Veränderung

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"Du hast hier kein Mitspracherecht." knurrt Bram schon fast, während wir im Wohnzimmer stehen und ich die Arme demonstrativ zu den Seiten ausgestreckt habe.
"Wieso? Ich will doch nur endlich mal frische Luft schnappen." entgegne ich scharf.
Er war es doch, der meinte, dass er das Beste für mich will. Das ist nun einige Tage her, aber Bram verhält sich schon, wie der Alte. Vollkommen sein miesepetriger verhasster Charakter, der auf unserer Universität gefürchtet wurde. Aber ich verspüre ihm gegenüber einen Mum, der sich nicht erklären lässt. Ich will mich eigentlich schon streiten.

"Ich habe dir gesagt: Nein. Und dabei bleibt es auch." funkelt er mich verärgert an. Der bewöklte Himmel strahlt ihn durch die Glaswand blass an, was seine groben Gesichtskonturen betont.
Einen Moment entgegne ich seinen Blick mit tobenden Gefühle und warte, dass er weich wird, doch nichts.
Abwinkend wende ich mich ab. "Vergiss es. Ich gehe in mein Zimmer." murmle ich und steige mit schnellen Hüpfern die weiße Treppe hinauf.
"Willow, bleib stehen. Ich habe es dir nicht erlaubt." herrscht mich seine Stimme dunkel an, doch ich schüttle nicht begreifend den Kopf und knalle die Tür teilweise zu, sobald ich in meinem Zimmer bin. Ich hasse ihn.

Angepisst lasse ich mich mit dem Rücken auf mein Bett fallen und starre die Decke an, während ich hoffe, dass er mir nicht folgt. Er hat mir schon lange nicht mehr weh getan, aber seine Taten von damals sind noch teilweise in meinen Erinnerungen verankert. Auch wenn ich nicht mehr erwarte, dass er mich bei dem kleinsten Fehler gleich schlagen wird.
Und es passiert auch nichts.

Und zwar absolut nichts. Ich werde alleine in meinem Zimmer gelassen, bis ich schon unter später Nachmittagssonne von meinem Nintendo aufblicke. Kurz schmerzen meine Augen und ich sehe zur Tür, die immer noch unverschlossen ist. Es müssen Wochen gewesen sein, seit sie das letzte Mal abgeschlossen worden ist. Rufus hat recht. Bram tut mir vertrauen. Und ich merke, wie er es immer mehr tut, also muss ich ja etwas richtig machen. Deshalb hatte ich eigentlich auch gehofft, dass er meiner Bitte heute rauszugehen nachgehen würde, aber er hat sich sofort verschlossen. Dieser Typ ist so anstrengend..

Irgendwann wird mir das Zimmer wieder zu beengend, weshalb ich unbedacht einfach entscheide, zur Tür zu gehen und sie einen spaltweit öffne. Zwar hämmert mein Herz ängstlich, aber es ist besser, als das Herzklopfen einer Panikattacke.
"-nichts damit zu tun!" höre ich sofort eine laute Stimme.
Ich erkenne sofort, dass sie Bram gehört und halte inne, da sie sich keines Wegs freundlich anhört. "Wenn dieser Bastard denkt, er kann damit davonkommen, dann beweisen wir es ihm, dass es anders ist. Verstanden? Der darf damit nicht davonkommen, Lennard!" presst seine Stimme wütend.
Lennard? Sofort habe ich das selbstverliebte Grinsen des blonden Kumpels von Bram vorm inneren Auge. Immer eher scherzhaft wirkend, doch Brams Worte, die anscheinend über ein Telephonat ausgesprochen werden, machen mich stutzig.
"Okay, kannst du einen besorgen?" fährt er deutlich ruhiger fort, nachdem Lennard scheinbar etwas erklärt hat. Dennoch klingt er kühl und unheimlich. Und trotzdem öffne ich meine Tür komplett und lausche an der Türschwelle, die ich nicht zu übertreten wage. Er scheint in dem Zimmer den Flur runter zu sein und obwohl jetzt die Möglichkeit besteht, einfach runter und zum Ausgang zu spazieren, stocke ich. Mir wird klar, wie wenig ich über alles Bescheid weiß. Ich will nichts riskieren und muss an den Fakt denken, dass hier Kameras sein könnten. Vielleicht sieht er gerade auch alles von dem Zimmer aus und wenn das wahr ist, bleibe ich lieber wo ich bin. Aber mir fällt etwas anderes ein. Ich muss nur ein wenig auf unschuldig spielen.
"Dann kontaktiere Husher und lass ihn diesmal im Hintergrund mitspielen. Für diese Sache ist er zu wichtig für uns. Sobald das geregelt ist bringe ich die ganzen Formulare vorbei und wir regeln das ein für alle Mal."
Mit weichen Beinen trete ich ehrfürchtig über die Schwelle und habe Mühe, überhaupt an etwas zu denken, während ich den Flur hinuntergehe. Die zweite Tür steht offen und von dort kommt auch seine Stimme. "Ach, und sag Kenneth, dass er seine Geschäftstaktik bei mir nicht so einfach ziehen lassen kann. Der denkt auch, er kann alles nach seinen Regeln spielen lassen."
Während am anderen Ende wohl wieder etwas gesagt wird, komme ich der Tür näher. Tief ein und aus atmen, Willow. Ich kann mir nicht einmal seine mögliche Reaktion ausmalen, wenn er mich hier sieht. "Dann sag ihm ich breche es ab, wenn er es nicht kapiert!" knurrt er und ich luge vorsichtig in das Zimmer hinein. Es ist ein eher kleines Zimmer mit einer Glaswand auf der anderen Seite. Hier steht nur eine Kommode und ein Regal an den hellgrauen Wänden. Sonst ist da nur Bram, der an einem edlen Glasschreibtisch sitzt und auf den Applecomputer starrt, während er das Handy mit wütend verkrümmten Gesicht ans Ohr hält.

Eingeschüchtert trete ich unter die Türschwelle und lasse ihn keines Wegs aus den Augen. Ich will seine Reaktion genau sehen.
"Okay, egal. Mach es einfach. Er ist dein Partner. Sag Bescheid, wenn das mit Husher geregelt ist. Diesmal will ich dabei sein, wenn wir das regeln. Hol dir ruhig Hilfe von-" er hält inne, sobald seine dunklen Augen aufblicken und er mich sieht. Sofort verschließen sich jegliche Türen in ihm und presst die Lippen zusammen, während er mich ernst mustert. "Hol dir ruhig Hilfe von Rufus. Ich muss auflegen." brummt seine Stimme deutlich dunkler und selbst als er auflegt und das Handy auf den Tisch legt, sieht er nicht weg von meinen Augen. "Was machst du hier?" fragt er gedeckt, doch dunkel genug, um mir einen Schauer über den Rücken zu jagen.
Sofort versuche ich zerbrechlich auszusehen und spiele nervös mit den Fingern. "Ich..Ich wollte nach dir sehen. Ist..alles gut?" Wow, ich bin selbst erstaunt, wie überzeugend unschuldig meine Stimme klingt.

Dennoch sieht er mich einen Moment nur unberührt an, bevor er tief durchatmet. "Geh zurück in dein Zimmer." brummt er nur geduldig.
Scheiße, so darf das nicht enden. Also verziehe ich das Gesicht, als würden mich seine Worte schmerzen, und spiele noch nervöser mit den Fingern. "Ich wollte nur nach dir sehen. Du scheinst gestresst zu sein." Sein Blick durchlöchert mich mit einem Mal und nun spiele ich die Nervosität tatsächlich nicht nur vor.
"Ach, ja?" entgegnet er kühl, "Und das nachdem du trotz meine Worte einfach abgehauen bist?"
Verdammt. Sein Blick wird sofort kalt. Mir war bewusst, dass ich damit heute Morgen einen Fehler gemacht habe. "Ja, ich..." unfähig etwas zum sagen zu finden sehe ich von seinen Augen weg.
"Du willst nichts dazu sagen?"
Ich halte den Atem an und sehe ehrfürchtig wieder in seine Augen. Ich weiß, was er von mir erwartet. Mir will das Wort "Nein." sofort aus der Zunge schießen, doch ich beiße auf sie, weil das gar keine gute Antwort wäre. Ich hatte gehofft, dass ich das nicht tun muss, aber ich merke, wie sehr mir hier eigentlich die Hände gebunden sind. "Ich-...Es tut mir Leid." sage ich leise und muss einen Kotzreiz unterdrücken. Oh Gott, wie sehr ich es hasse, dass er die Oberhand hat. Warum muss er auch so gefasst sein? Warum kann er nicht dumm und naiv sein, wie die meisten Typen?

Er legt den Kopf schief und mustert mich, bevor er stumm aufsteht und um den Tisch geht, um sich vor mich zu stellen. Sein Blick versucht mir dabei wieder in die Seele zu sehen, doch ich glaube, ich verstecke sie relativ gut vor ihm, denn nach kurzem mustern scheint er nichts in mir gefunden zu haben, dass mein Schauspiel hätte auffliegen lassen können.
Dabei flattert etwas schwach, aber einnehmend, in meiner Brust auf, als ich zu ihm aufsehe und seine breiten Schultern mir jegliche Sicht in das Büro versperren.
Sein schwarzes Shirt spannt sich über seine Muskeln, als er die Arme hebt und sobald seine großen Hände sich über meine nackten Oberarme legen, spüre ich einen leichten Stromschlag von ihnen, dass alles in mir aufzittert. Und sein durchdringlicher Blick dazu lässt mich in eine Trance verfallen, dass ich kurzzeitig mein Spiel vergesse. Auch in seinen Augen verändert sich etwas und als er anfängt meine Oberarme rauf und runter zu streichen, wird es stärker. "Was tut dir Leid?" raunt er weicher und ich öffne träge die Lippen.

Die Antwort, die er hören will, kommt mir schwerlos über die Lippen. "Es tut mir Leid, dass ich vorhin einfach abgehauen bin. Es war falsch."
Unter seinem Blick hebt sich kurz sein rechter Mundwinkel und seine Hände stoppen, um die Daumen auf meiner Haut kreisen zu lassen, was mir eine Gänsehaut bereitet. Dann lehnt er sich vor, um mir behutsam einen Kuss auf die Stirn zu legen. "Gut." murmelt er leise, "Ich verzeihe dir."

Einen Moment stehen wir noch da, bis er sich vollkommen entspannt und vorschlägt, gemeinsam Sushi zu essen.
Ich weiß nicht, was in diesem Moment passiert ist, aber es hat sich wieder etwas zwischen uns verändert. Oder eher in mir.

I'll get youWhere stories live. Discover now