Sorgen

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Ab einem gewissen Punkt kann ich nicht mehr still sitzen und zwinge meine schwachen Gliedmaße, uns auf den Fellteppich vor dem Bett rutschen zu lassen. Es dauert, bis ich mit dem umsehen aufhöre, aber dann fange ich an einzelne Scherben in meiner Handfläche zu sammeln und sehe ihn dabei absichtlich nicht an.
Irgendwie will ich nicht, dass er das sauber machen muss, nur weil ich ausgerastet bin. Und ich kann nicht einmal behaupten, dass sich dieses ganze Theater gelohnt hat. Es hat nicht nur eine Unordnung hinterlassen, vor der Bram sich wieder drücken kann, sondern auch seine Wut auf mich unnötig angefacht und bin peinlich berührt, weil Rufus das alles mitbekommen hat.
Dabei war Bram in der perfekten emotionalen Lage, wo ich mich hätte bei ihm einschleimen können. Ich hätte spielen sollen, dass mir die Rosen sehr gefallen haben -ok das haben sie, aber der Fakt, dass sie von Bram waren, hat es versaut-. Ich hätte so sehr schauspielern können, dass er mich aus diesem Zimmer gelassen hätte. Vielleicht sogar aus diesem Gebäude, um mir etwas zu zeigen. Zur Belohnung hätte ich ihn bitten können mit mir shoppen zu gehen. Dann hätte ich im richtigen Moment wegrennen können. Aber wäre er wirklich so dumm und unvorsichtig gewesen? Ich bezweifle es sehr stark. Bram überdenkt doch alles fünf Schritte voraus.
Jedenfalls sind wohl jegliche Chancen mit meinem unbeherrschten Moment vollkommen gewichen, was mich seufzen lässt.

"Hat er sich wirklich auf dich gezwungen, als du nicht bei dir warst?" reißt mich Rufus plötzlich aus den Gedanken.
Mein Kopf schallt zu ihm, aber er sammelt immer noch alles vom Boden auf, ohne mich anzusehen. Dabei spüre ich, wie mein Gesicht heiß wird. Ihm das zu erzählen kommt mir komisch vor. Erst recht, weil ich weiß, was ich tief im inneren dabei wirklich empfunden habe.
Andernfalls könnte es ihn realisieren lassen, wie schlimm Bram sein kann und bekommt Mitleid mit mir. Er könnte es sich ein zweites Mal überlegen, ob er mich hier wirklich alleine lassen möchte. Eine andere Hoffnung - bis auf ihn - habe ich ja inzwischen nicht mehr.
"Er hat mich mit etwas vollgepumpt und das danach ausgenutzt, ja." murmle ich und schmeiße die gesammelten Scherben in die Mülltüte, bevor ich die kaputten Rosen aufhebe. Dabei riskiere ich einen gedeckten Blick auf ihn und hoffe, dass meine Wangen nicht so rot sind, wie sie sich anfühlen. Doch er sieht mich immer noch nicht an.
"Das tut mir Leid." entgegnet er nur.

Nicht wissend, wie ich mich fühlen soll starre ich ihn an. Es ist schwer zu glauben, dass er das gerade gesagt hat. Rufus der Roboter, so hatte er sich mir bei unserer ersten Begegnung eingebrannt. "Das meinst du nicht ernst." höre ich die Worte. Und als ich merke, dass ich diejenige bin, die soeben ihre Gedanken laut ausgesprochen hatte, mache ich große Augen.
Nun sieht er doch zu mir, doch ohne eine Spur von Zorn oder Verachtung. Es ist ein einfacher lungernder Blick, der durch mich hindurch zu sehen scheint und mich veranlasst, nervös auf der Lippe zu kauen.
"Doch tue ich. Er ist zu weit gegangen." ertönt seine tiefe Stimme und klingt aufrichtig.

Etwas in mir schlägt kurz auf und ich hole tief Luft, als ich auch schon seinem Blick nicht standhalten kann. Als würde ich etwas vor ihm verbergen wollen. Doch was?
Tief grübelnd hebe ich die ganzen Stiele auf, bis es mich wie ein Schock erstarren lässt.
Meine wahren Gefühle.
Was? Nein! Das ist doch zu absurd. Es ist mir einfach peinlich. Das ist alles.


"Kann ich noch etwas für dich tun?" fragt er nachdem er stumm vor mir hergewischt hat, um auch das letzte Wasser auf dem Boden zu beseitigen. Alles sieht nun wie zuvor aus. Nur, dass nur noch eine einzelne Vase mit roten Rosen dasteht.
Ich schüttle mit schlechtem Gewissen den Kopf und sehe auf meine Hände hinab. Irgendwie ist es komisch einen Fremden von der Sache zwischen mir und Bram wissen zu lassen. Auch wenn es nicht meine Schuld ist. Aber er könnte echt eine Möglichkeit sein, mich hier rauszuholen. Auch wenn er nichts in der Art zu zeigen scheint.
Er nickt einmal und wendet mir den Rücken zu, während er den nun mit Wasser befüllten Eimer durch die Tür trägt. Bevor er jedoch die Tür schließen kann, halte ich ihn auf.
Mit erhobener Braue sieht er mich an und hat die Tür wieder einen Spalt weit geöffnet. "Eh..Es..tut mir Leid." gebe ich kleinlaut von mir.
Verwirrt ziehen sich seine Brauen zusammen und er dreht sich vollkommen wieder in meine Richtung. "Für was?" Ja genau. Für was? Panisch sehe ich den Boden ab. Ich kann es selbst nicht genau erklären. Es erschien mir richtig.

Also zucke ich einfach die Schultern, als ich ihn wieder ansehe. "Weil du das alles mitmachen musst, glaube ich." sage ich den letzteren Part leise. Einen Moment starrt er mich einfach nur an.
"Gebe ruhig Bescheid, sollte etwas sein. Ich würde versuchen eine Lösung zu finden."
Seine Worte verwirren mich, doch bevor ich fragen kann, was er genau damit meinte, ist er auch schon weg. Lässt mich mit der Stille alleine.
Ich schlucke und merke, wie alles, dass bis eben passiert ist, nun wie ein anrasendes Auto auf mich zufährt und mit voller Wucht in mich kracht. Scheiße. Ich habe einen Fehler begangen, den ich nicht hätte tun dürfen.
Ich lege die Hand erschöpft gegen meine heiße Stirn, hinter der mein Gehirn voller Sorge nicht aufhört zu arbeiten. Es gibt so viele Dinge und zu viele verworrene Wege, die ich nicht ausmachen kann. Ich weiß nicht, welchen ich gehen kann. Welcher mich in meine Freiheit führt. Alles bringt mich durcheinander.

Kaputt falle ich auf den Rücken und fühle mich plötzlich unglaublich geschwächt. Scheiße.

I'll get youWhere stories live. Discover now