", informiert er mich während er sich anschnallt und den Motor anlässt. "Sehr gut", kommentiere ich und schenke ihm ein strahlendes Lächeln, welches zwar meinen Mund einnimmt, meine Augen jedoch nicht erreicht.

Rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt