Hitze

3.8K 82 9
                                    

Jetzt?
Nein.
Später.
Als ob es ein später geben wird!
Aber es ist auch nicht jetzt!
Mein aufgewühltes Gesicht wendet sich zur Sonne. Es ist noch nicht einmal Mittag und doch scheint ihr Licht mich verbrennen zu wollen. Anscheinend verpasse ich durch Bram einer der heißesten Sommer.
Wieder daran erinnert, dass er gleich im Haus hinter mir etwas brät, während ich hier auf der Bank sitze, versteife ich mich und sehe in den Wald hinaus. Hier ist nichts. Absolut nichts. Wo soll ich da bitte hinrennen? Aber wann wird mich Bram wieder alleine lassen, solange wir hier sind?
Tief durchatmend versuche ich den Fluchtgedanken wegzuschieben. Wenn ich jetzt losrenne, wird er mich durch die gläserne Terassentür sehen. Dann werde ich es wirklich versaut haben.

Es dauert, bis mein aufgeregtes Herz runterkommt, aber sobald Bram da ist, bin ich wieder in der Lage problemlos ein Lächeln hervorzubringen. "Danke." meine ich sogar, während ich die Spiegeleier mit Speck entgegennehme. Dafür ernte ich einen fragwürdigen Blick seinerseits, den ich nicht verstehe. Steif stellt er uns Kaffee hin und setzt sich mir gegenüber in die Sonne. Der Tisch aus einem geschnittenem riesigen Baumstamm protzt nur so mit seinem erdigen Geruch und ich muss leider zugeben, dass dieser Moment perfekt ist. Keine nervigen Geräusche. Höchstens Vogelgesang und das Zirpen einiger Insekten.
Und dann dieser Ausblick. Und diesmal rede ich nicht von der Natur. Nein, ich meine den Typen vor mir, der sich mit beiden Unterarmen auf dem Tisch abstützt und sein Essen konzentriert ansieht. Die Sonne lässt seine sonst so dunklen Haare wie glänzendes dunkles Harz aussehen. Und es legt sich nicht nur Schatten über seine perfekten Gesichtskonturen, sondern auch noch über den Tisch, der von seinen breiten Schultern verursacht wird. Wieso musste es auch ein gottähnlicher Typ sein, der so einen versauten Chtakter bekommen hat? Es muss immer einen Haken geben, was?

Frustriert stochere ich in meinem Essen und versuche mein Bestes, ihn nicht mehr anzustarren. "Seit wann hast du dieses Haus?" frage ich stattdessen kraftlos.
Mit erhobener Braue sieht er leicht auf und kaut zuerst zuende, bevor er antwortet. "Seit 5 Jahren."
"Und wieso?"
Seine Brauen verziehen sich verständnislos. "Einfach so. Manchmal kommt man in Situationen, in denen man untertauchen muss. Außerdem scheint es jetzt auch einen besseren Grund gefunden zu haben."
Mit einem Mal durchstechen mich seine Augen eindringlich und ich weiß, was er damit meint. Also seufze ich und lasse das Essen stehen. "Bram, hör' auf, mich wie eine Gefangene zu betrachten."
"Bist du auch nicht."
"Ach, nein?"
Musternd sieht er in meine Augen ohne auch nur einen Muskel zu bewegen. "Wie würdest du dich denn bezeichnen?" fragt er ruhig.
Holy, was wäre nun das Richtige? Kurz stocken meine Lippen, bei den Worten, die schnell geäußert werden müssen. "Als eine Besucherin auf Dauer." Mit seiner Augenbraue hebt sich auf minimal sein Mundwinkel. Ich bin komplett behindert.
"Ist das so? Hast du bis vor einiger Zeit nicht noch geschrien, dass du von mir weg willst?"

Vor mein inneres Auge werden mir Blitzbilder von den ganzen Situationen aufgeführt und sie enden mit dem letzten innigen Moment zwischen uns beiden, der meine Wangen warm werden lässt. "Das war damals." äußere ich es atemlos und es fällt mir erstaunlich leicht.

Seine Miene wird mit einem Mal ernst. Kein amüsierter Funke in den Augen. Nur pure Begutachtung. Dann bricht er den Blickkontakt einfach ab und isst stumm weiter.
Was mache ich hier nur.


"Man kann hier gut schießen." kommentiert Bram, während er entschieden hat einen Spaziergang im Wald zu machen. Dabei zieht er meinen versteiften Körper einfach mit sich mit.
"Ist hier überhaupt irgendwas? Oder hast du tatsächlich ein Haus in der Einöde?" Grob stapfe ich durch das Laub und versuche größtenteils abgebrochenen Stöckern aus dem Weg zu gehen.
Chucks sind nicht unbedingt die besten Wanderschuhe, aber ich musste schon mit schlechterem auskommen. Einmal habe ich es sogar geschafft mit billigen Turnschuhen einen steinernen Hügel oder eher gesagt Berg hochzuklettern, als ich einfach von Zuhause weg musste. Natürlich hatte ich danach viele Wunden und der Rückweg durch die Straßen war alles andere als angenehm, aber es war dennoch ein befreiendes Gefühl gewesen.
Er blickt über die Schulter zu mir. Nicht so weich, wie heute Morgen. Inspizierend. Habe ich ihn mit irgendetwas aufmerksam gemacht? Wieso ist er auf einmal so vorsichtig? "Es ist eine einzige Einöde. Keiner kommt her. Nicht einmal Jäger oder Sammler. Deshalb habe ich das Haus gekauft, bevor es groß angepriesen wurde. Ich konnte es raussuchen, bevor es für den Kauf öffentlich gestellt wurde." Geil. Mit anderen Worten: Niemand weiß, dass das hier überhaupt existiert. Seufzend sehe ich von seinem Gesicht weg.
"Was ist eigentlich in dem Korb?" frage ich zur Ablenkung.
"Etwas zum entspannen, sobald ich einen guten Platz gefunden habe." Oh, Junge..

Wir maschieren noch eine Weile durch die pralle Sonne, bis er einen flachen Platz findet, der von Felsen beschattet wird und fängt an, eine dunkelrote Decke aus dem geflochtenen Korb zu nehmen und setzt sich auf diese, sobald sie ausgebreitet abgelegt wurde. Mit intensiven Blick auf mir, klopft er neben sich und ich gehorche sofort. Die Sonne scheint einem alle Kräfte zu nehmen. "Hier gibt es also keinen See zum abkühlen?" lehne ich mich gegen die bröklige Felswand.
"Leider nicht. Erst einige Kilometer weiter." hat er den Rücken zu mir, während er sich wieder dem Korb zuwendet. "Ich hätte gerne einen Pool an der Hütte, aber - wie gesagt - dafür kommt niemand her. Der würde eingehen." brummt er und reicht mir eine kleine Wasserflasche.
"Hast du noch andere Häuser von denen ich nichts weiß?" Das kühle Wasser in meiner Kehle fühlt sich, wie eine Segnung an.
"Nur eins in Californien." sieht er mich mit angewinkelten Knie an, um welches er die Arme legt, "Aber ich plane, mehr zu kaufen. Welche, die nicht meinem Dad gehören."
Ah, genau. Das Immobiliengeschäft.

Es bleibt eine Zeit lang still, bis meine Geduld platzt. "Wie geht es Maddy?" Stocksteif beobachte ich ihn aus dem Augenwinkel, doch er regt sich nicht.
"Ganz gut." brummt er und lehnt sich auch gegen die Felswand.
Es ist Erleichterung, die sich in mir breit macht. Ich weiß nicht wieso. Eigentlich gibt es keinen Grund sich mehr Sorgen um Maddy zu machen, als um mich, aber dennoch tue ich es. Ich habe nichts mehr von ihr gehört. "Weißt du, was sie zurzeit macht?" Natürlich weiß er es, Willow.
Er zuckt die Schultern. "Reisen. Feiern. Sie interessiert mich nicht." Angestachelt blitze ich ihn an. "Aber sie verschwendet wohl keinen Gedanken an dich."
"Woher willst du das wissen?" Ungläubig sehe ich zu seinem Profil, dass in die Baumkronen starrt.
Kurz lässt er sich Zeit und schluckt, bevor er antwortet. "Sie hat dir seit einem Monat nicht mehr geschrieben. Gar nichts."
"Das kann nicht sein, sie fragt sonst immer, ob alles gut ist oder-" "Tja, diesmal nicht." sieht er mich direkt an. Sein Blick wirkt stramm aber sicher. Er muss die Wahrheit sagen und es lässt etwas in mir auslösen, dass sich tief in mein Inneres frist. Niemals würde Maddy den Kontakt mit mir abbrechen. Selbst wenn sie beschäftigt oder mitten in einer Feier war hat sie mir immer geschrieben.
"Du hast ihr bestimmt etwas geschrieben, dass sie verärgert hat."
"Ich hatte es vor," wendet er den Blick ab, "Aber dazu brauchte es nicht kommen. Sie hat von selbst irgendwann nicht auf meine Nachrichten geantwortet. Und sie scheint wirklich glücklich zu sein. Jedenfalls wirkt es so auf ihren Urlaubsbildern."

Zerrissen sehe ich wieder in den Wald vor uns. Das kann nicht sein. Sie würde nie so handeln.
"Mach' dir darüber keine zu großen Gedanken. Sie ist es nicht Wert. Wir haben uns." legt er einen Arm um mich, doch ich drehe mich mit erhobenem Zeigefinger zu ihm. "Wage es nicht sowas zu sagen!" zische ich und er mustert mich einen Moment, bevor er seufzt und mich wieder an sich zieht. "Du hast dich doch bloß hinter ihr versteckt und sie mochte das Gefühl einen Anhänger in ihrer Kollektion zu haben." brummt seine Stimme durch seine Brust direkt in mein Ohr, dass an ihn gepresst wird. Sein Körper wirkt auf einmal wohlig weich.
"Das stimmt nicht." sage ich leise und kann den Kopf nicht abschalten. Seine Worte haben etwas in mir kaputt gemacht.

"Hier trink." meint er irgendwann und reicht mir meine Flasche. Mit schwachen Gliedern nehme ich es entgegen und verspüre kein Bedürfnis meinen Kopf von ihm zu nehmen. Ich fühle mich wie benommen.
Kraftlos öffne ich sie und meine noch patzig: "Es wäre schön, wären wir an den See und nicht hier her gefahren." Da wären bestimmt Menschen gewesen.
Ich nehme schon den ersten Schluck, als es plötzlich eiskalt über mich läuft. Hellwach quiecke ich auf und lehne mich von Bram weg, während ich auf mein nasses Crop Top schaue. "Sag mal spinnst du?" piepse ich erschrocken und reibe dagegen, aber es bringt nichts. Dafür lacht er sich einen ab und verschließt seine nun fast leere Wasserflasche.
"Du wolltest doch Abkühlung."
Wütend funkel ich ihn an und reibe noch etwas am Wasserfleck, bis ich es aufgebe und mich wieder an den Fels lehne. "Du bist ein Arsch." murmle ich nur.
"Aber dein Arsch." witzelt er.
Mit verzerrtem Gesicht sehe ich weiterhin zu den Baumkronen. "Hör' auf."


I'll get youNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ