Kapitel 10

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Bei diesem Gedanken blieb ich hängen. Werwolfshure. Wie oft habe ich dieses Wort gehört. Sobald kein Werwolf in der Nähe war, waren die Mädchen, die einem Werwolf gehörten, Gesprächsthema Nummer eins. Über sie wurde hergezogen, als ob sie sich dafür hätten entscheiden können. Dabei hatten sie, genauso wenig wie ich jetzt, die Wahl. Wenn ein Werwolf etwas entschied, war es nunmal so. Einige nicht ganz so extreme Stimmen unter den Menschen gingen davon aus, dass die Mädchen möglicherweise unter Drogen oder Ähnliches gesetzt wurden, um sie gefügig zu machen. Meine bisherigen Erfahrungen sprachen zwar ein Stück weit dagegen. Doch ganz ohne schienen die Gerüchte ja nicht. Schließlich bin ich schon zwei Mal betäubt worden und das einmal von der Person, auf deren Schoß ich gerade saß.
Ach, was soll ich nur tun? Weglaufen ging ja schlecht. Ich wusste ja nicht mal, wo sich hier der Ausgang in diesem Gebäude befand. Und ich schätze mal, dass es ziemlich unwahrscheinlich war, dass ich mich alleine im Gebäude bewegen durfte. Es sah wohl viel eher danach aus, dass ich gleich wieder ins Zimmer müsste und Tyler mich einsperren würde. Vielleicht würde ich hier nun öfter essen, aber ob das nun so gut war, ist für mich ein Stück weit fraglich.

Die Tür zum Saal wurde aufgestoßen. Auf einen Schlag herrschte Stille und die Stimmung im Raum schien schlagartig ganz anders zu sein. Ich wollte sehen, wer für diese eigenartige Stimmung verantwortlich war, doch Tyler drückte rasch meinen Kopf nach unten. ,,Mein Sohn", ertönte eine tiefe, bedrohlich klingende Stimme hinter uns: ,,Ein Brief ist für dich eingetroffen. Ich denke du weißt von wem der nur stammen kann."
,,Danke Vater", sagte dieser leise und nahm den Brief entgegen. Diesen legte Tyler vor uns auf den Tisch, sodass ich einen Blick auf ihn werfen konnte. Ein blütenweißer Umschlag mit einem tiefroten Siegel, auf dem ein zähnefletschender Wolf zu sehen war. Ich hatte keine Idee, was in diesem Brief stehen könnte, doch hatte ich ein mehr als ungutes Gefühl bei der Sache. Vor allem als ich merkte, dass sich auch Tyler hinter mir verspannte. Sobald sein Vater hinter uns verschwand und sich auf dem Platz neben Tylers Mutter hinsetzte, deutete Tyler mir aufzustehen. Dann stand er selbst auf, schnappte sich den Brief und zog mich an einem Arm aus dem Zimmer. Ein Blick über die Schulter verriet mir, dass nicht eine Person uns ihre Aufmerksamkeit schenkte. Vielleicht taten sie es doch und ich bekam es einfach nicht mit. Die Tür wurde von Tyler geschlossen, sobald ich durch den Rahmen der Tür durch war.
Im Gegensatz zu meiner Vorstellung, dass wir gleich wieder ins Zimmer gingen, entschied sich Tyler dazu, einen anderen Weg einzuschlagen. Er öffnete eine weitere große Tür, die zu meiner Überraschung nach draußen führte.
Es war stark bewölkt und an manchen Stellen sah es bedrohlich nach einem Gewitter aus. Tyler aber achtete gar nicht darauf und zog mich nach draußen immer weiter vom Haus weg. Ich wollte mich in der Umgebung umsehen, doch immer wenn ich einen Blick nach links oder rechts schweifen ließ stolperte ich über Unebenheiten, die es massig auf dem Weg gab, auf dem wir liefen. Um nicht doch noch hinzufallen, was ich bisher mehr oder weniger gekonnt vermieden hatte, achtete ich möglichst nur noch auf dem Weg und hoffte, dass Tyler bald mal anhalten würde, da er relativ schnell lief und ich kaum noch Schritt halten konnte.

Nach etwa 3 Minuten hielten wir, nahe eines Waldes, an. Tyler ließ mich los und tigerte unruhig hin und her. Er ging immer etwa vier Meter von mir weg, machte dann kehrt, lief zu mir zurück, um dann wieder von vorne zu beginnen. Nebenbei hatte er den Brief geöffnet und gelesen, was dafür gesorgt hatte, dass er seine Stirn runzelte. So wie er sich verhielt, konnte darin nichts Gutes stehen, doch wollte ich endlich wissen, was los war. Doch wie sollte ich jetzt seine Aufmerksamkeit bekommen, wenn er gerade in Gedanken völlig woanders zu sein scheint?

Wolfsseele - Verliebt in einen AlphaWhere stories live. Discover now