Glatteis

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Wie erwartet ist Willow ausgeflippt. Ich bin doch länger bei ihr geblieben und als ihr Gehirn nicht mehr von der Droge eingelullt war und sie klare Gedanken fassen konnte, wurde sie stocksteif, bevor sie sich panisch von mir weggestoßen hat. Ihr Blick dabei tat weh, aber ich habe mich trotzdem dazu gebracht, sie anzulächeln, bis sie mich hysterisch aus dem Raum geworfen hat.

Sie hatte nicht einmal das Frühstück entgegen genommen, sondern gewartet, bis ich es zur Seite abstellte und sie wieder alleine ließ.

Seufzend fahre ich mir durch die Haare und beschließe unten ein Bad zu nehmen, dass mich einfach nur von allem runterkommen lassen soll. Wahrscheinlich wäre es besser, wenn sich Rufus vorerst um sie kümmert. Natürlich wird er fragen stellen, aber ich glaube diese Sache sollte ich für mich behalten.
Mich in das heiße Wasser sinken lassend atme ich tief aus und lasse meinen Körper endlich entspannen. Mir wollen die Ereignisse der Nacht nicht aus dem Kopf gehen. Es war so...so erfüllend. Noch nie hat mich jemand so fühlen lassen und ich frage mich, wie es sein würde, wenn sie sich mir komplett öffnen würde.
Gedankenverloren kreist mein Finger auf dem Rand der Wanne, die sie sicherlich auch dort berührt hatte. Sie wird niemandem gehören. Das würde ich nie zulassen.


Sobald ich aus dem Bad bin schreibe ich Rufus, der innerhalb weniger Minuten rüberkommt und mich Kaffee machend in der Küche abfängt. "Brauchen sie Hilfe bei Willow?" fragt er sofort und faltet die Hände vor sich.
In Ruhe gieße ich mir ein, bevor ich mich zu ihm wende. "Ja, hast du die nächsten Tage Zeit?"
"Einigermaßen. Ihr Vater wird vorerst von Zuhause aus arbeiten." Perfekt.
"Dann wäre es gut, wenn du sie ein bisschen unterstützt. Ich habe einen kleinen Plan, weil ich gewisse Vermutungen hege." Seine Mundwinkel zucken, als ich von der Tasse trinke. Oh, ja das wird ein kleines Entertainmentprogramm für uns sein, Rufus. Die nächsten Wochen können wir uns ein wenig Spaß erlauben.


Willow pov.

Mein Gehirn lässt sich schon den ganzen Tag nicht abschalten. Etwas zu abartiges ist passiert, als dass es mich in Ruhe lassen könnte. Ich kann es auch jetzt nicht wirklich realisieren.
An viel erinnere ich mich nicht, aber an genug, dass ich weiß, was wir getan haben.
Obwohl ich am liebsten nur weinen würde, weigert sich mein Körper. Er erzählt mir etwas anderes, als mein logischer Verstand und meint, dass es gar nicht so schlimm ist. Aber das ist es, weil es durch Brams Manipulation passiert ist. So wie ich drauf war, war das definitv nicht vollkommen mein eigener Entschluss und ich möchte ihm den Hals dafür umdrehen.
Dabei habe ich mir zuvor immer wieder einreden müssen, dass ich nichts von Bram will. Das ich ihn nie wieder an mich ranlassen werde.
Verzweifelt vergrabe ich mein Gesicht in meinen Händen, das bei den bloßen Erinnerungen heiß wird.
Das schlimmste an allem ist, dass ich nicht weiß, ob ich es wirklich so sehr verachte, wie ich mir einzureden versuche.
Ist es. Etwas anderes darf ich nicht denken. Es war schlimm.
Und doch windet sich alles in mir. Ich weiß erneut nicht weiter und es zerrt so sehr an meinen Kräften, dass meine Verzweiflung immer größer wird. Ich wünschte Maddy wäre hier. Ich will mich in den Arm nehmen lassen und dass all das hier aufhört. Sie soll Bram bloßstellen und sich für mich einsetzen.

Die Tür gibt wieder Geräusche von sich und ich spanne mich augenblicklich an. Doch als ich Rufus sehe, atme ich erleichtert aus, auch wenn sich mein Zorn nicht vom steigern aufhalten lässt.
Misstrauisch sehe ich zu, wie er zu mir ans Bett kommt und mir eine Tasse anbietet. Der starke Kaffeegeruch verbreitet sich sofort. Seine Augen wirken schwarz, aber nichts beunruhigendes ist aus ihnen zu lesen, weshalb ich es ihm vorsichtig abnehme und die Wärme genieße, die davon ausgeht.
"Kann ich dir noch etwas anderes geben? Einen Fruchtteller, Nüsse, Wärmeflasche?" ertönt seine dunkle Stimme, die einem Angst verleiht.
Einen Moment überlege ich. Früchte wären jetzt nice. Genauso wie eine Wärmeflasche, weil Bram es wohl ganz schön übertrieben hat und mein Intimbereich ein wenig wund ist. Doch ich schüttle stumm den Kopf. Ich traue Rufus nicht. Erst recht, weil er das alles hier zulässt. Er weiß auch bestimmt, was der Arsch mir gestern angetan hat und es irritiert mich noch mehr.
"Geht es dir gut?"
Mit erhöhter Braue schaue ich wieder zu ihm auf. Er ist so emotionslos wie immer, aber scheint das wirklich gefragt zu haben, während er mich beobachtet. Angepisst sehe ich weg und versuche mich von dem rauchenden Schornstein auf dem Gebäude gegenüber abzulenken.

Er merkt, dass nichts von mir kommt, doch statt zu gehen setzt er sich sogar neben mich und meine Augen werden groß, bevor ich automatisch wegrutsche. "Was hat er diesmal gemacht?"

Seine Augen sind auf die Wand gegenüber gerichtet, als er fragt. Also weiß er es doch nicht? Grübelnd beobachte ich sein kaltes Profil, dass seine strenge nicht verliert, aber er ist sogar schwieriger zu lesen, als Bram, weshalb ich es aufgebe.
Einen Moment kämpfe ich echt gegen den Drang an es ihm zu erzählen. Ihm zu verraten, was er mir antut. Vielleicht würde er dann endlich was dagegen tun. Doch es kommt nichts. Ich bin zu misstrauisch, als das ich mit ihm darüber sprechen könnte. Und es ist meine Stille, die eine unbehagliche Atmosphäre auslöst.


Irgendwann atmet er tief aus, ohne, dass ich ihn nochmal ansehen will und stumm meinen Kaffee trinke, der mir Trost spendet. "Weißt du, Bram ist anders. Er war schon immer eher distant zu Dingen und wusste nie, wie er sich bestimmten Situationen stellen sollte." Verwirrt von seinem plötzlichen Themawechsel verziehe ich die Brauen. "Er kann sich gut hinstellen. Das meine ich nicht. Er leistet immer gute Arbeit. Aber schon seit er Klein war, hatte er Probleme damit, seine Gefühle in schach zu halten. Vor allem seine Wut." brummt er. Wie gerne ich ihm da zustimmen würde. Jeder kennt Bram größtenteils wegen seiner Ausraster.
Sekunden vergehen, bevor er weiter redet. "Aber es war klar, dass er in Wirklichkeit was in sich hat, dass trotz der fehlenden Liebe seiner Eltern, dageblieben ist. Und bei dir scheint es sich zeigen zu wollen."
Total durcheinander sehe ich ihn doch an und bin beruhigt, als ich seinem angsteinflößenden Blick nicht begegne. Was will er mir damit sagen?

"Jedenfalls," richtet er seinen buffigen Körper auf, der anscheinend nie seinen schwarzen Anzug verlässt, "Sollte etwas sein kommst du damit zu mir. Ihr scheint euch gerade ganz schön auf Glatteis zu befinden, weshalb ich vorerst nach dir sehen werde. Also sei nicht scheu und sag, wenn du etwas brauchst."
Perplex sehe ich zu, wie er den Raum verlässt und erst, als mich wieder die zum verrückt werdende Stille umhüllt, fällt mir auf, dass er mich gedu'tzt hat.

I'll get youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt