• 101 •

2.3K 119 81
                                    

"Wann fahrt ihr morgen zurück?", frage ich Lion gedankenverloren und mit schwerem Herzen, als wir abends nebeneinander im Hotelbett liegen. Ich will gar nicht daran denken, mich wieder von ihm trennen zu müssen.

"Ich habe vorhin kurz mit meinem Vater geredet, er meinte, dass er schon um 12 Uhr zurück fahren will, da er noch zum Golf spielen verabredet ist", antwortet Lion und verdreht die Augen.

"Okay", erwidere ich traurig.

Lion nimmt meine Hand in seine, führt sie zu seinem Mund und küsst sanft meinen Handrücken. "Wir werden uns bald wiedersehen, okay? Wenn du nächstes Wochenende noch hier bist, komme ich wieder hierhin und wenn nicht, komme ich montags ins Rouge. Ich lasse dich nicht alleine, Malia."

Tränen füllen meine Augen. Ich versuche, mich dagegen zu wehren, aber es gelingt mir nicht. Es tut mir im Herzen weh, mich in wenigen Stunden wieder von Lion verabschieden zu müssen; fast noch mehr, als wieder zurück in diesen schmuddeligen Laden zu müssen.

Ich wende mich von Lion ab, damit er meine Tränen nicht sieht, doch er dreht mich sanft zurück und zieht mich auf sich. Er legt seine Arme um mich und hält mich so fest, dass es sich fast anfühlt, als würde er die einzelnen Teile meines zerbrochenen Herzens mit dieser Umarmung wieder zusammenfügen wollen.

"Alles wird gut. Wir schaffen das. Halte nur noch ein bisschen durch, ich bitte dich. Gib nicht auf", flüstert er und streichelt beruhigend über meine tränennassen Wangen.

"Du solltest dir lieber eine andere suchen. Eine, die nicht jeden Tag für fremde Männer die Beine breitmacht. Eine, die dir nicht so viel Kummer bereitet. Eine, die dir nicht deine ganze Energie raubt. Du verdienst es, immer nur glücklich zu sein", schluchze ich an seiner Brust.

"Du verdienst es auch, immer nur glücklich zu sein", gibt er unbeirrt zurück. "Hör auf immer über meinen Kopf hinweg entscheiden zu wollen, was gut für mich ist, Malia. Du redest dir immer irgendeinen Scheiß ein, schon von Anfang an, dabei will ich einfach nur dich. Es ist mir egal, wo du herkommst, und es ist mir egal, wie lang und steinig der Weg sein mag. Ich weiß, dass du es wert bist. Und so lange du das auch willst, werde ich immer zu dir halten, bitte versteh das endlich."

Wir liegen noch lange wach und reden miteinander. Lion hält mich in seinen Armen und am nächsten Morgen, nach einer Nacht, in der wir kein Auge zubekommen haben, bin ich zwar müde, aber meine Akkus sind aufgeladen.

Die Zeit mit Lion hat mir Kraft und Hoffnung gegeben.

Wir machen uns fertig und sitzen mit unseren gepackten Taschen noch ein bisschen zusammen, um die gemeinsame Zeit bis zur letzten Sekunde auszunutzen, als es plötzlich an der Tür klopft.

Mein Herz rutscht mir in die Hose und sofort habe ich die wildesten Szenarien im Kopf: Roy, der plötzlich vor dem Hotelzimmer steht, oder Cream, den er stellvertretend auf mich gehetzt haben könnte. Panisch sehe ich Lion an.

"Lionel?", ertönt eine dunkle Stimme von draußen. "Mein Dad", informiert Lion mich, der die Stimme erkennt und läuft zur Tür.

Ich springe vom Bett und zupfe nervös mein Shirt zurecht. Lions Vater ist zwar gegen Roy und Kumpanen das kleinere Übel, aber unangenehm ist es mir trotzdem, dass er mich nun in Lions Zimmer findet.

Vor allem beunruhigt mich, dass ich keine Ahnung habe, wie viel er über mich weiß. Lion hat mal erwähnt, dass seine Mutter von mir weiß, aber auch bei ihr bin ich mir nicht sicher, wie weitreichend ihre Kenntnisse sind.

Wissen Lions Eltern, dass ich mittlerweile eine Prostituierte bin? Oder wissen sie "nur" von meiner zweifelhaften Stripperkarriere?

Mir bleibt keine Zeit mehr, mir weitere Gedanken zu machen, denn Lion öffnet schwungvoll die Tür und lässt seinen Vater in das Zimmer herein.

Rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt