Nur Maddy

2K 53 8
                                    

Mein Kopf ist so durcheinander, dass ich nicht einmal den Weg zum Penthouse wahrnehme. Ich kann nur vermuten, dass Bram währenddessen seinen Arm um mich gelegt hat. Ich kann nur glauben, dass ich es sogar war, die den Rufknopf des Fahrstuhls gedrückt hat. Und ich kann nur hoffen, dass mich die letzte Kraft im Fahrstuhl nicht verlassen hat, sodass ich mich in Wirklichkeit nicht an Bram gelehnt habe.
Einfach alles ist verzerrt.
Selbst das eigenartige Gefühl, als ich wieder in dem Penthouse stehe. Wirklich ausmachen, was es ist, kann ich nicht, aber ich stehe einfach nur da und starre um mich, bis die Lichter der Kristalllampen schon helle Flecken in meine Sicht setzen. Das Licht verursacht eine Regung in mir, eine Erinnerung an Mondschein, die mir die Tränen nach all der Zeit wieder in die Augen treibt.

Es sind zwei Arme um mich, die mich aus meinen Gedanken reißen. "Ich habe dich so vermisst." raunt Bram hinter mir und vergräbt das Gesicht in meiner Halsgrube.
Ein elektrischer Schock durchfährt meinen Körper bei der innigen Umarmung. Jedoch kann ich nichts dazu erwidern. Ich bin zu sehr damit beschäftigt mir das verwundetete blutige Fleisch aus Hunters Kopf anzusehen, was wieder meinen Bauch verstimmt.
Abrupt sackt alles in mir ab und ich spüre, wie ich anfange zu wanken. Jetzt habe ich niemanden. Mein größter Verbündeter ist-.. Unter Anstengung schlucke ich schwer und atme tief durch. Und Maddy ist weit weg von meiner Reichweite. Tränen steigen in mir auf und lassen mich mit einem Mal viel mehr spüren, als ich eigentlich will.
All die Emotionen, die sich nicht ordnen wollten und verrückt spielten, zeigen sich mir allmählich klipp und klar und wollen sich auf meinem Gesicht spiegeln. Doch ich unterdrücke sie so gut es geht und atme weiterhin tief durch. Ich darf jetzt nicht zusammenbrechen. Ich will all diese Gefühle nicht wahrhaben. Verdammt, ich brauche Maddy nun mehr denn je.

"Du brauchst Ruhe." raunt Bram weich und dreht mich ein wenig zu sich, um die Hand über meine Wange zu legen.
Die Berührung schmerzt in meiner Brust, doch unter den aufkommenden Tränen kann ich nicht anders, als mich der Verzweiflung hinzugeben und unter verzerrtem Gesicht die Wange enger an seine Hand zu schmiegen. Ich brauche jetzt jemanden und das lässt sich nicht vermeiden.

Ein Schluchzen entfährt mich, was ihn auch die andere Hand heben lässt, um mir die zerstreuten Haare aus dem Gesicht zu streichen und mich ihm näher zu bringen. "Alles wird gut. Ich bin wieder da." meint er weich und streicht seine Nasenspitze sehnsüchtig über meine bis zu miner Wange. Eine Berührung, die tief im meinem Inneren etwas auslöst, ich jedoch nicht wahnehmen kann.

Kurz darauf führt er mich die Treppe hoch, die sich unglaublig steil anfühlt. Doch statt in meinen Kerker, bringt er mich in sein eigenes Schlafzimmer und setzte mich behutsam auf dem Bett ab, um mir Schlafsachen zu holen.
Benommen sehe ich mich um und erkenne die Konsole, die Sitzecke, das Schachspiel, doch kann das alles nicht realisieren.
Mit verschwommener Sicht muss ich wieder an Maddy denken. Ich brauche sie. Ich brauche Hunter.

Als Bram wieder zurück ist fließen Tränen an meinen Wangen hinunter, was ihn sich vor mich knien und sie liebevoll wegstreichen lässt, bis sie versiegen. Dann nimmt er mein Gesicht in die Hände und starrt es eingehend an, als würde er versuchen sich jede Wölbung in meinem Gesicht merken zu wollen.


Es müssen Stunden vergangen sein, bis Bram dachte, ich wäre endlich eingeschlafen und sich leise von mir wegschleicht, um aus dem dunklen Zimmer zu verschwinden.
Dabei hat genau das mich aus meinem schlechten Halbschlaf gebracht und lässt mich mit einem dumpfen Gefühl konfrontieren, dass ich mit starren Augen versuche zu verarbeiten.
Ich höre das Wehklagen in meinem Kopf, spüre, wie es raus will, aber es geht nicht. Ich liege einfach wie versteinert da und starre einen Punkt an, während ich die Unordnung in mir zu sortieren versuche. Jedoch endet es damit, das neue Tränen in mir aufkommen und sich auch nicht zurückhalten lassen, sobald sie stumm auf das Kissen rollen.
Wieder dauert es, bis mich die Erschöpfung einholt und ich nicht einmal die Kraft finde, die Tränen wegzustreichen, bevor ich einschlafe.


Wieder begegne ich mehreren Schatten, die aus der Erde treten, um kraftlos durch die Gegend zu trappen, ohne ein Ziel zu besitzen.
Keines davon beachtet mich. Egal, wie sehr ich schreie, wie wütend ich um mich schlage oder wie verzweifelt ich ihnen entgegenrenne, sie verschwinden beim bloßen Kontakt oder halten ihren gesichtslosen Kopf sturr voraus. Niemand nimmt Kenntnis von mir und es lässt eine unglaubliche Leere in mir aufkommen.

Verzweifelt drehe ich mich zum hundertsten mal in dieser Stadt, spüre unter der Masse eine Panik in mir aufkommen. Dann blicke ich zum ersten Mal in richtige Augen. Grüne Schlangenaugen, die weiter weg einen kurzen Blick auf mich erhaschen, bevor sich die Person abwendet, als hätte sie mich nicht gesehen. Innehaltend erkenne ich das schwarze Haar und sehe mit an, wie er geduckt immer weiter geht. "Theo!" rufe ich aus, doch er hört nicht und verschwindet in eine Gasse zwischen zwei Apartementkomplexen.
Keuchnd folge ich ihm, doch komme in eine Sackgasse, in der nichts von ihm zu sehen ist. Nur ein Zaun hinter dem nichts als Dunkelheit herrscht und wenigen Mülltonnen auf meiner Seite. Ungläubig drehe ich um mich selber, versuche Ruhe zu bewaren, doch will nicht aufgeben, den einzigen Menschen in dieser Stadt der Toten zu suchen.
Es ist eine große Silhouette hinter dem Zaun, die mich erstarren lässt. Der Schatten eines Kollosus dessen trainierter Körper im sachten Mondschein betont wird. Mehrere Sekunden steht er einfach nur mit den Händen in die Seiten gestemmt da, bis ein Paar dunkler Augen aus ihm treten, als würden sie der Hölle entspringen. Auch ein Mund bildet sich beunruhigend schnell auf dem Schwarz der Silhouette aus. "Deine Schuld." zischt es tief und scheint direkt in mein Fleisch einzudringen.
Zusammenzuckend trete ich weg. "Deine Schuld." zischt es plötzlich von den Wänden herab und wird immer lauter.
Mit hektischer Atmung drehe ich mich weg und renne so schnell ich kann zurück auf die Straßen. Sie scheinen mir zu folgen, doch ich halte nicht an und bemerke ein vertrautes rotes Licht, dem ich anfange zu folgen, bis ich weiter weg einen Schriftzug aus Neonlichtern erkenne, die direkt über einem gläsernen Eingang zu einem Geschäft hängen.
Aus den Türen dringt unangenehmes grelles Licht und die Automatik der Türen verursacht, dass sich diese ununterbrochen öffnen und schließen, auch wenn kein Kunde in der Nähe ist.
Dennoch renne ich darauf zu und versuche die beschuldigenden Stimmen loszuwerden.
Nur eine Person steht mit gesenktem Kopf vor diesen Türen. Es scheint ihn nicht zu interessieren, dass sie sich dauernd bewegen. Er lässt den Rücken ihnen zugekehrt sein und hat die Hände in den Hosentaschen, während er eine Kapuze über die Haare gestülpt hat.

Luftringend komme ich vor ihm zum Erhalt und stütze mich an den Knien ab, während ich nicht anders kann, als ihn mit verzerrtem Gesicht zu betrachten.
Er bemerkt mich nicht, aber etwas in mir will es komischerweise. Es will, dass er mich sieht. Und plötzlich erstarre ich unter einem kalten Schauer. "Hunter." will ich sagen, doch meine Lippen bewegen sich, ohne einen Ton zu vollbringen.
Aus den Türen fangen Stimmen und elektirsches Piepen zu kommen, sobald sich die Türen öffnen, doch verstummen, sobald sie sich schließen. Sie lassen mich verkrampfen, während ich sie anstarre und mich von Hunters Präsenz versuche beruhigen zu lassen. Jedoch werden sie bei jedem öffnen lauter und ich wende mich hilfesuchend zu meinem Freund, da ich weiß, er würde mich erneut aus der Unruhe bringen. Mich endlich aus der Hölle zerren.
Doch als seine blass-blauen Augen dabei plötzlich auf mir liegen und erschreckend weit auf mich gerichtet sind, als wäre ich seine Beute, halte ich die Luft an und ignoriere die Panik, die sein toter Blick auslöst. "Hun-"
"Deine Schuld." zischt eine unbekannte Stimme aus seinem Mund und trifft mich wie ein Schuss, was mich erschüttert zurückstolpern lässt.
Blut fließt ihm unter der Kapuze hervor. "Deine Schuld!"

Verzweifelt tun sich Tränen in meinen Augen entwickeln und ich ergreife die Flucht. Mein Brustkorb schmerzt vom rennen, als auch von den Beschuldigungen, doch ich renne weiter.
Diesmal führt mich ein sonnenwarmes Licht durch die Straßen, bis mir eine weitere Person über den Weg kommt. Diese leuchtet wie ein Engel und auch das Lächeln wirkt beruhigend, dass sich darauf zu mir dreht. Keuchend bleibe ich stehen und fühle mich plötzlich wohl. "Du bist eine starke Person, Willow." kommt es über ihre vollen Lippen und das Gold in ihren Hellbraunen Augen strahlt genauso, wie ihre weichen Haare.
Tränenüberströmt komme ich ihr stockend näher, bis sie die Arme ausstreckt und ich mich überstürzt in sie fallen lasse, bevor ich laut aufschluchze und mein Gesicht in Maddys Haare versinken lasse.


Das selbe Aufschluchzen bringt mich wieder zurück in die Realität, wo mein Gesicht sich schon von den Tränen aufgequollen anfühlt. Benommen öffne ich die Augen zum grauen Lichtschein im Zimmer und spüre eine Regung hinter mir auf dem Bett, doch bin zu müde, um mich umzudrehen. Zwei Arme schlingen sich um mich und ich spüre eine Wärme am Rücken. Traurig lächelnd schließe ich die Augen und lege die Hand auf den Unterarm. "Du gehst zu viel feiern, Maddy." krächze ich leise im Halbschlaf und kuschle mich an diese Arme, um wohlig einzuschlafen.

I'll get youWhere stories live. Discover now