Ablenkungsbeginn

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Die Zeit vergeht und mit den Tagen scheint Bram keine Aggressionen zu besitzen. Er ist dauerhaft in guter Laune und versucht nebenbei kleine Aktivitäten zu unternehmen, die mich insgeheim von meinen erdrückenden Gedanken ablenken.
Inzwischen spielen wir die verschiedensten Brett- und Kartenspiele, weil ich nach etwas anderem als Schach gebeten habe und obwohl mich seine Präsenz einschüchtert und immer auf der Hut lässt, macht es ein wenig Spaß mit ihm zu spielen. Auch wenn er die meisten Kartenspiele gewinnt.

Und doch muss er ab einem gewissen Punkt gehen. Laut ihm "arbeiten". Und obwohl ich erleichtert ausatmen kann, wenn er geht, bin ich sofort angespannt, weil mir dieses Zimmer unbehagen bereitet.
Doch heute kommt etwas, dass mich wachrüttelt. "Hast du Lust, heute Abend wieder etwas außerhalb dieses Zimmers zu unternehmen?"
"Was denn?" frage ich hoffnungsvoll. Ich durfte dieses Zimmer wieder kaum verlassen, seit unserem gemeinsamen Frühstück, was schon bestimmt über eine Woche her ist.
"Geheimnis." grinst er schief, "Aber etwas entspannendes."

Damit lässt er mich alleine.
Huh. Etwas entspannendes. Obwohl sich bei mir einige Alarmglocken melden und versuchen, mein Misstrauen zu wecken, ignoriere ich sie. Hauptsache ich kann dieses Zimmer verlassen. Egal, wie oft Bram manchmal herkommt und mich teilweise vergessen lässt, wie beengt ich mich hier fühle, reicht es nicht aus. Ich nutze jede Gelegenheit, hier rauszukommen.
Dabei fällt mir auf, dass ich Rufus seit langem nicht gesehen habe. Nur einmal, um nach mir zu sehen. Und nur kurz. Ich kann nicht sagen, dass ich ihn vermisse, aber irgendwie fühle ich mich sicherer, wenn er in der Nähe ist. Er kann mich wenigstens vor Bram ein wenig beschützen. Oder jedenfalls besser, als ich es alleine könnte.


Die Zeit vergeht heute schleppend. Ich kann nur im Bett liegen und aus dem Fenster beobachten, wie die Sonne ein immer intensiver werdendes Orange aufweist. Es ist zu merken, wie von diesen ergeignisslosen Stunden, mein Körper anfängt immer eher müde zu sein. Er hat nichts zu tun, also fährt er herunter.
Jedoch dauert es nicht lange, bis das Schloss in meinem Zimmer aufgeschlossen wird und Bram sanft Lächelnd im Türrahmen steht. "Bereit?"
Stumm und mit erhöhtem Puls winde ich mich aus den Laken und trete in Jogginghose an. Als ich vor ihm stehe, streckt er mir plötzlich seine Hand einladend entgegen und ich starre sie einen Moment ruhig an, bevor ich seinen wachsamen Blick entgegne.
"Die Bedingung gilt immer noch." meint er, ohne auch einen Hauch verärgert zu wirken.
Würde in meinem Leben zurzeit viel passieren, würde ich schon längst nicht verstehen, was er mein, doch weil das nicht der Fall ist, erinnere ich mich, als er bei unserem 'Snack' schon diese Bedingung genannt hatte.

Noch widerstrebig, sehe ich ihn an und spüre, wie mein Herz sich zusammenzieht, sobald ich seine große Hand vor mir ansehe, doch lege meine auf seine, weil mir klar ist, dass ich sowieso keine Wahl habe. Entweder verotte ich hier oder habe Abwechslung durch Bram.
Seine warmen Finger schieben sich sofort zwischen meine und er führt mit behutsam aus dem Zimmer.

Die untergehende Sonne scheint darauf sachte in den offenen Wohnbereich und ich kann mich nicht erinnern, wann ich Manhatten so schön gesehen habe. Vorallem mit so weitem und hohen Ausblick.
Ich werde die Treppe hinuntergeführt und darauf an ihr vorbei, wie zum einen Bad das letzte Mal, doch diesmal biegen wir unter der riesigen Treppe nach rechts ein.
Es ist ein Flur mit einem dünnen bodenlangen Fenster an seinem Ende. Die linke Seite im Flur besitzt nach der Badezimmertür zwei weitere und rechts nur eine. Und genau die rechte steuert er an.

Aufgeregt, endlich mehr von diesem Apartment zu sehen, versuche ich über seine Schulter zu blicken und als er die weiße dicke Tür öffnet, bleibt alles in meinem Körper still.
"Willkommen in dem Kinozimmer, dass ich mal erwähnt hatte." kommentiert Bram dazu, als wir einen Schritt hinein tätigen und ich mich erst einmal mit großen Augen umsehen muss.
Es ist nicht die große Leinwand auf der linken Seite, die einem sofort ins Augen springt, sondern die vielen beigen Couchen, Sessel und Kissen die davor aufgereiht wurden. Und die gedimmten Lichter, lassen alles warm und gemütlich wirken. "Wie findest du es?" fragt er, doch ich beobachte die vielen Sitzmöglichkeiten, während ich unsere ineinander verhakten Hände versuche zu ignorieren.
"Cool" kann ich nur heiser kärchzen.

"Hatte ich mir gedacht. Ich hatte es dir ja schon damals zeigen wollen, aber du hast mein Angebot in der Videothek ja eiskalt abgelehnt." brummt er plötzlich dunkel und verpasst mir einen kühlen Schauer.
Stimmt. Und es lässt mich wieder bedenken, was gewesen wäre, wäre ich damals auf ihn eingegangen. Hätte er mich hier hineingeführt, und schon damals nie wieder rausgelassen? Oder wäre alles super verlaufen, ich hätte Spaß und wäre jetzt noch frei? Ich werde es wohl nie wissen.
Außer ich frage ihn direkt, aber das wird nicht passieren. Ich habe vor seiner Antwort Angst. Vielleicht erfahre ich dann, dass ich tatsächlich nie eine Wahl hatte.

Jegliches Gefühl verlässt meinen Körper und zittere minimal, doch werde trotzdem von Bram stumm zu den vorderen Plätzen geführt.

"Dieses Zimmer habe ich extra einbauen lassen, nachdem ich hier eingezogen war. Es war einer meiner größten Wünsche."
Auf die gereihten bauschigen Sessel mit langer Beinlehne werde ich von ihm mit einem Schwung darauf gesetzt. Er jedoch geht zur Leinwand und entnimmt aus dem eingebauten Regal darunter eine Fernbedienung. "Was war es denn davor?" Sobald ich das äußere fühle ich mich bescheuert. Zum einen, weil ich kein Interesse an Bram haben will. Zum anderen, weil beim Einzug doch eh nichts steht.
Dennoch erweckt sein starker Blick darauf, mein Unbehagen.
"Ein Malzimmer."

I'll get youWhere stories live. Discover now