• 90 •

2.6K 128 95
                                    

Irgendwann am Mittwoch habe ich keine Zigaretten mehr, obwohl ich sie mir sehr sparsam eingeteilt habe. Die zwei letzten Joints, die noch in der Wohnung waren, habe ich auch geraucht und die Zauberpillen alle weggeworfen, nachdem Joana mich so eindringlich darum gebeten, ja fast schon dazu genötigt hat.

Gerade verfluche ich sie hierfür.

Was würde ich jetzt dafür geben, meine Gedanken auch nur für eine Stunde abzustellen? Mittlerweile wäre mir jedes Mittel dazu recht.

Ich denke oft darüber nach, ob ich noch mal einen weiteren Versuch unternehmen soll, um meinem aktuellen Leben zu entkommen oder ob ich einfach kapitulieren und mich mit dem Gedanken anfreunden soll, die Beziehung und das Leben mit Roy aufrecht zu erhalten.

Zwischenzeitlich habe ich in meiner größten Verzweiflung sogar in Betracht gezogen, einfach aus dem Fenster zu springen, nur um endlich dieser Wohnung zu entkommen.

Nur einer Sache bin ich mir hundertprozentig sicher, sie steht für mich fest, mental in Stein gemeißelt: Ich will nie wieder in meinem Leben gegen meinen Willen von einem Mann berührt werden.

Es ist früher Mittag am Donnerstag, als ich einen Schlüssel im Schloss höre. Ich liege wie den Großteil der letzten drei Tage mal wieder im Bett und starre Löcher in die Luft.

"Malia?", durchschneidet Roys Stimme die Stille und lässt mich alarmiert aufhorchen.

Ich überlege kurz, ob es eine Option ist mich einfach tot zu stellen, als er suchend seinen Kopf durch die Tür steckt.

Sein Anblick jagt mir einen Schauer über den Rücken und ich drücke mich instinktiv etwas tiefer in die Matratze.

Er kommt zielstrebig auf das Bett zu und lässt sich auf der Bettkante nieder.

"Hi", sagt er nur und mustert mich aufmerksam. Ich verziehe keine Miene und wende meinen Blick wieder von ihm ab. Ich will nicht, dass er sieht, wie unbehaglich es mir ist, so nah neben ihm zu sein.

Er soll meine Angst nicht sehen.

"Können wir reden?", fragt er mit ruhiger Stimme.

"Worüber?", erwidere ich trotzig und starre weiter aus dem weiß gerahmten Fenster, vor dem sich eine große Birke sanft im Wind wiegt.

"Über alles", antwortet er und fasst mir leicht an der Schulter. Seine Berührung lässt mich zusammenzucken und ich fahre zu ihm herum.

"Was sollen wir denn reden? Du hast mir gesagt, dass Joana und ich da nur zum Tanzen hingehen. Du hast mich angelogen und meine Gutgläubigkeit ausgenutzt. Dann hast du mich verprügelt...", gebe ich resigniert zurück.

Ich weiß selbst nicht wo plötzlich der Mut herkommt, Roy nach unserer letzten Begegnung derart forsch zu antworten und so schnell wie die Worte meinen Mund verlassen haben, so schnell bereue ich sie auch wieder.

Nicht, dass ihn meine Widerworte so wütend machen, dass er mich erneut zusammen schlägt. Jetzt, wo er diese Hemmschwelle bereits überschritten hat, wird es ihm beim zweiten Mal noch leichter fallen.

Doch Roy bleibt vorerst cool und antwortet ernst: "Also willst du damit sagen, dass ich alleine Schuld an dieser ganzen beschissenen Situation war? Denkst du nicht, dass du auch einen ganz erheblichen Teil zu dieser Eskalation beigetragen hast?"

Ich zucke nur mit den Schultern.

"Malia, du hast dich plötzlich einfach nicht mehr bei mir gemeldet. Ich habe dich tausend Mal angerufen, dir unzählige Nachrichten geschickt. Ich dachte dir sei Gott weiß was passiert. Und dann orte ich irgendwann dein Handy und sehe, dass du am Flughafen bist. Ich wusste sofort, dass du nicht einfach nur früher zurück nach Düsseldorf fliegst, verdammt. Ich hatte das im Gefühl. Und mein Gefühl täuscht mich nie."

Rot wie die LiebeWhere stories live. Discover now