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Ich bleibe nicht stehen, sondern ignoriere die Rufe und laufe stur weiter zu der schweren Eingangstür.

Als ich diese gerade aufstoßen will, schnellt eine Hand nach vorne und hält mich an meinem Handgelenk fest.

Ich verdrehe die Augen und nehme einen der Kopfhörer aus meinem Ohr. "Was?", blaffe ich sie an.

Bella steht vor mir und mustert mich ausgiebig aus ihren strahlend blauen Augen.

"Was ist denn mit dir passiert, Malia? Hast du ein Umstyling bei Germanys next Topmodel gewonnen?", fragt sie provokant und deutet mit ihrem schlanken Zeigefinger an mir herunter.

"So ähnlich", erwidere ich trocken, ohne mich auf ihre Provokation einzulassen.

"Hat das was mit deinem neuen Typen zu tun? Wollte er diese Typveränderung?", bohrt sie weiter. Wie abfällig sie über Roy spricht macht mich direkt wieder wütend.

Entnervt verdrehe ich die Augen. "Typveränderung", äffe ich sie nach. "Übertreib es doch nicht gleich. Ich habe mir einfach mal was gegönnt."

"Meinst du damit den Haufen neuer Klamotten, die du plötzlich trägst oder deine Rundumbehandlung? Hast du im Lotto gewonnen? Neues Handy, neue Haare, neue Nägel, neue Wimpern.. Als nächstes dann Nasen-OP und Lippen aufspritzen, oder was?", setzt sie nach und funkelt mich aufgebracht an. Ihre Augen sind leicht zusammengekniffen und ihre Lippen kräuseln sich.

Verächtlich lache ich auf. "Es reicht, Isabella. Danke, ich finde auch, dass ich richtig gut aussehe. Schönen Tag noch", bemerke ich spitz und wende mich zum gehen, doch meine eigentlich beste Freundin hält mein Handgelenk noch fester.

Sie sieht mir eindringlich in die Augen und sagt mit ernster Stimme: "Ich mache mir Sorgen um dich, Malia. Verstehst du das denn nicht? Mir gefällt es nicht, wie du dich plötzlich veränderst, seit du diesen Roy kennen gelernt hast."

Ihre Stimme klingt wirklich besorgt, aber es schwingt auch etwas vorwurfsvolles und anklagendes zwischen den Zeilen mit.

"Es braucht dir auch nicht gefallen", falle ich ihr ins Wort. "Mir gefällt es nämlich." Dann befreie ich grob mein Handgelenk aus ihrem und verschwinde ins Innere der Schule.

Der Unterricht vergeht langsam, obwohl ich nur Fächer habe, die ich mag. Psychologie, Englisch, Kunst.

In den Pausen merke ich immer wieder, wie ich von Mitschülern angestarrt werde oder erwische sie beim Tuscheln.

Manche geben sich jedoch gar nicht erst die Mühe, mit ihrer Meinung hinter'm Berg zu halten, wie Devin, ein Proll aus Lions Stufe, der seinen zwei Begleitern zubrüllt: "Habt ihr gesehen wie geil die Kleine aus der Elften aussieht? Milena oder so. Die würde ich sofort wegflanken, Alter!"

Charmant.

Wie gut, dass Roy davon nichts mitbekommt, wobei Devin eine Abreibung oder zumindest eine klare Ansage gar nicht schaden würde.

Im Kunstunterricht stoße ich auf Leo, die sich zu mir gesellt. "Hast du 'ne neue Frisur?", fragt sie und zupft grinsend an einer meiner langen Haarsträhnen.

"Ja, gefällt sie dir?", gebe ich lächelnd zurück. "Mega!", entfährt ihr  begeistert. "Du siehst richtig gut aus!"

Ich bedanke mich geschmeichelt und verbringe die kommenden zwei Stunden damit, ein Stilleben mit Bleistift zu zeichnen. Ich bin nicht sonderlich begabt, aber ich zeichne gerne und habe den Kunstkurs deshalb auch nicht abgewählt.

Nach dem Unterricht hole ich mir einen Kaffee in der Mensa und mache mich auf den Weg zur Bibliothek. Ich suche mir die nötige Fachliteratur für mein Referat zusammen, welches ich in Erdkunde über "Die Ökonomie der globalen Erwärmung" halten muss.

Rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt