Niemand

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Bram pov.

"Willow, erzähle mir mehr. Was hat sie dir noch angetan?" Doch sie sieht stumm zum Fernseher, während ich mich schon besorgt vorlehne, um ihren Blick auf mich zu lenken.
Sie tut so, als würde sie weiter spielen, aber ich merke, wie sie nicht wirklich dabei ist.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass das alles real sein kann. Ich hatte immer erwartet, dass sie sich einfach nicht mit ihrer Familie versteht. Wer weiß. Durch die Scheidung der Eltern oder weil ihre Mutter schlichtweg nie Kinder haben wollte. Aber dass sie von ihrer Mutter missbraucht worden war? Und dann auf solcher Weise? "Willow.." raune ich verzweifelt. Ich muss wissen, was diese Frau ihr angetan hatte. Zwar war schon zu merken, dass sie etwas in sich versteckt hielt, aber ich hatte gehofft, dass ich mich irrte. Das nichts mit meiner Willow passiert ist, aber das ist wohl nicht der Fall. Sie ist genauso gebrochen, wie ich.

Weil sie immer noch spielt, um mich zu ignorieren, nehme ich den Controller aus ihren Händen und werfe ihn sachte auf das Bett weiter von uns weg. "Bram." seufzt sie und lehnt sich genervt weg, um mir zu entgehen, doch ich muss es jetzt wissen.
Ich drehe ihren Körper direkt zu mir und umgreife ihren Kopf, damit sie mich endlich ansieht. "Hat sie dir das wirklich angetan?"
Sie verzieht ihr Gesicht und meidet angestrengt meinen Blick. "Nein, hat sie nicht, okay? Jetzt lass' mich."
"Willow." mahne ich sie, "Ich kann sehen, wenn du lügst."
"Man, ja, es ist wahr, okay? Und? Ich will immer noch nicht darüber reden! Ich habe nur nicht bedacht, was ich da sage. Lass es gut sein, Bram." stöhnt sie genervt und will sich aus meinem Griff wenden.
"Was hat sie dir noch angetan?" halte ich sie fester, ums Gesicht.
"Hör' auf."
"Nein. Ich will es wissen, Willow."
"Tja, ich will aber nicht darüber reden!" wehrt sie sich nun stärker, doch sobald ihr Gesicht aus meinen Händen befreit ist, werde ich wütend und versuche ihre Handgelenke zu ergreifen, die mich versuchen wegzuschieben.
Angestregt versucht sie mir zu entgehen, doch ich achte nicht darauf und drücke sie hinunter auf den Rücken. "Geh' von mir runter!" faucht sie.
Sie sieht äußerst angepisst aus und versteckt es endlich nicht. Nein, jetzt habe ich die echte Willow vor mir. Sie ist zu 100% draußen. Und ich spüre, wie etwas in mir aufblüht, bei diesem Erfolg, doch zur selben Zeit bricht es mir schon fast das Herz, weil es mir genau zeigt, wie sehr ihr dieses Thema geschadet hat.
"Willow, beruhige dich." brumme ich, während ich ihre Handgelenke auf die Matratze runterdrücke. Dabei ignoriere ich ihren windenden Körper und wie ihre Beine versuchen sich nicht um mich zu schmiegen.
"Dass lass mich los."
"Nicht, wenn du nicht redest." Kurz versucht sie es trotzdem, bis sie mit einem Mal aufgibt und mich finster ansieht. "Ich will doch nur wissen, was sie dir noch angetan hat." versuche ich ruhiger zu werden.
"Und wozu?? Damit du einen Weg findest, dich besser hinzustellen? Mir klar zu machen, dass deine Kindheit schlimmer war, als meine? Oder einfach nur, damit mir wieder bewusst wird, wie kaputt meine Familie und mein scheiß Leben ist, damit ich daran zerbreche, sodass du dein krankes Spiel problemlos an mir ausführen kannst?" zischt sie in mein Gesicht.

Erschrocken weiten sich meine Augen. Ihre Worte treffen mich tief und jegliche Wut und Anspannung entweicht mir. Zum einen, weil es mich in sehr alte Gefühle zurück wirft, die ich niemals wieder spüren wollte. Zum anderen hätte ich nie erwartet, dass sie mir sowas zutrauen würde. Oder ist es nicht genau das, was ich versuche?
Erstarrt sehe ich in die Augen, in die ich mich vor langer Zeit verliebt habe und merke neben den tobenden Emotionen in ihnen, auch die minimalen Tränen.

Okay, ja ich versuche es, aber nur zu ihrem eigenen Wohl. Ihre Mutter hatte es aus selbstsüchtigen Gründen getan. Sie war keine Mutter. Sie war wohl ein Monster, denn sie hat scheinbar ihre eigenen Tochter gebrochen, wenn man den Schmerz so klar in ihrem Gesicht erkennen kann, der mich schockiert.
"Willow, ich will nur das Beste für dich." hauche ich fast.
Sie atmet tief ein, während sie die Lippen aneinander presst und ihr gekreuseltes Kinn damit präsentiert.
"Was hat deine Mutter dir noch angetan?" Sie hält meinem Blick stand, bis sie langsam anfängt den Kopf zu schütteln und ihr ein Lachen entfährt, das fast sofort in ihrer Kehle erstickt, während sie den Kopf von mir wegdreht.
"Du willst nicht das beste für mich. Sonst wäre ich nicht hier." krächzt sie dunkel und ich spüre, wie es einen dumpfen Schuss in meiner Brust auslöst.

Eingefroren sehe ich sie noch an, bis ich den Griff an ihr lockere und anfange über ihre zerzausten Haare zu streichen. Dabei kommen keine Gedanken in meinem Kopf auf. Er ist vollkommen leer aus Sorge und Schock. Sie soll soetwas nicht denken.
Ich lasse meine Hand sachte von ihren Haaren zu ihrem Hals wandern und streiche mit dem Daumen ihr Schlüsselbein entlang.

"Willow, du weißt, dass ich dich liebe." hauche ich.
Sie hält den Atem an, während ich merke, wie sie sich unter mir anspannt, aber schließt einfach nur die Augen, als wäre es zu viel für sie.
Verzweifelt lege ich mich neben sie und ziehe sie sofort an mich. Ich will sie umarmen und nie wieder loslassen. "Ich werde dafür sorgen, dass dir niemand etwas in der Art wieder antun wird. Dir niemals weh tun wird, verstehst du?" streiche ich über ihre Haare, während ich ihren Kopf an meine Schulter presse. Und einen Moment erinnere ich mich an etwas anderes und muss mich überwinden, die nächsten Worte über die Lippen zu bringen, weil die Situation für mich nun vollkommen anders aussieht. "Auch ich nicht. Ich will dir nicht weh tun." Doch sie antwortet nicht. Erst nach längerer zeit, scheint sie einzusacken und lässt sich endlich ein wenig auf mich ein, als sie mich minimal zurück umarmt.
Womöglich aus Schmerz, drücke ich ihr einen festen Kuss auf die Haare, ohne mit dem streicheln aufzuhören. Ich konnte sie damals nicht im Blick behalten und habe somit zugelassen, dass mein Schatz beschmutzt wurde. Und diesmal nicht nur von dreckigen  Augen irgendwelcher Notgeiler Hunde, sondern auch noch von Händen, die sie hätten schützen sollen. Das wird definitv noch ein Nachspiel geben. Niemand darf ihr nur ein Haar krümmen.

I'll get youDonde viven las historias. Descúbrelo ahora