Kapitel 90

6K 239 9
                                    

Es waren einige Tage vergangen, doch wirklich passiert war nichts. 
Tyler war noch anhänglicher als sonst. Ich hatte die Vermutung, dass ihn das, was Luke und Jared passiert war, weit mehr mitnahm als er es sich selbst eingestehen wollte. Er wollte mich quasi gar nicht aus den Augen lassen, als ob er Angst hätte, dass wenn ich jetzt ein Beispiel vor Augen hätte, selbst auf die Idee käme mir was anzutun. 

Die Gefährtin der Zwillinge war wirklich ins Wachkoma gefallen und die Zwei waren aufgrund dieser Tatsache völlig fertig. Hier konnte ich tatsächlich den Zusammenhalt, der in einem Rudel Werwölfe herrscht, wirklich hautnah miterleben. Alle versuchten den Beiden auf alle möglichen Weisen zu helfen. Und dies taten sie nicht auf die typisch menschliche Art, mit irgendwelchen doch meist halbherzigen gemeinten Worten, wie, dass alles ja sicherlich bald besser werden würde, sondern in dem sie mit höchstem Feingefühl darauf reagierten, was die Beiden vielleicht gerade brauchen konnten. Dabei half es den Werwölfen wohl auch sehr, dass die beiden Zwillinge ja hier im Rudel aufgewachsen waren und somit alle sie und ihre Eigenarten kannten. 
Es gab Essen soviel sie wollten, wobei die Rudelmitglieder darauf achteten fast nur Leibspeisen der Beiden zu nehmen. Auch hatten die Wölfe hier ein unglaublich gutes Gefühl dafür, wie viel Nähe bzw. Abstand Jared und Luke gerade zu anderen Personen brauchten. 
Das alles wirkte auf mich, wie ein furchtbar komplizierter, aber bis zur Perfektion eingeübter Tanz auf einer Messerklinge, wobei jeder sich zu hundert Prozent darauf konzentrierte das Gleichgewicht zu halten und die Situation nicht kippen zu lassen.  
Jared und Luke schien jedoch, aus meiner Perspektive, nicht all zu viel davon mitzubekommen. Sie lebten quasi am Rudel vorbei. Aßen, schliefen und wachten Tag und Nacht am Bett ihre Gefährtin. Sie hatten den Raum seit dem Vorfall meines Wissens bisher nur verlassen um die Toilette zu nutzen und zu duschen. 
Sie ließen auch, abgesehen von Patrick, der die medizinischen Aufgaben übernahm, da Luke zu sehr involviert war, niemanden hinein.
Selbst der Alpha respektierte das und machte keinen Schritt in den Raum hinein.
Patrick, von dem ich ehrlich gesagt einen unschönen Kommentar bezüglich der menschlichen Gefährtin erwartete habe, hielt auch den Mund. Ob das aber so ganz seine Entscheidung war hielt ich für unwahrscheinlich. Er traute sich vermutlich aktuell nicht was dazu zu sagen, da ihn jede als Mensch geborene Werwölfin hier quasi mit ihren Blicken tötete, bzw ihn damit warnte ja nichts falsches zu sagen.
Selbst die Luna tat das, wobei das vielleicht gar nicht so verwunderlich war, da sie ja selbst eher negativ gegenüber dem älteren Rudelarzt eingestellt war.

Gegen seinen Willen musste Tyler von mir weg. Der Alpha wollte dringend mit ihm unter vier Augen sprechen.
Sein Blick war daraufhin fast panisch geworden, doch blieb ihm ja nicht viel übrig. Schließlich argumentierte der Alpha ja, dass mir ja hier nichts passieren könnte. Tyler hatte nicht mal Zeit mir einen Babysitter zu suchen und so war ich Tatsache allein und nicht bei uns im Zimmer.
Ich wüsste auch ehrlich gesagt immer noch nicht, wie ich dahin kommen könnte. Daher lief ich, mit dem Wissen, dass Tyler mich sobald das Gespräch zu Ende war garantiert finden würde, einfach ein wenig in der Gegend rum und versuchte mir einige Orte einzuprägen. Da Tyler und ich ja wohl hierbleiben würden, schien es mir doch ganz praktisch, wenn ich mich wenigstens ein bisschen hier auskannte.
Ich hatte, zu meiner Freude, relativ schnell den Weg aus dem Rudelhaus raus gefunden.
Doch an der frischen Luft merkte ich schnell, dass es doch relativ kalt war. Jedoch blieb ich trotzdem noch einen kurzen Moment draußen, blickte mich um und blieb an diesem monströsen Gebäude, aus welchen ich gerade gekommen war, hängen.
Immernoch wirkte er in meinen Augen hier völlig deplatziert.
Was sollte auch ein solcher Prachtbau mitten im Wald wo ihn quasi außerhalb dieses Rudels niemand sah.

,,Oh Lily! Was machst du denn hier?", fragte mich dann plötzlich eine gut bekannte Stimme von der Seite.

Wolfsseele - Verliebt in einen AlphaWhere stories live. Discover now