Gucci, Prada oder Louis Vuitton sucht man in meiner Gaderobe vergeblich - es finden sich eher Stücke von H&M, Pimkie oder Kik.

Ich probiere unzufrieden verschiedene Outfits an, bis ich mich schließlich für eine enganliegende schwarze Jeans und ein cremefarbenen Shirt aus fließendem Chiffon entscheide.

Diese Kombi lässt mich wenigstens ein wenig älter aussehen und betont meinen weiblichen Körper.

Dann drehe ich meine Längen und Spitzen über meinen Lockenstab und schminke mich.

Ich entscheide mich für ein leichtes Make-up mit braunem Lidschatten und nudefarbenem Lippenstift.

Einigermaßen zufrieden betrachte ich mich im Spiegel, als ich plötzlich den lauten Motor eines Sportwagens vor unserem Haus aufheulen höre.

Ich werfe schnell einen prüfenden Blick aus dem Fenster und erkenne, dass Roy schon da ist. Er hat sein teures schwarzes Auto auf dem kleinen Parkplatz geparkt und dreht nun die laut aus dem Wagen dröhnende Musik etwas leiser.

"Was ist das denn für ein Spinner? So ein Poser!", höre ich plötzlich Detlef schimpfen, der Roy scheinbar auch bemerkt hat.

Ich verdrehe genervt die Augen. Wenn man sein Leben lang nicht gearbeitet hat, ist es kein Wunder, dass man sich sowas nie leisten können wird und von Neid zerfressen über andere schimpfen muss.

Ich schlüpfe in ein Paar weiße Sneakers, hänge mir eine hellgraue Strickjacke um und schnappe mir meine Tasche.

Mit schnellen Schritten laufe ich den Flur entlang, ziehe die Wohnungstür hinter mir zu und springe die Treppen runter.

Mein Herz schlägt mir bis zum Hals als ich die Haustür öffne. Mein Blick fällt direkt auf Roy, der nun seinen Kopf hebt und mir wieder einen seiner undurchdringlichen Blicke schenkt.

Ich laufe schnurstracks auf den Wagen zu und bemerke in dem Moment, dass einige der Nachbarn aus den Fenstern starren oder sich sogar auf dem Balkon positioniert haben, um einen Blick auf den lauten Sportwagen und vermutlich auch dessen Fahrer zu erhaschen.

Ein solches Auto verirrt sich normalerweise nicht in diese von Armut geprägte Gegend und erregt deshalb mehr Aufsehen als mir lieb ist.

Roy hingegen scheint die Aufmerksamkeit nicht zu stören, denn er steigt seelenruhig aus dem Auto und kommt mir ein paar Schritte entgegen.

Er mustert mich kurz und mir wird heiß und kalt zugleich bei dem Gedanken, ihm könnte nicht gefallen was er sieht.

Er schenkt mir ein kleines Lächeln und drückt mir einen kurzen Kuss auf die Wange. Er begleitet mich auf die Beifahrerseite seines Wagens und hält mir die Tür auf.

Dankbar lächel ich ihn an und setze mich bedächtig auf den dunklen Ledersitz.

Roy umrundet gemächlich das Auto und setzt sich dann hinter das Lenkrad.

"Wo fahren wir denn jetzt hin?", platzt es aufgeregt aus mir heraus, während er kurz den Motor aufheulen lässt.

Er lenkt den Wagen in einem geschmeidigen Zug aus der Parklücke und fährt auf die Straße.

"Bist du immer so neugierig?", fragt er düster.

Ich weiß nicht so recht was ich darauf antworten soll.

"Es ist nicht gut, wenn man zu neugierig ist", setzt er belehrend hinzu und bedenkt mich mit einem strengen Blick.

"Okay", gebe ich kleinlaut zurück und bin etwas eingeschüchtert von seinem harschen Verhalten.

Roy scheint sofort zu merken, dass er mich gekränkt hat und schiebt zärtlich seine rechte Hand auf meinen Oberschenkel.

"Hast du gut geschlafen?", fragt er versöhnlich.

"Ja, ich habe erstmal ausgeschlafen", antworte ich.

"Oder ausgenüchtert", korrigiert er mich und wirft mir einen tadelnden Blick zu.

"Auch das", gebe ich grinsend und leicht beschämt zu. Ich war wirklich ziemlich betrunken.

"Haben deine Eltern dich nicht erwischt?", fragt er beiläufig.

Sofort erscheint Detlefs hämisches Grinsen vor meinem inneren Auge und ich höre wie ein Echo, wie er sagt: "Ich habe dich gehört, als du nachhause gekommen bist. Ich weiß, dass du noch unterwegs warst. Aber keine Sorge, ich sag's deiner Mutter nicht - dafür habe ich dich viel zu gerne."

Wieder steigt in mir der blanke Ekel auf. Ich hasse ihn.

"Also haben sie. Gab's Ärger?", schlussfolgert Roy anhand meines Schweigens. Er scheint ziemlich feine Antennen zu haben.

"Wie kommst du darauf?", frage ich ihn interessiert. Ich würde wirklich gerne wissen was mich verraten hat, ohne dass ich was gesagt habe.

"Ich hab's dir angesehen. Hat dein Dad geschimpft?", hakt er nun erneut nach.

"Meinen Erzeuger habe ich das letzte Mal vor zehn Jahren gesehen", gebe ich zurück und beiße mir sofort auf die Zunge.

Wieso genau erzähle ich ihm das?

Damit er direkt weiß, aus was für beschissenen Verhältnissen ich stamme? Das hab ich ja noch nicht mal meiner besten Freundin erzählt.

"Also hat deine Mum dich erwischt?"

Er lässt also nicht locker.

"Selbst wenn - ihr.. Sie würde nichts dazu sagen. Sie ist locker, was das angeht", flunker ich.

Keine Ahnung, ob ich damit nur ihn anlüge oder vielleicht auch ein bisschen mich selbst. Bis jetzt habe ich es noch nie über die Lippen gebracht, dass ich ihr scheiß egal bin.

Ich weiß es zwar, doch das wirklich auszusprechen ist noch mal eine ganz andere Nummer.

"Lass dir doch nicht immer alles aus der Nase ziehen", fährt Roy mich genervt an und schenkt mir einen strafenden Blick von der Seite, während er das Auto durch die Straßen Düsseldorfs Richtung Autobahn lenkt.

"Angeblich hat der Freund meiner Mutter mitbekommen, dass ich nachts nachhause gekommen bin", kläre ich ihn auf.

"Und er hat geschimpft?", fragt er nun.

"Es ist nicht gut, wenn man zu neugierig ist", zitiere ich ihn. Mir wird das Gespräch zunehmend unangenehm, und er scheint das zu spüren.

Er lenkt den Wagen gerade über die Beschleunigungsspur und drückt das Gaspedal bis zum Anschlag, so dass sein Wagen innerhalb weniger Sekunden bei 200 km/h ist.

"Hör mal, Malia, ich erkläre dir jetzt mal was. Dir braucht vor mir nichts peinlich zu sein. Ich bin selbst in Garath aufgewachsen. Meine Mutter und ich haben in einem kleinen Loch in einem dieser verschissenen Hochhäuser gehaust. Mein Dad hat sie und mich jahrelang regelmäßig verprügelt, wenn er wieder drauf war. Irgendwann, als er sie Krankenhausreif geschlagen hat, hat sie endlich den Absprung geschafft. Ich habe keine Ahnung was für Verhältnisse bei euch zuhause herrschen, aber ich kann es mir denken. Ich bin nicht dumm. Also merk dir einfach eins - du brauchst mir nichts zu verheimlichen. Ich bin für dich da."

______________________________

Meine Lieben,

Schon süß von ihm oder?

Denkt ihr, Malia wird sich ihm jetzt wenigstens mal anvertrauen?

A.

Rot wie die LiebeWhere stories live. Discover now