Der Zweite

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Hallo, Manhattan! Hallo, alte Bude und nervige Studenten in meinem Studentenheim! Ich bin endlich wieder da. Und die Erleichterung in mir übertrifft meine Ermüdung bei weitem.
Dennoch sind mein Finger schlaff und tuen sich schwer beim öffnen der Tür zu meiner WG. Und sobald die Tür aufschwenkt vernehme ich einen langen und hohen Pieps vor mir, der - wie sich herausstellt - von Maddy kommt.

Ohne mir wirklich Zeit zu geben, umarmt sie mich stürmisch und ich weiß einen Moment nicht mich anders zu verhalten, als stocksteif dazustehen und zu kichern. "Endlich bist du wieder da." schnurrt sie und schmiegt sich mehr an mich. "Du musst erleichtert sein, wieder hier zu sein, nach der Sache von der du mir berichtet hast."
Die Tatsache lässt mich geknickt fühlen und ich lasse meine Tasche achtlos fallen. "Sehr. Das kannst du nicht glauben."
Sie lehnt sich ein Stück zurück und packt mich sanft bei den Oberarmen, um mich mit ihren großen und verzaubernden Augen anzusehen. "Deshalb habe ich uns extra Sushi bestellt, dass fertig auf dem Kaffeetisch steht. Mit Cola und Fanta, als auch Chips für die ganze Nacht."

Mein Herz flattert auf vor Rührung. Maddy ist die einzige Person, die sich je wirklich um mich gekümmert hat. Dabei kenne ich sie mit am kürzesten von jeglichen Kontakten, die ich in meinem Leben geführt habe. Jedoch macht es mir genauso sehr bewusst, wie ich mir das im Geheimen von meiner eigenen Familie wünsche, und lässt mich ein wenig bedrückt fühlen, während ich ihr reinfolge. Nach dem Besuch hinterfrage ich wieder mein gesamtes Leben. Sie haben mich nicht einmal verabschiedet und Jona hat mich sogar laut aus seinem Zimmer verbannt, nachdem ich nicht nur seine Narben, sondern auch die verdächtigen Schriften auf seiner Wand angesprochen habe, die unheimlich dunkel wirkten. Er wird jetzt der einzige Grund sein, für den ich von nun an nach Hause fahren würde. Seine Situation macht mir wirklich zu schaffen.

"Heute wählst du die Filme aus." reißt Maddy mich aus meinen Gedanken und ich muss traurig auflächeln.
"Okay, aber wenn ich ehrlich bin, werde ich wahrscheinlich nicht die ganze Nacht durchmachen können. Ich bin einfach nur kaputt." krähe ich.
Schwungvoll dreht sie sich zu mir und lässt ihre lockigen Haare umwerfend mitschwingen. "Ja, verständlich. Keine Sorge, aber du musst mir trotzdem erstmal erklären, warum du von der Party einfach so abgehauen bist! Ich hab' mir voll die Sorgen gemacht."
Oh, klasse..Die ganze Stille, die ich über das ganze Wochenende hatte, wird jetzt offiziel wieder durch viele Gespräche und Trubel ersetzt. Aber ich verachte es nicht. Ganz im Gegenteil: Ich kann nicht mehr ohne das lebendige von Maddy. Ich brauche jemanden fast permanent an meiner Seite, um mich nicht so zu fühlen, wie ich es vor noch zwei Jahren tat.

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??? pov.

Angespannt halte ich auf jeder Etage Ausschau, während ich die Treppen empor steige. Eigentlich sollten die meisten in ihren Seminaren sitzen, aber meine Paranoia kann nie befriedigt werden.
Aber sie kann übertönt werden. Zum Beispiel von der Aufregung, die in diesem Moment mit jedem Schritt größer wird und mein Herz schnell, aber stark schlagen lässt. Ich war noch nie hier und doch, weiß ich mit ein wenig Hilfe, wo die Tür ist, die mich zu ihr führt.
Mit gedecktem Blick erklimme ich die letzten Stufen zur erwünschten Etage und schaue mich momentan um, als das alte Geländer mir Blick auf den Boden gibt. Und zu meiner Erleichterung ist niemand hier. Niemand, der mich auffliegen lassen könnte. Niemand, der mich aufhalten könnte. Nur ich und die eine Person, die hinter der Tür ist, auf die ich mich in diesem Moment zubewege.
Ich weiß nicht wieso, aber sobald ich nur daran denke, dass ich nur wenige Meter von ihr entfernt bin, ohne sie zu sehen, werden meine Schritte schwerer und träge. Ich kann nicht glauben, dass ich hier bin, wo sie sonst immer lang geht. Es fühlt sich schon fast berauschend an, es zu wissen und ich frage mich, wieso ich nicht von Anfang an alles nicht einfach selbst gemacht habe.

Strebend trete ich extrem dicht vor die weiße Tür, die mich von ihr trennt und kann der Versuchung nicht widerstehen, meine freie Hand sachte um den Türknauf zu legen, der auch von ihr abermals berührt wurde. Alleine beim Gedanken, diesen Knauf einfach umzudrehen und zu ihr reinspazieren zu können, um sie endlich in meine Arme zu nehmen, lässt meine Atmung flach werden und ich muss gegen den Drang ankämpfen.
Wie gern ich sie jetzt spüren würde. Jeden einzelnen Zentimeter auskosten wollen würde. Meiner Qual endlich ein Ende setzen. Aber ich muss geduldig bleiben. Für uns. Für mich. Bald werden wir vereint sein und nichts wird sich in unseren Weg stellen. Meine Prinzessin wird bald glücklich sein und muss nichts vortäuschen müssen. Ich werde sie retten.
Schweren Herzens lege ich meine Hand vom Knauf flach auf die Tür und presse leicht dagegen, während ich auch meine Stirn dagegen lege. Bald. Wir haben es bald geschafft. Sehnsüchtig lecke ich über meine heißen Lippen und stoße den heißen Atem aus, der sich in mir ansammelt. Was sie da drinne wohl gerade macht? Frühstücken? Lernen? Oder doch noch die freie Stunde genüsslich im Bett verbringen?
Nur an sie zu denken versetzt mich in eine Stimmung, die ich als unerträglich befinde, und befriedigen tut es mich schon seit einiger Zeit nicht. Ich brauche dich so sehr.
Ich erlaube mir noch einige Sekunden zum träumen, bevor ich mich wieder fange und einen Schritt zurück trete, während ich versuche wieder normal zu atmen. Sie ist die Einzige, die mich in diesen Pool aus Hitze und Verlangen wirft. Die, die unbeschreibliche Gefühle in mir hervorruft.

I'll get youWhere stories live. Discover now