Kapitel 19

10.6K 363 8
                                    

Es war ein durchaus seltsamer Moment. Seit wir angekommen waren, sind fünf Minuten vergangen und Tyler konnte sich erst vor wenigen Sekunden dazu durchbringen, mich loszulassen. Er zog sich rasch die Hose, die in der Tasche war, an und griff gleich wieder nach meiner Hand. Vielleicht klang es etwas verrückt, doch machte es auf mich den Eindruck, dass Tyler bei mir halt suchte. Doch schien mir das ganz und gar absurd. Schließlich war Tyler ein großer und auch übermenschlich starker Werwolf, dagegen war ich nur ein Mensch und dazu auch noch ein Mädchen, eine schwache Erscheinung neben ihm. Ein kurzer Blick in seine Augen ließ mich fast vom Glauben abfallen. Mein anfängliche Vermutung hatte voll und ganz ins Schwarze getroffen. Aus Tylers Augen sah mir seine ganze Verunsicherung und seine Angst entgegen. Meine freie Hand legte ich an seine Wange. Wie durch einen Reflex legte sich seine Hand über meine und hielt sie dort fest. Leicht lächelte und versuchte ihn dadurch etwas zu beruhigen. Ich wusste zwar nicht, was es war, was seinen besorgten Ausdruck verursachte, doch wollte ich ihm Mut machen, vor dem was kam. Mein Verhalten schien ihm zu helfen. Kurz schloss Tyler die Augen, atmete tief ein und aus und öffnete seine, nun viel entschlossener wirkenden, Augen. Tyler nahm meine Hand, die an seiner Wange lag, in seine Hand, führte diese zu seinem Mund und drückte mir einen sanften Kuss auf den Handrücken. Ich wurde rot und senkte etwas beschämt meinen Blick. ,,Ach Kleine, was habe ich nur je ohne dich gemacht", flüsterte er leise, gerade laut genug, damit ich es hören konnte.

Es war kurz still, bis Tyler erneut zu sprechen begann: ,,Wir sind jetzt so gut wie am Rudelhaus des Alphas. Es ist ganz wichtig, dass du, wann immer ein Werwolf dir etwas sagt, es auch tust. Dieses Rudel ist besonders, da es das Älteste der heute existierenden Rudel ist. Auch ging von diesem der Krieg gegen die Menschen aus. Vor allem der Alpha ist dafür bekannt nicht gut auf Menschen zu sprechen zu sein, wobei auch seine Gefährtin ein Mensch war. Zeige dich also möglichst demütig, egal wie unangenehm dir etwas ist. Ich werde mich bemühen möglichst die ganze Zeit an deiner Seite zu sein. Doch weiß ich leider selber nicht, was wir hier sollen. Ich habe noch nie davon gehört, dass der Alpha jemand in sein Rudel eingeladen hat. Aber wir sollten jetzt weiter, sie warten schon auf uns."
Dutzende Fragen schwirren mir durch den Kopf. Was würde hier passieren? Warum mochte der Alpha Menschen nicht? Und was hatte es mit seiner Gefährtin auf sich? Solche und viele weitere verwirrten mich nur immer mehr. Tyler zog mich an meiner Hand weiter. Er schien nun völlig konzentriert auf ein Ziel in der Ferne. Sein Gesichtsausdruck war ernst und er schien sich auf das Kommende gefasst machen zu wollen.
Nach einigen hundert Metern konnte ich endlich erkennen, worauf wir uns zu bewegten. Zwischen den Bäumen, mitten irgendwo im Wald, stand eine Gruppe von etwa zwei Dutzend Personen. Beim näherkommen fiel mir auf, dass, außer mir, nur zwei weitere Frauen anwesend waren. Allem voran stand ein großer, grimmig dreinblickender Mann, mit einem von Narben zerfurchten Gesicht.
Beim näherkommen fiel mir mein Fehler auf, den ich gerade machte. Rasch senkte ich den Blick und versuchte aus dem Augenwinkel weiter einen Blick auf die Leute zu erhaschen. Die Frau, die dem grimmigen Mann am nächsten stand, hatte lange, offene, braune Haare, die ihr ein starkes Auftreten verliehen, doch stand dies im Kontrast zu ihrem Gesicht, welches völlig emotionslos schien. Die zweite Frau stand an einen weiteren Mann gelehnt in der Nähe des Mannes und der Frau. Sie bemerkte offensichtlich meinen Blick und ein leichtes Lächeln huschte über ihr Gesicht, welches umrahmt war von schulterlangen, dunkelblonden Haaren.
Schlussendlich hatten wir die Gruppe vollends erreicht und bleiben einige Schritte vor dem am nächsten stehenden Mann stehen. In meinem Bauch machte sich ein ungutes Gefühl breit, doch das leichte Drücken meiner Hand von Tyler ließ mich, soweit es möglich war, ruhig bleiben.

Wolfsseele - Verliebt in einen AlphaWhere stories live. Discover now