Ass im Ärmel

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"Sie werden mich bald suchen." kommt es nur kleinlaut von mir, während es sich anfühlt, als würde auf meiner Lunge eine große Last liegen, die mir das Atmen schwer macht.
Meine Worte kamen wohl underwartet, denn er hebt ungläubig die Brauen und bekommt wieder ein bisschen Leben in den Augen. "Ach ja? Wer denn?"
"Alleine mein Boss. Weil die Schüssel für das Geschäft heute morgen, nicht im Postfach lagen, wird er nach mir suchen und die Polizei alamieren." Der Fakt, der mir vorhin eingefallen ist, lässt mich stärker fühlen. Doch auch jetzt kichert Bram, was mich beunruhigt.
"Mach' dir bloß keine Gedanken. Die ganze Sache ist durchgeplant. Die Schlüssel lagen, wo sie sein sollten und dein ach so toller Boss hat heute Morgen eine Nachricht gesendet, in der er deine Kündigung angenommen hat."

Mit großen Augen starre ich ihn an. "Du hast was?"
Der Schock steht mir ins Gesicht geschrieben und das lässt sein mattes Lächeln zu einem selbstgefälliges Grinsen mutieren. "Er hatte deine kurzfristige Kündigung schweren Herzens bedauert, aber der Krankenschein, der ihn erreicht hat, weil du in einen Unfall gekommen bist, der dich für eine lange Zeit ans Bett fesselt, hat ihn ruhig gestimmt und er wünscht dir alles Gute und eine hervoragende Genesung." Das zufriedene Aufblitzen in seinen Augen reicht nicht zu mir durch. Ich will es generell nicht wahrnehmen, weil es mir ganz schön die Hände fesselt.
"Er wird noch erkennen, dass es eine Fälschung war. Bald." hauche ich verloren.

Er schnauft nur amüsiert und blickt zur Seite, wo die Sachen immer noch auf dem Boden verstreut sind. "Liebste Willow, ich bin reich und beruflich tätig, genug, um verschiedene Kontakte zu besitzen, die mir auch problemlos solche Bescheinigungen aushändigen können." Mit einem schiefen Lächeln sieht er mich wieder an und man sieht ihm an, dass er seinen Triumph auskostet.
Mit wildem Herzen starre ich ihn an. "Maddy wird sich fragen-" "Fragen, wo du bist? Als ob." lacht er dunkel und steckt die Hände lässig in die vorderen Hosentaschen, "Als du endlich geschnappt wurdest, hast du großzügigerweise dein Handy entsperrt fallen gelassen. Es hat dadurch vielleicht einen gerissenen Display, aber du hast mir die Mühe ersparrt, es hacken zu müssen. So konnte ich auf Anhieb deine Chats durchlesen und weiß, was ich tippen muss, um deiner Freundin zu antworten. Du löscht deine alten Chats nie, was?" kichert er noch boshaft und ich spüre die Verzweiflung in mir aufkochen. "Und bevor du jetzt noch mit deiner Familie anfängst: Du hast selbst gesagt, dass ihr euch nicht vermissen werdet und ihr eine kritische Beziehung habt."
Hellwach erstarre ich. "Woher weißt du das?"
"Denkst du, ich habe das komplett alleine gemacht? Sonst wäre das alles nicht so perfekt durchdacht gewesen, Willow. Außerdem sahen die Chats mit deiner Mom sehr...einfach aus. Ihr schreibt im Monatsabstand und auch nur oberflächlich. Mit deinem Bruder hast du sogar seit dem letzten Jahr nicht mehr geschrieben. Wie traurig." provoziert er mich.
Doch ich kann nicht mehr darauf eingehen. Starr gucke ich einen Punkt an und kann nicht fassen, dass ich durch und durch alleine bin. Er hat mir jegliches Handwerk gelegt und mir meine einzigen Hoffnungen genommen. Selbst wenn Maddy misstrauisch werden sollte, würde das erst in Monaten passieren. Bis dahin könnte schon alles passiert sein.
Ich fühle mich leer an. Kraftlos. Und als würde ich in einem tiefen Loch feststecken, aus dem ich gar nicht mehr rauskomme. Was soll ich jetzt machen?

Während ich kaputt dasitze und versuche das Ass im Ärmel zu finden, klettert er zu mir aufs Bett und stoppt nur Zentimeter vor meinem Gesicht, doch ich sehe ihn nicht an. Beobachte nur aus dem Augenwinkel, wie er sich auf den Händen abstützt, während sein Rücken sich wie bei einem Tier buckelt, dass seine Beute genau da hat, wo es sie haben wollte und jetzt mit einem letzten Vorgehen es grundlos einschüchtert. "Willow, hey. Sieh' mich an." höre ich sein Flüstern über mein Gehör lecken. Ich kann nicht glauben, wie machtlos ich in Wirklichkeit bin. Ich dachte, ich kann alles schaffen, aber habe ich mir dabei nur etwas eingeredet? Entkomme ich dem Leben tatsächlich niemals, dass ich vor dem Studium noch hatte und bleibe alleine, verrotte mit der Zeit?
Ich spüre raue Finger an meinem Kinn, die mein Gesicht nach vorne drehen und ich fixiere darauf seine Augen, die mich wachsam beobachten. "Willow..Aber ich bleibe immer. Ich habe es dir schon einmal gesagt und ich sage es wieder: Du bist alles für mich und ich würde dich niemals verlassen." Ich starre ihn nur an und spüre, wie ein bitterer Geschmack sich auf meiner Zunge ausbreitet, während ich das Schmollen versuche zu unterdrücken. "Du hast vielleicht niemanden, aber mich schon. Mit mir bist du nicht einsam. Das würde ich nicht zulassen. Nur bei mir bist du sicher." haucht er ohne den intensiven Augenkontakt zu unterbrechen. Dafür halte ich ihn irgendwann nicht aus, auch wenn seine Worte sonst tröstend gewesen wären. Ich entziehe mich seinen Fingern und drehe mich von ihm weg, um mich zusammengekullert hinzulegen. Das alles ist zu viel für mich.

Ich spüre noch, wie er sich auf dem Bett bewegt und direkt hinter mir stoppt. "Ich liebe dich, Willow." raunt er leise neben meinem Ohr und gibt mir einen Kuss auf die Wange.
Jedoch krümme ich mich dadruch nur noch mehr zusammen und versuche mit letzten Kräften die Tränen zu unterdrücken, während er meine Seite streichelt. "Sollte je was sein, kommst du zu mir." sagt er noch sachte, aber ich ignoriere ihn. "Versuch' vorerst zu essen. Es ist bestimmt schon kalt und wird vorerst das einzige Essen sein, das du heute bekommst."
Wie auf Kommando kann ich mir das klägliche Schluchzen nicht unterdrücken, doch beiße umso mehr auf meine Lippen und presse die Augen fest zu.
Er versucht mich zu trösten, indem er mich streichelt, aber es bringt mir gerade nichts. Es reizt mich sogar, als er meinen Schenkel entlang fährt und wieder rauf und es wiederholt, bis er endlich beschließt, mich alleine zu lassen.


I'll get youWhere stories live. Discover now