Kapitel 22

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Auch diesmal schien Tyler meine Mimik überraschend gut einschätzen zu können. Es kam mir ja manchmal fast schon so vor, als könnte er meine Gedanken lesen.
,,Du fragst dich, wieso ich dich dann eingeschlossen habe ?" Ich nickte. ,,Naja, zum einen bist du ein Mensch und aus Erfahrung haben wir Werwölfe recht schnell gelernt, dass ihr, ohne anscheinend groß darüber nachzudenken, zum weglaufen tendiert. Zum anderen weißt du ja mittlerweile, dass einige Werwölfe nicht gerade gut auf Menschen zu sprechen sind. Doch der wohl größte Aspekt bei der Sache liegt nicht an dir oder deiner Menschlichkeit, sondern an mir." Voller Neugier sah ich ihn an. Er konnte doch nicht sowas erwähnen und dann nichts mehr dazu sagen. Doch blieb er mir diese Antwort schuldig. Stattdessen ging er weiter in das Gebäude und zog mich an einer Hand hinter ihm her. Auch ich nutzte die Gelegenheit und sah mich etwas um.
Der von außen, durch den dunkelgrauen Stein erzeugte Eindruck einer eher dunklen Behausung, wirkte von innen komplett gegenteilig. Die Wände waren weiß, helles Holz war verbaut worden und das Licht so gekonnt angebracht, dass es nicht eine dunkle Stelle im Haus zu geben schien.
,,Komm, iss eine Kleinigkeit", meinte Tyler zu mir und reichte mir einen Apfel. Unschlüssig starrte ich den Apfel in meiner Hand an. Eigentlich hätte ich jetzt viel lieber ein paar Antworten bekommen, anstatt einem Apfel.
,,Ach Kleines, was ist denn? Du stehst da wie bestellt und nicht abgeholt" ich merkte, wie Tyler versuchte, sich aus seiner Andeutung von vorher heraus zu reden. Doch konnte er etwas, was mich anscheinend auch betraf, nicht einfach unter den Tisch fallen lassen.
Es sah sicherlich etwas bockig aus, doch verschränkte ich die Arme. Fordernd sah ich ihn an.
,,Lily, komm schon. Iss jetzt was." Ich beäugte den Apfel, der noch immer in meiner Hand lag. Mein Blick ging zurück zu Tyler. Zu meinen verschränkten Armen zog ich noch meine Augenbrauen hoch. Ich wollte ihm absolut deutlich machen, dass ich ohne entgegenkommen seinerseits gar nichts machen würde.
,,Lily, bitte...", fast schon tat er mir leid, doch blieb ich bei meiner Entscheidung. Wenn etwas mich betraf, wollte ich es wissen und hatte meiner Meinung nach auch das Recht es zu erfahren.
,,Lily, ich...", Tyler stockte und überwand die paar Schritte, die zwischen uns lagen. Der Blick, der in seinen Augen lag, flehte mich geradezu an, von dem Thema abzulassen. Doch bevor ich tatsächlich aufgeben wollte, kam Tyler wohl zu dem Schluss, dass er aufgeben sollte. ,,Na gut", meinte er zu mir.
,,Ich glaube am besten setzen wir uns rüber, du isst dann etwas und ich versuche dir mein Problem zu erklären, Deal?" Ich nickte kurz und folgte Tyler zu den zwei Sesseln. Wir setzten uns gegenüber voneinander hin. Tylers Blick huschte unruhig durch den Raum. Um meinen guten Willen zu zeigen, biss ich in den Apfel. Schmecken tat ich ihn jedoch nicht wirklich, ich war einfach in meinem Kopf viel zu sehr von Tylers kommender Erklärung abgelenkt. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf mich, er lächelte leicht, als er sah, dass ich wie gefordert den Apfel aß.
,,Dann werde ich wohl auch meinen Teil der Abmachung nachkommen müssen", ihm war wohl immer noch unwohl dabei, mir davon zu erzählen und hätte er nicht doch ein ganzes Stück von mir entfernt gesessen, hätte ich wohl nach seiner Hand gegriffen.
,,Wahrscheinlich würdest du es nicht mal für schlimm erachten, was mich so sehr beschäftigt", sagte er mit überraschend gefasster Stimme, ,,Es hängt alles damit zusammen, wer ich und wer meine Eltern sind. Ich bin der Sohn eines Alphas und einer Luna, ebenso wie mein Vater ein solcher war. Auch sind wir jeweils das erstgeborene Kind unserer Eltern. Damit begründet sich der Anspruch meines Vaters, wie auch meiner, ein Alpha zu sein. Mir ist es von Geburt an vorbestimmt, nachdem ich meine Gefährtin, also dich, gefunden habe, ein eigenes Rudel zu beanspruchen." Still lauschte ich seinen Worten, bewegte mich keinen Millimeter, um ihn nicht abzulenken. Gespannt wartete ich darauf, welchen Verlauf diese einseitige Unterhaltung noch haben würde.

Wolfsseele - Verliebt in einen AlphaWhere stories live. Discover now