Oll's

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Sobald Bram mich dazugebracht hat zu frühstücken und alles abgeräumt hat, während ich einfach nur stumm dasitzen konnte, lächelt er einnehmend. "Noch ein letztes Geschenk habe ich für dich."
Mein Magen sackt unter und ein Gefühlschaos tobt in mir bei seinen Worten. Wird es wieder etwas komplett anderes sein, so, wie gestern? Werde ich diesmal um mein eigenes Überleben kämpfen müssen, während er es als solches abtut? Als ein Geschenk?
"Ich hätte es dir gerne schneller gegeben, aber naja..Es sah ja nicht so gut aus." lächelt er entschuldigend.
"Was ist es?" frage ich wehmütig, was ihn zurückrudern lässt.
"Oh, nein. Nichts wie gestern. Eigentlich ist es etwas für uns beide. Etwas, das allen zeigen wird, dass wir zusammengehören." nimmt er meine Hand und ich sehe verwirrt zu seinem intensiven Blick auf.


Californiens Straßen sind auch heute sonnig und lebendig. Ich beobachte vom Wagen aus all die Leute mit gebräunter Haut. Die einen joggen am Pier, die anderen vertreiben sich die Zeit an verschiedenen Ständen und andere legen eine verrückte Performance am Seitenrand ab, um sich so ihr Geld zu verdienen.
Es lässt mich an meine eigene Lage denken. Ich wollte immer eine Arbeit finden, die mir so viel Geld einbringen würde, dass ich sorgenfrei Leben könnte. Ein Leben, das dem meiner Mutter keines Wegs ähnelte. Und Bram hatte das gesehen. Würde ich durch ihn jetzt dieses Leben leben?


Es ist ein kleiner Shop am Pier vor dem wir Halt machen. Oll's Tattoos. Verwirrt sehe ich zu dem dunkelblauen Schriftzug hoch, während das belustigte Kreischen von Kindern von irgendwo zu mir durchdringt.
Bram führt uns hinein und sobald wir durch die gläserne Tür treten, begegne ich einer eisigen Kälte, die weit von der Hitze zu unterscheiden ist, die draußen herrscht.
Der Laden ist modern gestalten. Weiße Fliesen zieren den Boden und gehen teilweise in die Wände über, um sich mit einem sehr dunklen Braun den Platz zu teilen. Gepolstere cremefarbende Couchen stehen in der einen Ecke, zu jeder Menge an Heften, auf dessen Cover Tattoomodels prangen. "Was machen wir hier?" frage ich leise, während ich um mich sehe.

Wir nähern uns dem milchig weißen Tresen aus Glas hinter dem eine Frau unseres Alters sitzt. Und auch wenn ihre Tattoos, die sich von ihren Armen bis hin zu ihrem Hals schlängeln, fällt mir zuerst das dicke schwarze Septum an ihr auf, dass alte Erinnerungen in mir hervorruft. Würde sie Ivy sehen wäre sie sicherlich baff, da der ihre weitaus größer ist.
Ihre hellgrünen Augen blicken zu uns hinauf und sie lächelt freundlich auf. "Willkommen im Oll's Tattoo. Wie kann ich ihnen behilflich sein?"
Ich nehme sie nicht einmal richtig war. Ich merke, dass sobald ich mit anderen in Kontakt komme, sich etwas in mir verbarikadiert und ich einfach dicht mache vor möglichen Konversationen. Die Frau mit den schwarzen Haaren löst zwar komischerweise keine Panik in mir aus, wie andere, dennoch denke ich nicht daran ein Wort mit ihr zu wechseln.
"Ich hatte mit Oll gestern telephoniert. Wir hatten abgemacht, dass ich spontan vorbeikommen könnte. Mein Name ist Bram Chester." lehnt er sich brummend an den Tresen.

Die Augen der Frau funkeln auf und ihre Mundwinkel kräuseln sich ein wenig mehr bei seinem Anblick. "In Ordnung. Ich werde ihn mal herholen. Einen Moment bitte." steht sie auf, aber nicht, ohne Bram nochmal verstohlen anzusehen.
Ich spüre, dass es mir nicht gefällt, doch weiß nich, was ich tun sollte. Ich kann mich lediglich verkrampfen und in mich gekehrt hinuntersehen.
"Alles gut?" dreht sich Bram zu mir und steht so dicht an mir, dass ich mich gezwungen fühle zu ihm aufzusehen.
Ich nicke, was ihn nicht zufrieden zu stimmen scheint.
"Bleib entspannt." raunt er und streicht meine Haare nach hinten, sodass er mir den Kopf sachte in den Nacken drückt. Sofort hellwach verschnellert sich mein Puls und ich spüre eine leichte Hitze in meine Wangen steigen, bevor ich mir auf die Unterlippe beiße. Diese Berührung alleine hat mir die Sorgen vertrieben, mir jedoch mehr an Nervostität eingebracht.

"Mr. Chester!" kommt es kräftig hinter Bram und wir drehen uns zu einem breit gebauten Mann in seinen späten dreißigern. Mit tattoowierter Glatze streckt er ihm grinsend die Hand entgegen, dessen Handgelenk ein schwarzes Lederarmband trägt. "Schön, dass sie es hergeschafft haben." Plötzliche schießen seine grauen Augen zu mir, "Und das muss die Person sein die sie dazu behandeln wollten." Auch mir reicht er lächelnd die Hand, doch ich bin zu erstarrt, als das ich sie annehmen könnte. Ich fühle mich unter seinem Blick keines Wegs wohl, auch wenn er harmlos zu sein scheint. Und zum anderen ist es die Unwissenheit. Behandeln? Was hat Bram vor?

Während ich mir den Kopf zermattere regt sich Bram. "Sie ist ein wenig schüchtern." lächelt er entschuldigend und zieht meinen Kopf an seine Schulter, "Aber ja, ist sie."
Mich darauf einlassend schmiege ich mich an ihn und schließe die Augen, um runterzukommen. Dann beugt er den Kopf zu meinem Ohr, um mir etwas zuzuflüstern, dass nur ich verstehen kann. "Das sind gute Leute, Willow. Sie tun dir nichts. Vor allem nicht, wenn ich hier bin."

Mein Kinn zuckt verzweifelt, doch ich öffne dennoch die Augen, während sein warmer Atem mich streift. Ich nicke nur, was ihn den Kopf wieder heben lässt und meinen Blick auf die Frau vom Tresen fallen lässt. Sie hat sich mit nach hinten gefaltenen Händen in den Hintergrund gestellt, doch das Lächeln von vorhin wurde nun mit einem mitgenommenen, fast zerstörten, Gesicht ersetzt, während sie Bram und mich betrachtet.
Ich weiß nicht wieso, aber eine gewissen Genugtuung fließt darauf durch mich, bevor ich wieder das Gespräch zwischen den Männern wahrnehme und im nächsten Moment mit Bram ins hintere Abteil geführt werde, wo sich gruselig aussehende Liegestühle Raum für Raum reihen, als wäre der Zahnarzt hier gewesen. In einigen hört man das vertraute Summen schon arbeiten, andere beinhalten lockere Gespräche. Wieso will Bram hierher? Er hat kein Tattoo - das weiß ich genau - und schien bisher auch nicht der Typ dafür zu sein, auch wenn es ihm stehen würde.
Aber das wichtigste: Wieso war ich Part der Sitzung? War das ein ernstes mein letztes Geschenk von ihm?

I'll get youWhere stories live. Discover now