164.Kapitel

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Sicht Anne:

Als ich so fuhr, machte ich mir schon Sorgen um meinen Bruder. Ich hatte ihn noch nie so fertig gesehen und ich war im Moment die einzige die ihn nach diesem Drama, das gerade im Gerichtssaal und davor passierte auffangen konnte. Selbst als er in der Klinik lag war es nicht so ernst wie jetzt. Es war alles viel schlimmer und davor hatte Chris schon lange Angst Lea zu verlieren. Alle waren irgendwie anders beschäftigt und Chris hatte Angst um seine Familie. Ich war geschockt was er mir im Gericht sagte und hoffte insgeheim das nichts davon eintreten würde.

Chris hatte sich seine Jacke über sich gelegt als wir losgefahren sind, als ob ihm kalt wäre. Ich sah zwischendurch wenn wir an Ampeln standen immer mal zu ihm rüber und merkte wie er im Unterbewusstsein etwas zu verarbeiten schien und ihn das zu Tränen rührte. Mir brach es das Herz ihn so zu sehen, denn ich hab selber Kinder und weiß wie es ist Mutter zu sein und wie man nicht nur allein sondern als Familie vieles gemeinsam schaffen kann und muss. Zusammenhalt ist das allerwichtigste und das fehlte Chris jetzt alles. Doch Chris war außer mir jetzt allein mit seinen Sorgen.

Inzwischen sind wir an der Klinik angekommen und Chris schlief noch immer ziemlich fest. Er träumte scheinbar unruhig und zuckte immer mal etwas zusammen. Ich parkte das Auto in der Nähe des Eingangs und beobachtete ihn, während ich überlegte wie ich ihn wach kriegen soll.

Er reagierte erst gar nicht auf meine Rufe, was mich schon etwas besorgte, das er nach einer ,,leichten" Beruhigungsspritze so tief weg war.
Ich sammelte mich kurz, stieg aus und ging auf die Beifahrerseite und öffnete vorsichtig die Tür. Ich spürte wieder die Kälte um mich rum, wie es eben im Gericht auch schon so war. Ich hörte ganz weit weg eine Stimme die mir sagte,, Sieh zu das Du ihn schnell zum Arzt bekommst". Ich schaute um mich, doch nichts anderes außer die spürbare Kälte waren hier.

Ich rüttelte erst vorsichtig an seiner Schulter ohne Reaktion, dann etwas fester, woraufhin er sich dann regte und sich mit Schrecken im Sitz aufsetzte und sich vollkommen desorientiert umschaute. Ich sagte immer wieder ,,Chris wach auf, wir sind da", bis er sich endlich regte. Ich gab ihm Zeit um zu sich zu kommen, doch wie er seinen Arm hob sah ich etwas, was mich erschreckte. Er hatte einen hellen Pullover an und sein Ärmel war Blutdurchtränkt. Ich fragte ihn schon fast panisch.

Anne:
Chris was ist mit Deinem Arm?
Chris:
Hä was ist los? Fragte ich noch voll verschlafen.
Anne:
Schau Dir mal Deinen Arm an, zeig mal her.

Ich nahm Chris seinen Arm und schob den Ärmel nach oben. Dann sah ich was los war. Das Blut war ihm am Arm runtergelaufen und es hatte keiner mitbekommen, aber warum war das passiert.?

Ich schnappte mir instinktiv schnell mein Halstuch das ich trug, drückte es auf den Arm und klemmte es in seiner Armbeuge ein, während ich irgendwie versuchte ihn wieder auf die Beine zu kriegen. Das war einfacher gesagt wie getan. Er war plötzlich gefühlte 50 Kilo schwerer und ich hatte Mühe ihn so aus dem Auto zu bekommen. Er sagte, das ihm schwindlig ist und er noch einen Moment warten wollte.

Anne:
Du musst schnell zu einem Arzt bevor Du hier ganz wegtrittst.
Chris:
Das geht schon gleich wieder, mach Dir keine Sorgen.

Würgte er mich mitten im Satz ab und sank beim Versuch aufzustehen wieder in den Sitz. Ich sagte ihm das er jetzt sitzen bleiben soll bis ich wieder mit jemanden zurück bin, der uns helfen kann. Schließlich ist das ja ein Krankenhaus.

Chris musste sich selber eingestehen das was nicht stimmte und wartete tatsächlich bis ich mit einem Krankenpfleger und einem Rollstuhl zurückkam. Keine 5 Minuten danach und ein paar gekonnte Griffe später, saß Chris im Rollstuhl und wurde zur Notaufnahme gebracht. Es kam auch unmittelbar ein Arzt und schaute sich Chris Arm genau an. Chris hatte von der Spritze erzählt und das er nicht lange gedrückt hatte, weil er unbedingt hier zu Lea wollte, die hier per Luftrettung eingeflogen worden war.
Dem Arzt dämmerte es dann auch wer vor ihm saß, kümmerte sich dann aber professionell um Chris. Er zog den Pullover vorsichtig aus, wischte den Arm erst mal sauber und sah sich dann den Arm an. Er war unter dem Blut was am Arm getrocknet war blitzeblau. Er hatte unter dem Einstichloch von der Spritze einen fetten Bluterguss so das ihm das beugen des Armes weh tat und nur schwer ging.
Ich wollte wissen was da los war. Die Diagnose überraschte mich allerdings.

Dadurch das Chris im Gericht nicht ganz so dolle still gehalten hatte, hatte er die Vene durchgestochen und das Chris nicht fest genug draufdrückte erledigte dann den Rest. So sickerte das Blut aus der Vene und ins Gewebe. Er machte einen Ultraschall um die Einstichstelle, um den Umfang der Einblutung raus zu bekommen. Er stellte fest das es besser wäre den Bluterguss größtenteils abzuziehen, damit Chris den Arm wieder vernünftig anwinkeln kann.

Das hieß für mich jetzt raus aus dem Behandlungsraum und für Chris noch mehr Spitzen und das wo er Spritzen nur so hasst.

Etwa 20 Minuten später durfte ich wieder zu Chris rein. Der Arzt klärte mich auf was gemacht wurde und das Chris sich noch schonen sollte. Er war fix und alle nach der Behandlung und auch noch ziemlich blass. Sein Arm war dick verbunden und das musste er auch noch bis morgen dran lassen. Ich war erleichtert das ich Chris nach diesem Schreck wieder hatte und atmete erst mal tief durch.
Ich telefonierte in der Zwischenzeit während ich auf Chris wartete mit Teresa. Ich erklärte ihr was mit Chris los war und das der Arzt gesagt hatte das Lea noch im OP ist und sie noch abwarten müssen bis sie rauskommt und sie dann erst genaueres wissen wie es ihr und den Zwillingen wirklich geht.

Teresa sagte mir dann noch das sie zu Andreas wollte und ihm dann schon was sagen würde was sie weiß. Ganz genaue Details würde sie Andreas aber nicht sagen, damit er nicht noch mehr Mist baut wenn er alles weiß.

Die 2 Tage muss Andreas da leider durchhalten bis er zu Chris und Lea kann und ich denke Chris wird sich auch mit Andreas noch aussprechen müssen, aber wie das ausgeht hab ich auch grade keine Ahnung. Chris ist ziemlich neben der Spur und braucht dringend Ruhe.

Der Arzt hatte mir geraten sich hier ein Zimmer zu suchen und uns dann erst mal zu stärken. Dem Arzt war durch die Blutwerte die er ihm abnehmen und sofort kontrollieren ließ aufgefallen, dass sämtliche Werte schlecht waren und hatte mir unter anderem ein Rezept für ihn in die Hand gedrückt, was ich gleich in der Apotheke holen sollte. Es war ein Vitaminpräparat, was seinen schlechten Allgemeinzustand wieder aufbauen sollte. Ich holte es auch mit den anderen Rezepten die ich zusätzlich noch in die Hand bekommen hatte, sofort in der Klinikapotheke. Ich schaute als ich die Rezepte einlöste mal drauf und sah dass das mitunter seine Herzmedikamente waren. Er hatte also mit dem Arzt gesprochen und wusste das er länger hier in Hannover sein würde. Mich beruhigte es ungemein das er doch so klar war und an seine Tabletten dachte, die er nehmen muss und die jetzt aber zu Hause waren und er so schnell nicht dran kommen wird. Erst Andreas wird die nächste Möglichkeit haben sie Chris dann mitzubringen.

Das Andreas und Chris sich aber noch böse in die Haare kriegen werden wusste jetzt noch keiner. Aber er hatte seine Medikamente da und das war das wichtigste im Moment.

Jetzt nachdem es Chris etwas besser ging suchte ich für uns nach dem Hotel, was mir empfohlen worden ist und buchte uns dort ein.

Eh wir hierher losgefahren sind hatte ich bei Teresa angerufen und eine Tasche mit Klamotten für Chris abgeholt. So wie andere schwangere Frauen ihre Tasche für die Klinik vorher packen, um schnell los zu können, machten das auch meine beiden Brüder, denn sie sind immer irgendwie auf dem Sprung durch die vielen Termine. An die Tabletten hatte sie nicht gedacht. Teresa stellte mir die Tasche in den Kofferraum und ich holte mir von zu Hause auch meine Tasche ab, die mein Mann für mich gepackt hatte, denn mir war klar, dass das ein längerer Tripp werden würde und damit sollte ich ja auch recht behalten. Das ich aber schon nach zwei Tagen wieder zurück fahren würde, weil es Teresa nicht übers Herz bringen wird nochmal in die JVA zu fahren, würde sie mir erst später mitteilen.

Wir brachten nur kurz die Taschen auf unser Zimmer und gingen sofort wieder zur Klinik. Von ausruhen wollte Chris nichts wissen. Er wollte zu Lea und seinen Kindern.

Von dem Arzt der Chris behandelt hatte, konnte er in Erfahrung bringen das sie in der Frauenklinik aufgenommen worden ist und als ein Notkaiserschnitt mit Komplikationen von unterwegs angemeldet wurde. Chris wurde zur Station geschickt und ich begleitete ihn.

Auf dem Weg dorthin machte er sich schon so seine Gedanken und das war ihm auch anzusehen. Er war aufgeregt und gleichzeitig verrückt vor Sorge um Lea und die Kinder. Er wusste nichts genaues. Weder was mit Lea genau war, noch ob die Zwillinge schon da waren und ob es ihnen gut ging oder nicht.

Ich hatte es wirklich schwer ihn grade etwas ruhiger zu bekommen aber das was er gleich erfahren würde, sollte seine Fassung jenseits von Gut und Böse, um Meilen zurückwerfen und ihn wieder in Schock versetzen. Ich fragte mich wie lange macht sein Herz und seine Seele das noch mit, bis er endlich zur Ruhe kommen kann?!.

Wir betraten die Station und uns wurde beiden kalt um uns und warm ums Herz.

Papa war hier, aber warum?

Alb-Traumurlaub mit Folgen?Where stories live. Discover now