Kapitel 14

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Irgendwann zog die Umgebung, durch die wir seit einiger Zeit gingen, einfach an mir vorbei. Die ganzen Eindrücke der ersten Minuten im Wald überfluteten mein Gehirn geradezu. An Büschen, Bäumen, Sträuchern und Tieren zogen wir vorbei. Das einzige, wozu ich in der Lage war, war Tyler im Auge zu behalten, um an ihm dranzubleiben und nicht im Wald verloren zu gehen.
Ihm schien unsere Umgebung fast schon egal zu sein. Er folgte einem Weg, den ich nicht erkennen konnte, und trug die Tasche locker über der Schulter. Wir gingen stundenlang, ohne dass er etwas sagte. Meine Füße taten weh und ich hatte Durst. Ich wusste beim besten Willen nicht, wie lange ich noch weiter gehen konnte. Doch Tyler war wohl doch nicht so blind für seine Umgebung, wie es mir schien.
Ohne einen für mich erkennbaren Grund blieb er stehen und drehte sich zu mir um.
,,Wir bleiben heute Nacht hier. Ist das in Ordnung für dich?" Ich sah mich etwas skeptisch um. Für mich gab es keinen ersichtlichen Grund, gerade hier zu bleiben und nicht schon einen halben Kilometer vorher. Doch war es mir jetzt gleich und ich setzte mich mit dem Rücken an einen Baum. Tyler hockte sich etwas von mir entfernt hin und wirkte besorgt. ,,Ich weiß, dass du erschöpft bist vom ganzen gehen und ich würde es dir ja gerne angenehmer machen, doch fürchte ich, dass das nichts für dich wäre." Fragend sah ich ihn an. Was meinte er jetzt damit? Im Moment wäre mir alles, aber auch alles lieber, als noch so einen Marsch wie heute hinter mich zu bringen. ,,Naja, dazu müsste ich mich verwandeln. Dann könnte ich dich tragen und wir wären schneller."
Hatte er das wirklich gesagt? Er müsste sich dazu verwandeln...
In einen Werwolf ...
Eine riesige Bestie ...
,,Dein Blick sagt alles. Wir lassen das lieber und kümmern uns ein anderes Mal um die Thematik", sagte Tyler leise und mit ruhiger Stimme zu mir. Er streckte seinen rechten Arm in meine Richtung und strich, fast unmerklich, über meine Wange.
,,Ich besorge uns mal was zu essen. Bin gleich wieder da."
Er stand auf und machte sich auf, um zwischen den Bäumen und Sträuchern zu verschwinden. Kurz bevor er außer Sichtweite war, drehte er sich kurz zu mir um und verschwand schließlich im Grün des Waldes.
Nun saß ich hier allein im Wald und mir wurde doch etwas kalt. Was könnte ich denn jetzt tun? Eigentlich wollte ich mich nur noch ausruhen und keinen Schritt mehr tun, doch ließ mich etwas in mir nicht in Ruhe.
Vielleicht sollte ich mich nützlich machen, damit nicht alles an Tyler hängen bleibt. Aber er meinte ja auch, ich solle hier auf ihn warten. Doch was soll schon passieren, wenn ich in der Nähe blieb?
Nach kurzem Nachdenken entschied ich mich dazu, dass es am sinnvollsten wäre, etwas Holz für ein Feuer zu besorgen. Ich rappelte mich auf und machte mich auf die Suche nach Holz.

Einige Zeit war vergangen und ich habe es geschafft, einen kleinen Haufen an trockenem Holz zu sammeln. Ich war gerade mit einem Arm voll Holz wiedergekommen, als auch Tyler zwischen den Sträuchern wieder auftauchte. In seiner linken Hand baumelten die Reste eines gehäuteten Tieres ohne Kopf. Beim Näherkommen ließ er seinen Blick über den kleinen Stapel Holz schweifen und lächelte mich danach freundlich an. Er überwand den letzten Abstand zu mir und gab mir einen unschuldigen Kuss auf die Wange. Um ehrlich zu sein, gefielen mir diese Aufmerksamkeiten von ihm immer mehr. Das, was da zwischen uns war, schien nicht mehr allein von ihm auszugehen. Und auch, dass er der Grund dafür war, dass ich nicht mehr zu meiner Schwester konnte, schien mir immer weniger wichtig zu sein.

Wolfsseele - Verliebt in einen AlphaWhere stories live. Discover now