Als Roy mich abends nachhause fährt und ich die Tür zu meiner kleinen Wohnung hinter mir schließe, ist das erste was ich mache, den Flugmodus an meinem Handy auszuschalten. Ich bin total nervös, ob Lion mir geantwortet hat. Ich habe mich nicht getraut das heimlich neben Roy zu überprüfen und es hat sich auch keine Gelegenheit ergeben, in der ich noch mal hätte alleine sein können.
Mein Handy vibriert mehrmals und nach und nach trudeln verschiedene Benachrichtigungen ein. Instagram, Facebook und auch WhatsApp. Erwartungsvoll öffne ich die Benachrichtigungsleiste und mein Herz schlägt höher als ich sehe, dass Lion mir wirklich geantwortet hat.
"Ich werde dich auch niemals vergessen, das weißt du ganz genau."
Neben seiner Nachricht hat er auch sein Profilbild geändert und das Bild reingestellt, dass ich ihm geschickt habe, allerdings nur die linke Seite - ohne mich.
Es macht mich glücklich und traurig zugleich, das zu sehen, sodass ich erst mal in Tränen ausbreche.
Es fühlt sich an, als wollte er mir damit zeigen, dass ihm dieses Bild und das alles zwischen uns auch viel bedeutet hat, und irgendwie auch, als wäre es für ihn noch nicht vorbei.
Allerdings macht es mich gleichzeitig auch traurig, dass er mich abgeschnitten hat. Ich weiß, dass er das vor allem zu meinem Schutz getan hat und dass er sich niemals dafür schämen würde, das komplette Bild reinzustellen, aber es tut weh, dass solche Maßnahmen überhaupt nötig sind.
Die letzten Tage waren emotional wieder so anstrengend und auslaugend für mich; ich habe das Gefühl, ich laufe seit geraumer Zeit nur noch auf Sparflamme.
Leider ändert sich das auch die gesamte nächste Woche nicht und der Druck, der durch die laufende Auktion hinzukommt, verschlimmert meinen schlechten Allgemeinzustand sogar noch.
Das einzig positive daran ist, dass mir nicht mal mehr die dummen Kommentare und Anspielungen in der Schule etwas anhaben können und je länger ich sie ignoriere, desto weniger werden sie.
Ich habe in dieser Woche auch den Frauenarztbesuch über mich ergehen lassen, um mir meine Jungfräulichkeit bescheinigen zu lassen. Der Termin war sehr unangenehm, vor allem, als der neugierige Arzt mich dann fragte, wofür ich ein solches Zertifikat bräuchte. Zum Glück war ich nicht alleine und Roy, der sich bis dato diskret zurückgehalten hatte, wies den Arzt in seine Schranken.
Als dann der Tag gekommen ist, an dem die Auktion ausläuft, liegen meine Nerven blank.
War das die falsche Entscheidung?
Kann ich noch einen Rückzieher machen?
Was wird jetzt auf mich zukommen?
Und wie viel Geld wird dabei rumkommen? Wird es reichen, um Roys Schulden damit zu tilgen?
Als Roy mich dann nachts von der Arbeit abholt und einen Briefumschlag mit dem Ergebnis der Auktion dabei hat, wird mir kotzübel.
"Und?", frage ich ihn und beiße mir vor lauter Nervosität wieder auf die Unterlippe.
"Malia!", ermahnt er mich sofort. "Du sollst das lassen! Du siehst dabei aus wie ein kleines Schulmädchen, ich hasse das", fährt er mich an.
"Ja, ja", wimmel ich ihn ab. "Nun sag schon?"
"Ich habe noch nicht reingeguckt", sagt er schulterzuckend und reicht mir den verschlossenen Umschlag. "Guck du rein."
Ich atme tief durch und öffne dann mit zitternden Fingern den Umschlag.
Meine Augen fliegen über die vielen Zahlen und Buchstaben.
"Höchstes Gebot: 1,6 Mio. Euro
Höchstbietender: David, Anwalt aus München.
Zweithöchstes Gebot: 1,4 Mio. Euro
Bieter: ein hochrangiger Politiker aus Japan
Dritthöchstes Gebot: 1,3 Mio. Euro
Bieter: ein Banker aus New York"
Wortlos reiche ich Roy den Zettel und zünde mir eine Zigarette an.
"1,6 Mio. Euro", sage ich leise. "Ist doch ganz okay", antwortet Roy lächelnd.
"Reicht das denn?", frage ich ihn hoffnungsvoll. "Nein, nicht für die ganze Summe", gibt er zurück. "Aber das ist schon mal ein guter Anfang."
"Und was machen wir mit dem Rest?", frage ich ihn niedergeschlagen.
Ich kann doch nicht mit diesem David schlafen, wenn das alles eh umsonst ist.
"Mach dir keine Sorgen, Malia. Da wird uns schon noch etwas einfallen", beruhigt er mich und küsst mich sanft auf den Mund. "David hat für euer erstes Treffen vorgeschlagen, dass ihr euch übermorgen im Hyatt Hotel in Düsseldorf treffen könnt. Was hältst du davon?"
Nachdenklich nicke ich. "Hm, ja, ist okay. Dann habe ich es schnell hinter mir."
"Okay, dann rufe ich morgen früh gleich die Agentur an und mache alles weitere mit denen aus."
Ich kann an diesem Abend kaum einschlafen und wälze mich unruhig in den Laken. Ich kann nicht einschätzen, was auf mich zukommt.
Was ist dieser David wohl für ein Mensch?
Was für ein Mann kauft die Jungfräulichkeit einer Frau für so viel Geld im Internet?
Ist er so abstoßend, dass er auf normalem Weg keine Frau dafür gewinnen kann, Sex mit ihm zu haben oder ist das einfach nur ein spezieller Kick, den ich nicht verstehe?
Ich zermatere mir das Hirn darüber, wie er wohl aussieht und wie er sich mir gegenüber verhalten wird und spiele die verschiedensten möglichen Szenarien in meinem Kopf durch, bis ich irgendwann erschöpft einschlafe.
Doch als ich am nächsten Morgen wach werde, geht das Gedankenkarussell nahtlos weiter und es hält den ganzen Tag nicht für eine Minute an.
Umso erleichterter bin ich, als Roy abends zu mir kommt und mir ein wenig Gesellschaft leistet. Ich hätte es nicht ausgehalten, diese Nacht auch noch alleine mit meinen Ängsten und Sorgen zu verbringen.
Ich kann nicht verhindern, dass mir trotzdem am späten Abend die Tränen kommen, als ich mit Roy gemeinsam auf der Couch liege, der irgendeinen Film auf dem kleinen Flachbildschirm schaut.
"Was ist los?", fragt Roy erschrocken und stoppt den Film mit der kleinen schwarzen Fernbedienung.
"Ich habe Angst", gebe ich leise zu.
"Wovor denn?", fragt er einfühlsam und wischt mir die Tränen aus dem Gesicht.
"Was, wenn dieser David das totale Monster ist? Wenn er hässlich ist oder bösartig, wenn er keine Rücksicht auf mich nimmt und mir weh tut? Was, wenn das ganze zum Alptraum wird?", schluchze ich aufgebracht.
Ich habe die letzten Tage versucht, all diese Gedanken zu verdrängen, doch je näher der Termin rückt und je ernster die Lage wird, desto weniger lassen sich all meine Bedenken unterdrücken.
Roy streichelt liebevoll über meine Wange. "Mach dir nicht so viele Gedanken, Malia. Lass es einfach auf dich zukommen. Warte jetzt erst mal den Termin morgen ab. Du lernst ihn völlig unverbindlich kennen und wenn er ein Monster ist oder schrecklich hässlich, dann kannst du alles weitere immer noch platzen lassen."
"Ja, das sagst du und das ist ja auch lieb von dir, aber wenn du mal ganz ehrlich bist habe ich doch gar keine andere Wahl, als es einfach durchzuziehen, egal wie schlimm es wird. Du brauchst das Geld so dringend und du hast selbst gesagt, dass die Zeit gegen uns spielt. Wir haben doch gar keine Zeit dazu, noch eine Auktion zu machen und jemand anders zu finden. Das heißt, wenn ich den Deal platzen lasse, bekomme ich auch das Geld nicht und dann stehen wir an dem selben Punkt wie vor einer Woche schon."
"Malia, hör mir zu, okay?" Roy zieht mich an sich und sieht mir tief in die Augen. Er legt seine Hände an mein Gesicht und ich schluchze laut.
Die Last auf meinen Schultern wird langsam zu schwer. Der ganze Druck droht mich zu erdrücken.
"Malia", spricht Roy mich erneut an. "Hör mir zu."
Ich versuche ruhiger zu atmen und mich zusammenzureißen, aber es gelingt mir nicht.
"Du musst das nicht um jeden Preis durchziehen. Kein Geld der Welt ist es wert, dass du dich dafür so fertig machst. Ich sage das morgige Treffen jetzt ab", fährt Roy unbeirrt fort und steht auf.
"Nein! Nein, das machst du nicht!", rufe ich panisch und greife nach seiner Hand, die er gerade in seine Hosentasche schieben will, um sein Handy herauszuholen.
"Ich ziehe das jetzt durch!"
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Meine Lieben,
Malia kann einem nur leid tun. Ich finde es echt krass, was für einen psychsichen Druck Roy auf sie ausübt, oder wie seht ihr das?
Und was denkt ihr, was David für ein Typ ist?
Meint ihr das morgige Treffen wird ein absolutes Desaster?
A.