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Ich sitze im Unterricht und starre auf die hässliche Wanduhr.

Tick Tack. Noch zehn Minuten bis zum Unterrichtsschluss.

Tick Tack. Noch neun Minuten bis zu den Ferien.

Tick Tack. Noch acht Minuten bis zu den Zeugnissen.

Tick Tack. Noch sieben Minuten bis zu meinem letzten Schuljahr.

Tick Tack. Noch sechs Minuten bis das letzte gemeinsame Schuljahr mit Lion endet.

Tick Tack. Ich muss ihn dann nicht mehr jeden Tag sehen.

Tick Tack. Vier Minuten bis Roy mich abholt.

Tick Tack. Zum Glück haben wir uns wieder vertragen.

Tick Tack. Zwei Minuten.

Tick Tack. Jetzt klingel endlich.

Ding Dong.

Nichts, und ich meine wirklich NICHTS kann mich jetzt noch halten. Es fühlt sich ein bisschen an wie die berühmte Szene aus Highschool Musical, nur dass keiner singt oder tanzt, aber alle springen auf und ich könnte schwören, dass auch einige Blätter durch die Luft fliegen.

Es sind unsere letzten Sommerferien. Nicht mehr lange und wir haben unser Abitur in der Tasche. Das, worauf ich all die Jahre so hart hingearbeitet habe.

Lion hat das schon hinter sich. Er hat seine Abiprüfungen im Frühjahr geschrieben und ist seitdem nicht mehr an der Schule.

Er hat mich seit dem Kuss und dem darauffolgenden Zusammentreffen mit Roy nie mehr angesprochen, aber wir sind uns des Öfteren noch auf dem Flur oder dem Schulhof über den Weg gelaufen und haben tiefe Blicke ausgetauscht, die jedes Mal wieder ein komisch vertrautes Gefühl und eine absurde Art von Sehnsucht in mir ausgelöst haben. Ich habe aber alles dafür getan, ihn und alle Gedanken an und um ihn mehr oder weniger erfolgreich zu verdrängen. Zum Glück hatte ich genug Ablenkung.

Die letzten Wochen und Monate sind wie im Flug vergangen. Mein Leben bestand nur aus Schule, lernen für die Schule, Dates mit Roy, Tanztraining im Mirage oder Kellnern im Mirage.

Das Tanztraining ist nach wie vor drei Mal die Woche; montags, dienstags und donnerstags. Arbeiten gehe ich immer mittwochs und freitags bis sonntags.

Der Club ist mittlerweile ein zweites Zuhause für mich geworden und ich kann einige meiner Arbeitskolleginnen zu meinen Freunden zählen. Besonders Joana und Pam sind mir ans Herz gewachsen, aber auch mit Coco und Candy verstehe ich mich sehr gut.

"Hey Babe", begrüßt mich Roy und drückt mir einen langen Kuss auf den Mund. Zärtlich schlinge ich meine Arme um seinen tätowierten Hals und lasse mich an ihn ziehen.

Er legt sanft eine seiner großen Hände an meine Wange und küsst mich erneut. Ich schließe die Augen und genieße den kurzen Moment, in dem er mir so nah ist, dass all der Stress von mir abfällt.

"Hunger?", fragt er, als er sich von mir löst und mir galant die Autotür aufhält.

Ich grinse ihn an.

Alles wie immer.

"Und wie", antworte ich und lasse mich auf dem Beifahrersitz nieder.

Ich bin froh, dass wir uns wieder vertragen haben. Roy ist mittlerweile meine wichtigste Bezugsperson geworden. Wir sehen uns nach wie vor täglich, wenn auch nur kurz, da wir beide ziemlich eingespannt sind.

"Gut, ich habe nämlich eine Überraschung für dich", antwortet er und grinst verschwörerisch. "Ernsthaft jetzt?", frage ich ihn aufgeregt, woraufhin er nickt.

Rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt