Kapitel 37

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Selbst wenn ich es gekonnt hätte, würde ich gerade wohl kein Wort über die Lippen bringen. Zwar hatte ich Tyler schon in seiner Wolfsgestalt gesehen, habe ihn sogar berührt, und er hat mich auf seinem Rücken hierher gebracht, doch schien es heute anders zu sein. Allein der Gedanke daran mit einem Werwolf, der von seinen Instinkten geleitet ist, in einem Raum eingesperrt zu sein, bereitete mir Magenschmerzen. Dabei war es mir doch mittlerweile klar, dass Tyler mir grundsätzlich nichts Schlechtes wollte.
Es war schon zum Mäusemelken. Allein der Gedanke daran, dass Tyler ebenso ein Werwolf war, wie der Wolf, der mich als Kind angriff und meine Eltern tötete, ließ mein Herz gefühlt schneller schlagen. Ich fühlte mich schon beinahe an den Tag zurückversetzt, den ich eigentlich gut verdrängt zu haben glaubte, an den Tag, der mein Leben so viel schlimmer gemacht hatte.
,,Bitte hab keine Angst", flehte Tyler mich fast schon an, ,,Du bist meine Gefährtin. Seit ich dir begegnet bin, bist du alles in meinem Leben. Auf jede Person könnte ich im Leben verzichten, nur nicht auf dich. Eine Ablehnung von dir, könnte ich nicht mit klarem Verstand überleben."
Tylers Worte berührten mich auf eine mir zuvor unbekannte Art und Weise. In meinem Kopf waren Werwölfe eiskalte Mörder, doch seine Worte ließen mich daran zweifeln. Wie sollte ein Wesen, welches als Hauptziel hat, Leid und Schrecken über die Menschheit zu bringen, solche flehenden Worte aussprechen können und mich damit so sehr berühren können, wenn sie nicht wirklich von Herzen kamen.
Es war wie eine unsichtbare Mauer, die zuvor zwischen uns gestanden hatte, jedenfalls aus meiner Perspektive. Vielleicht war es für Tyler ja ganz anders. Woher sollte ich es denn wissen? Aber es hatte sich einfach etwas verändert. Ob diese Veränderung jedoch nur in meinem Kopf oder auch in meinem Herzen war, konnte ich nicht sagen.
,,Bitte, ich werde dir nichts tun", Tyler hatte flehend eine Hand in meine Richtung ausgestreckt. Ein kurzer Blick in seine Augen reichte, um mir eine ganze Bandbreite von seinen Gefühlen zu offenbaren. Ich sah seine Angst, seine Furcht, seine Hoffnung und seine Zuneigung zu mir.
Mir traten fast die Tränen in die Augen. Es war so viel, was ich meinte, in seinen Augen zu sehen und es traf mich sehr. Mein Herz schien schwerer als zuvor in meiner Brust zu schlagen und ich schluckte einmal schwer.
Ich stand auf, unsicher, warum ich es überhaupt tat.
,,Lily, was ist denn?", fragte mich Tyler und stand ebenfalls auf. Ich wusste nicht wirklich, warum ich es tat und woher dieser Entschluss stammte, doch warf ich mich in seine Arme. Fast schon wie aus Reflex schlossen sich Tylers Arme um meinen Rücken. ,,Lily, ich... Ich verstehe nicht... Warum, wie..?", Tyler schien so sprachlos zu sein, wie ich mich fühlte. Ich drückte mich näher an Tyler, legte meinen Kopf gegen seine Brust. Unter seinem T-Shirt konnte ich das schnelle Klopfen seines Herzens hören.
,,Oh Lily, du weißt gar nicht, was mir das gerade bedeutet." Es fühlte sich an, als hätten wir hier ewig stehen können. Es hätte wohl keinen von uns beiden gestört, hätte dieser Moment für immer angehalten.
Doch war das Leben leider nicht so. Fast als wollte mein eigener Körper mich verhöhnen, beschloss dieser den Moment zu zerstören. Mein Magen knurrte. Und zwar nicht leise, sondern in einer Lautstärke, dass man es wohl im ganzen Raum gehört hätte.
Ich konnte mir förmlich vorstellen, wie mein Gesicht einen immer intensiveren Rotton annahm.
,,Ach Lily, ich weiß nicht, ob ich es vielleicht schon mal gesagt habe, aber dir muss vor mir nichts peinlich sein. Auch wenn ich ehrlich sagen muss, dass es niedlich aussieht ,wenn du rot wirst. Aber vermutlich willst du sicher erstmal etwas essen."

Wolfsseele - Verliebt in einen AlphaWhere stories live. Discover now