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Da ich mich die nächsten Tage nicht weiterhin ausschließlich von trockenem Knäckebrot ernähren will, raffe ich mich am späten Nachmittag auf und gehe einkaufen.

Ich ziehe mir die Kapuze meines schwarzen Hoodies tief ins Gesicht um mich so zumindest ein Stück weit vor der Außenwelt zu schützen.

Zum Glück ist in unmittelbarer Nähe der Wohnung ein Supermarkt, in dem ich mir Käse, frisches Obst und Gemüse, Joghurt, Nudeln, Haferflocken und etwas Fleisch kaufe.

Ich bin froh, als ich wieder zurück in "meinen" schützenden vier Wänden bin. Mir ist überhaupt nicht danach unter Leute zu gehen.

Ich bereite mir einen Salat mit Hähnchen und Joghurtdressing zu, den ich ausgehungert verschlinge und probiere mich daran, den Fernseher anzuschalten.

Ich zappe planlos durch die Programme und schalte den Fernseher nach einigen Minuten wieder aus. Jetzt weiß ich wieder, wieso ich Fernsehen hasse.

Meine Gedanken drehen sich immer wieder um Roy und ich tigere rastlos durch die Wohnung. Immer mal wieder rufe ich Roy an, doch er lehnt jeden meiner Anrufe ab und antwortet auch nicht auf meine Nachrichten.

Am Abend bekomme ich hingegen eine Nachricht von meiner Freundin Leonie, die schreibt: "Hey Malia, kommst du mit zu der Party bei Sunny?"

Ich raufe mir seufzend durch die Haare. "Nee, gar keine Lust, sorry", antworte ich ihr wahrheitsgemäß.

Mir ist heute absolut nicht zum Feiern zumute. Außerdem glaube ich, dass das in der verfahrenen Situation mit Roy und angesichts meines Wunsches auf Versöhnung auch nicht gerade förderlich wäre.

Und auch die Gefahr dort auf Lion zu treffen, der selten eine Party auslässt, ist mir zu groß. Auf eine Art habe ich Angst, dass er mir wieder so nah kommen könnte, auf die andere Art habe ich aber auch eine unerklärliche Angst davor, dass er es eben nicht tut und mich stattdessen meidet oder ignoriert. Ich kann nicht einschätzen, wie er reagieren würde, wenn wir jetzt aufeinander treffen würden und das macht mir Angst.

Zusätzlich zu Roys Ignoranz und Kälte würde ich nicht auch noch mit Lions klarkommen.

Ein Mann, der mir mein Leben schwer macht, reicht mir gerade völlig aus.

Den gesamten Sonntag verbringe ich ebenfalls in der kleinen Wohnung. Die meiste Zeit sitze ich auf dem Sofa, laufe planlos in der Wohnung umher und versuche nicht durchzudrehen während ein Heulkrampf den nächsten jagt.

Ich weiß nicht, ob es mir jemals so schlecht ging. Ich glaube das ist der erste richtige Liebeskummer meines Lebens und es ist viel schlimmer, als ich je gedacht hätte.

Jede Faser meines Körpers sehnt sich nach Roy. Ich vermisse die Nähe und Wärme, die ich in seiner Gegenwart spüre, egal wie kalt er ist.

Vielleicht hat er eine komische, verschrobene Art es zu zeigen, aber ich bin mir sicher, dass ich ihm auch viel bedeute, sonst hätte er schließlich nicht so viel für mich getan.

Am Abend krame ich mein Tagebuch aus der Reisetasche und schreibe herein:

Mein Herz schreit nach dir
Du fehlst mir hier
Ich wünschte du wärst neben mir
Ganz nah bei dir
Das wünsch ich mir

Um ehrlich zu sein weiß ich es schon an diesem Abend, trotzdem fühlt es sich am nächsten Morgen wie eine Kurzschlussreaktion an, als ich Leo schreibe, dass ich heute nicht zur Schule komme.

Ich habe noch nie die Schule geschwänzt, nicht mal eine Stunde.

Aber ist es überhaupt schwänzen, wenn ich mich so unfassbar krank fühle?

Mittlerweile ist der Herzschmerz zu einem physischen Schmerz geworden. Mein Kopf dröhnt und mein Magen ist flau.

Obwohl ich am Samstag extra einkaufen war, habe ich seit dem Salat an diesem Abend kaum etwas gegessen. Ich kriege einfach keinen Bissen herunter.

Immer wieder versuche ich Roy zu kontaktieren, ob per Nachricht oder Anruf, doch er ignoriert mich nachwievor.

Ich spiele mittlerweile immer öfter mit dem Gedanken Joker anzurufen, doch ich weiß nicht, was ich sagen soll. Er hat mir ziemlich unmissverständlich klar gemacht, dass er sich aus Roys Angelegenheiten - jedenfalls aus dieser speziellen - lieber raushält.

Ich kann mir Roy auch nicht wirklich als jemanden vorstellen, der sich bei einem Kaffee mit seinem volltätowierten Kumpel zusammensetzt und über Liebesdinge schwadroniert.

Je länger ich Zeit in dieser Wohnung verbringe, desto näher komme ich dem Wahnsinn, doch ich kann mich einfach nicht dazu aufraffen, etwas zu unternehmen.

Ich schaffe es einfach nicht.

Jede kleinste Kleinigkeit lässt mich in Tränen ausbrechen.

Montagabend habe ich mich so tief in schlechte Gedanken verstrickt, dass ich mich dazu entschließe, mein Handy auszuschalten.

Ich will keine vermeintlich fröhlichen Insta-Stories oder Whatsapp-Status-Meldungen mehr sehen.

Ich will weder Leonie noch Bellas Nachfragen beantworten, wo ich heute war. Letztere hat scheinbar auch bemerkt, dass ich heute der Schule fern geblieben bin, und da das wirklich sehr untypisch für mich ist, gefragt, was passiert ist.

Aber ich will nicht antworten.

Ich will mich weiter in diesen vier Zimmern einigeln, von der Außenwelt abschotten und in Selbstmitleid versinken.

Ich habe die Hoffnung aufgegeben, dass Roy sich bei mir meldet.

Ich muss wohl einsehen, dass ich zu weit gegangen bin, auch wenn es mir das Herz bricht und sich alles in mir dagegen sträubt.

Dienstag habe ich dann meinen absoluten Tiefpunkt erreicht.

Ich sitze alleine in der kleinen Wohnung, mein Handy und der Fernseher sind ausgeschaltet.

Es herrscht quälende Leere und lähmende Stille.

Ich habe mich weinend durch die letzte Nacht gekämpft und mit Selbstvorwürfen bestraft. Lediglich in den frühen Morgenstunden habe ich ein wenig Schlaf bekommen.

Mein Gesicht ist aufgequollen und die Augen vom vielen Weinen gerötet.

Als es Dienstagnachmittag völlig unerwartet donnernd an der Tür klopft, rutscht mir mein Herz in die Hose.

Nervös werfe ich einen Blick in den Badezimmerspiegel um erschrocken festzustellen, dass ich von Tag zu Tag immer schlimmer aussehe.

Sämtliches Leben ist mir aus dem Gesicht gewichen. Meine Augen sind matt und freudlos, meine Haut weiß und fahl. Unter den Augen habe ich tiefe dunkle Schatten. Meine Lippen sind aufgesprungen und meine Haare völlig zerzaust. Ich fahre mir mit den Fingern durch die trockenen Strähnen und binde sie mit zwei Handgriffen zu einem Zopf zusammen, um wenigstens das zu beheben.

Erneut klopft es an der Tür. Joker ist aber ungeduldig, denke ich genervt und laufe zügig zur Tür. Mal sehen, was er heute von mir will.

Neugierig öffne ich die Tür, doch erstarre, noch bevor ich sie komplett geöffnet habe.

Vor der Tür steht nicht Joker.

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Meine Lieben,

Die arme Malia leidet ja wirklich sehr.. Tut sie euch auch so leid?

Und was meint ihr, wer vor der Tür steht?

A.

Rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt