"Schlägerei?", wiederholt er lachend. "Das war für dich eine Schlägerei?"

Zaghaft nicke ich. Lachend antwortet er: "Ach Mäuschen. Du bist echt zu gut für die Welt. Der Junge brauchte mal eine Respektschelle, damit der aufhört kleine Mädchen zu belästigen. Eine Schlägerei ist was anderes. Er hat ja noch nicht mal zurück geschlagen. Aber um deine Frage zu beantworten: Ja, Schlägereien erlebe ich ab und zu mal."

Dann läuft er weiter und ich hinterher. Er bleibt an einem Tisch stehen, an dem einige Männer sitzen, die Roy vom Typ her ähneln. Teure Uhren, viele Tattoos, böse Mienen. Zwischen den Männern und um sie herum sitzen einige leicht bekleidete Mädels mit zu langen Haaren, Nägeln, Wimpern und Higheels und zu kurzen Kleidern und Röcken.

Einer der Männer steht sofort auf als er Roy erblickt und kommt auf uns zu. Er begrüßt Roy mit einem Handschlag und einer dieser halbherzigen Männer-Umarmungen. "Cool, dass du gekommen bist" sagt er.

Dann nickt er mir kurz zu und reicht mir seine riesige Hand. "Jax", stellt er sich mir einsilbig vor. Sein Gesicht ist wie versteinert, als sei der grimmige Ausdruck eingemeißelt. Keine Spur von Emotionen, nicht das kleinste Lächeln.

Bei Roy war ich mir anfangs unsicher ob er überhaupt lachen kann, bei ihm bin ich mir sofort sicher: Er kann es nicht.

"Malia", erwidere ich höflich und schüttele kurz seine Pranke.

"Setzt euch", sagt Jax nun wieder an Roy gewandt und klopft ihm brüderlich auf die Schulter. Der lässt sich das nicht zwei mal sagen und begrüßt zuerst die anderen Männer mit Handschlag bevor er dann auf einer der dunkelroten Samtgarnituren Platz nimmt.

Mit einem Blick und einer kurzen Geste bedeutet er mir es ihm gleich zu tun und ich setze mich neben ihn.

Ich trinke einen Schluck von meinem Drink, der ziemlich stark ist. Nach den zwei Gläsern Wein im Restaurant merke ich nun deutlich, dass mir der Alkohol langsam aber sicher zu Kopf steigt.

Irgendwann kommt wie aus dem Nichts ein junger Mann, der Roy überschwänglich begrüßt und sich neben ihn fallen lässt. Erst dann bemerkt er mich und fragt Roy ganz direkt: "Und wer ist die junge Dame?"

"Das ist Malia", antwortet er und zeigt mit einer ausladenden Geste auf mich.

Der junge Mann grinst wie ein Honigkuchenpferd und reicht mir nun auch die Hand: "Hi Malia, ich bin Joker. Ich bin Roys bester Freund." Dann wendet er sich wieder an besagten Roy und fragt ganz unverblümt: "Ist sie dein neues Mädchen?"

Roy schenkt ihm einen strengen Blick, den ich nicht ganz deuten kann, nickt aber dann.

"Lass dich mal anschauen", sagt Joker grinsend und fordert mich mit einer kurzen Handbewegung auf, zu ihm zu kommen.

Unsicher blicke ich Roy an, der jedoch zustimmend den Kopf senkt und mir so bedeutet, Jokers Anweisung Folge zu leisten.

Ich stehe also auf und gehe ein paar Schritte zu Roys Freund herüber. Er hat dunkles Haar, ist ungefähr genau so groß wie Roy, jedoch deutlich breiter gebaut. Er wiegt schätzungsweise 120kg, größtenteils bestehend aus Muskeln und ist nicht weniger tätowiert als Roy. Seine Arme, die Brust, die Hände, der Hals und sogar sein Kopf und sein Gesicht sind über und über bedeckt von kleinen bunten Bildern und verschnörkelter Schrift. Er hat dunkelbraune Augen, die mich durchdringend mustern.

Unsicher bleibe ich vor ihm stehen. Ich fühle mich wie bestellt und nicht abgeholt. Joker mustert mich ausgiebig und klopft dann neben sich auf das Sofa. Ich fühle mich wie ein Fohlen auf dem Pferdemarkt.

Zögerlich setze ich mich hin. Joker kippt ein Glas Champagner ein und reicht es mir. Ich bedanke mich bei ihm und nehme einen Schluck. Das ist das erste Mal, dass ich Champagner trinke. Es schmeckt viel besser als Sekt und irgendwie teurer - das ist aber wahrscheinlich auch nur Einbildung.

Joker hebt leicht mein Kinn an, sodass ich ihm in die Augen sehe und schenkt mir einen tiefen Blick.

Darauffolgend dreht er sich zu Roy, klopft ihm anerkennend auf den Oberschenkel und sagt: "Sie ist wirklich hübsch und sehr lieb. Mit ihr wirst du viel Glück haben." Dann steht er auf und verschwindet so schnell, wie er aufgetaucht ist.

Ich fühle mich geschmeichelt von seinen Worten. Wenn sogar der beste Freund deines "Schwarms" ihm sagt, dass du hübsch bist, ist das wirklich ein gutes Gefühl. Vor allem wenn du eigentlich ein Mauerblümchen ist und sowas nicht sehr oft vorkommt.

Auch wenn diese Begegnung irgendwie komisch war, verdränge ich nicht zuletzt mit Hilfe des Alkohols jegliche aufkeimende negative Gefühle und beschließe, mich einfach nur über das Kompliment zu freuen.

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Meine Lieben,

Was haltet ihr von Joker?

Und wie fandet ihr Roys Verhalten in diesem Kapitel?

A.

Rot wie die LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt