• 80 •

2.8K 130 145
                                    

Den Rest der Fahrt schweigen Roy und ich uns an. Ich schlucke meine Wut herunter und überlege die ganze Zeit, ob ich vielleicht doch ein bisschen überreagiert habe oder unfair war, aber ich komme zu keiner Lösung.

Als wir am Lofthaus in Düsseldorf ankommen, in dem mein Abiball stattfindet, haben wir uns beide einigermaßen beruhigt.

Roy parkt in unmittelbarer Nähe zum Haupteingang und hält mir wie immer die Autotür galant auf. Ich nehme seine Hand und sehe ihm tief in die Augen. Er zieht mich vom Sitz hoch und dann in einer fließenden Bewegung fest an sich. Er legt seine Arme eng um meine Taille und hält mich fest an sich gedrückt, während er mir eindringlich in die Augen schaut.

"Treib es nicht zu weit, Malia", warnt er mich, doch bevor ich antworten kann, versiegelt er meine Lippen mit einem harten Kuss.

Es ist das erste Mal, seit dem Desaster in unserem gemeinsamen Dubai-Urlaub, dass wir uns wieder küssen und ich lasse ihn gewähren, auch wenn ich mich nicht richtig fallen lassen kann.

Als er sich irgendwann von mir löst, gehen wir gemeinsam Richtung Eingang und betreten den Festsaal.

Der Saal ist riesig und die hohe Decke bunt beleuchtet. Vor Kopf ist eine Bühne und eine große Leinwand, auf der Bilder und Videos abgespielt werden. Nebeneinander stehen drei lange Tafeln mit weißen Tischdecken, die festlich eingedeckt und mit großen silbernen Kerzenleuchtern geschmückt sind.

Es ist schon ziemlich voll und ich entdecke viele bekannte Gesichter in der Menschenmenge; Mitschüler in schicken Anzügen oder Abendkleidern, die umgeben von ihren ebenfalls fein zurecht gemachten Familien sind, und so brauchen wir einen Momemt, bis wir das Kärtchen mit meinem Namen finden und Platz nehmen.

Roy passt rein optisch so gar nicht in diesen Saal. Alleine durch seine Tattoos und seine düsteren Ausstrahlung fällt er auf und mir entgeht nicht, dass er einige skeptische Blicke auf sich zieht, aber das ist mir egal. Ich bin froh, dass er heute an meiner Seite ist.

"Wann kommt Honey?", fragt Roy mich. "Kannst du sie hier bitte nicht so nennen?", zische ich leise und werfe ihm einen tadelnden Blick zu. Roy verdreht die Augen und flüstert: "Wieso, hast du Angst, dass einer der Lehrer oder irgendein Daddy sie schon nackt auf seinem Schoß sitzen hatte?"

"Roy!", entfährt es mir entsetzt. Roy lacht nur dreckig und wiederholt: "Also, wann kommt Joana?" Er betont ihren Namen extra deutlich um mich zu ärgern.

"Sie müsste jeden Moment da sein. Sie hat mir vor zwanzig Minuten geschrieben, dass sie los gefahren ist", informiere ich ihn und spiele nervös an meinem Armband.

Ich lasse meinen Blick durch den Raum schweifen und entdecke schräg gegenüber am Nebentisch Bella mit ihren Eltern, ihrer kleinen Schwester Sophie und Jonah. Bella hat ihre blonden Haare gelockt und die vorderen Strähnen eingeflochten und nach hinten gesteckt. Sie trägt - wie sollte es auch anders sein - ein rosanes Kleid aus fließendem Chiffon, welches trägerlos und bodenlang ist, und in der Taille eine hübsche Strassapplikation hat.

In dem Moment treffen sich unsere Blicke. Sie lächelt mich an und winkt mir zaghaft zu, was ich erwidere. Jonah, der neben ihr sitzt, folgt ihrem Blick und flüstert ihr daraufhin was ins Ohr.

Ich überlege gerade, was er wohl gesagt haben mag, als mein Handy in meiner Clutch aus nudefarbenem Lackleder zu vibrieren beginnt. Es ist Joana, die anruft um mir mitzuteilen, dass sie den Eingang nicht findet.

"Ich gehe kurz raus, Joana abholen, kommst du mit oder bleibst du eben hier?", wende ich mich kurzangebunden an Roy. Ich will meine Freundin nicht länger als nötig warten lassen. "Geh ruhig, ich warte hier", antwortet Roy, und noch bevor er den Satz komplett ausgesprochen hat, bin ich aufgestanden.

Rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt