Ratlos

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Ich kann nicht fassen, dass ich nun umsonst in der Küche stehe. Wenn ich mich hier nicht alleine aufhalten darf, dann wieso sollte ich hier sein?
Aber okay, ein wenig kochlieb bin ich. Nur dass ich es in meinem Zuhause und auch im Studium nie wirklich auskosten konnte. Das bringt mich zu einem anderen Punkt: "Ich kann nicht kochen."

Mit den Händen zurückhaltend hinter dem Rücken sehe ich Bram an, der mich gespannt beobachtet, während er an der Kücheninsel lehnt.
Sein Gesicht ist seit unserem Umzug emotionslos und wirkt auch allmählich streng. Und zu meinem Kommentar hebt er müde die Augenbrauen. "Ich bezweifle, dass das schlimm sein sollte. Wenn etwas schiefgeht, können wir jederzeit auch Spiegelei machen." murmelt er und gähnt, bevor er sich mit den Ellenbogen auf der Kücheninsel abstützt und sein Kinn dabei hält. Na toll.

Es entsteht eine peinliche Stille, während ich alles verloren ansehe, bis ich mich entscheide den zweitürigen Kühlschrank zu öffnen, der randvoll ist.
Überfordert schaue ich alles an und kämpfe mit meiner Unlust für jemanden wie Bram zu kochen, als ein tiefer Seufzer ertönt und mir die Türen wieder geschlossen werden.
"Ich habe da so ein Ding, wo du gerne reinschauen kannst, wenn du nicht weißt, was du tun sollst." erklärt er im ruhigen Ton und entnimmt etwas weiter von der Wand einen Display, der wie ein Tablet geformt ist. Müde scrollt er durch das Ding, während er sich vor mich stellt. "Hier kannst du auf viele Kochbücher zugreifen und dir alle möglichen rezepte raussuchen." und überreicht mir das Ding schlapp. Mit großen Augen betrachte ich es und bin versteift, aus Angst, dass ich es fallen lassen könnte. Ich kann mich nicht erinnern, je etwas so teures gehalten zu haben.
"Ist das eine neumodische Art von Tablett?" betätige ich es vorsichtig mit dem Zeigefinger.
Ihm entfährt ein dunkles Brummen, was mir einen Schauer verpasst. "Naja. Es ist ein Multitablett, wenn du es so nennen willst. Ich verwende es größtenteils um Funktionen, wie Raumtemperatur, Lichter und Sicherheitskameras anzusehen." Beim letzten gefriert mir das Blut.
"Du hast hier Kameras installiert?" und sehe zu ihm auf. Seine braunen Augen wirken leer, doch er sieht mich nicht an.
"Wer weiß." Scheiße. "Kennst du das Ding?" zeigt er auf eine metallische Box mit Display auf der einen Arbeitsfläche.
"Eine Teigrührmaschine?"
"Nein, fast. Das nennst sich Thermomix. Es rührt dir den Teig, aber macht auch Cocktails, schreddert, kocht, was auch immer. Ich nutze es selten. Meine Mom-" abrupt bricht er ab und ich sehe ihn mit erhöhter Braue an. "Es besitzt auch bis zu 5000 Rezepte. Mach es an und es macht sogar alles. Es muss lediglich alles eingefügt werden. Verstanden?"
Eigentlich nicht komplett, aber ich nicke trotzdem. Ich will eigentlich, dass er den Satz mit seiner Mom beendet, aber er bleibt stumm. Er sieht mich nur einen Moment an und ich kann nicht sagen, was in ihm vorgeht. Dann bückt er sich vor und gibt mir einen kurzen Kuss auf den Mund, der mich wieder aus dem Konzept bringt. "Dann probiere dich einfach aus. Ich vertraue dir einfach mal, dass du mit dem Multitablett wirklich bei den Rezepten bleibst." murmelt er noch, während er weggeht.
Bitte was? Stocksteif stehe ich da und beobachte, wie er es sich auf der weißen Couch weiter weg bequem macht, um was an seinem Handy zu machen.

Scheiße. Ich wende mich zu allem, was er mir angeboten hat, doch bin überfordert. Es dauert, bis ich überhaupt ein Rezept finde und noch länger, bis ich mich mit den Arbeitsschritten zurecht finde. Also wenn ich gerade ein Essen für meine hungrige Familie machen sollte, wären wir inzwischen verhungert, doch mit einem Blick zu Bram mittendrin, zeigt, dass er nicht einmal an das Essen denkt. Er hat sich sogar in der Zeit seinen dünnen Laptop geholt, um mit ihm konzentriert zu arbeiten.

Frustriert seufze ich und sehe wieder auf das Multitablett. Was jetzt? Doch es ist etwas anderes, dass mir ins Auge fällt. Es ist ein kleines Quardat in der oberen Leiste und sobald ich darauf tippe, öffnet es mir verschiedene Funktionen, die das Lemon-Pikelets Rezept verdecken. Das sind wahrscheinlich die Funktionen von denen Bram angesprochen hat. Ich finde den Zugang zu den Raumtemperaturen, der Lichter und andere Dinge, die mir jedoch nichts sagen. Zu ängstlich, etwas anzustellen, wenn ich nun nach den Kameras suche, die scheinbar hier installiert sind, erstarre ich kurz und sehe mir das Feld für die Lichter an. Also wenn  ich damit jegliche Lichter in diesem Apartment an und aus machen kann, könnte man sich sicherlich mit einigen Unwissenden einen Spaß erlauben. Neugierig  sehe ich zu Bram, doch er sitzt so konzentriert mit verzogenen Brauen da, dass ich den Gedanken wegwerfe. Wenn ich jetzt die Lichter aus Spaß anmache, wird er sicherlich nicht lachen.

Schnell gehe ich zurück auf das Rezept und sobald ich denke fertig zu sein, stehe ich vor zwei fertigen Tellern an der Kücheninsel und weiß nicht, was ich jetzt tun soll.

Wie lange ist es jetzt her seit ich eine richtige Mahlzeit angefertigt habe? Es müssen Jahre sein. Selbst mit Maddie habe ich höchstens mit Spiegeleiern herumexperimentiert. Und die Pikelets sind definitiv das Beste, was ich je zustande gebracht habe.
Bei der Erinnerung an Maddie werde ich traurig. Ich bin schon zu lange hier. Ich vermisse ihr Gesicht zu sehen, ihre Stimme zu hören und die Art, wie sie mich mit ihren Umarmungen attackiert hatte, wenn ich gerade alleine und depremiert vor mich hin gestarrt habe. Wieder entweicht mir ein Seufzen, während ich betroffen die Augen schließe.

"Bist du fertig?"
Wieder bei mir sehe ich auf, um mitanzusehen, wie Bram seinen Laptop zu Seite legt und aufsteht, um zu mir zu kommen.
Ich zucke nur die Schultern. "Ich glaube schon. Aber ich weiß nicht, wie es schmecken wird."
Neben mir vergräbt er plötzlich seine Hand in meinen Hinterhaaren und lässt sie darauf fest meinen Nacken umgreifen, während er sich das Ergebnis ansieht.
"Sieht nicht schlecht aus. Ein wenig Kaffee und wir können frühstücken. Dankeschön." raunt er ruhig und platziert plötzlich einen Kuss auf meiner Wange, bevor er sich von mir löst und sich der Kaffeemaschine widmet.
Wer ist dieser Bram? Scheiße. Geschockt presse ich die Hand auf den Mund, weil ich nicht verarbeiten kann, dass mein Herz davon schneller pocht, als auch meine Körpertemperatur mit einem Mal aus den Rudern läuft. Mir gefällt nicht, wohin das geht.


I'll get youNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ