Psycho

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Etwas stimmt hier nicht. Es liegt nicht daran, dass Bram sich minimal anspannt. Es liegt auch nicht daran, dass sein Blick auf mir stechend und distant zugleich ist. Und es liegt nicht auf die Art, wie er den Projektor einfach anmacht und es sich neben mir gemütlich macht.
Es ist die Atmosphäre. Und, wie er den Blickkontakt darauf unterbrochen hat.
Mir kommt nichts auf, dass seinen Stimmungsumschwung erklären könnte. Es muss etwas mit diesem Zimmer zu tun haben und um ehrlich zu sein, bahnt sich meine Neugier gierig ihren Weg durch meine Gedanken, aber ich bleibe stumm. Ich ertrage viel lieber diese negtive Stimmung, statt ihn zu fragen.
Ihn zu fragen würde nur in einer Katastrophe und Reue enden.

Mutwillig muss ich bei dem Gedanken an mehrere Monate zurück denken, wo ich Bram zum wahrscheinlich dritten Mal auf einer Studentenpartygesehen hatte, die nicht weit von dem Campus stattgefunden hatte. So, wie beim ersten Mal, wo ich ihn gesehen hatte, war er auch dort grimmig und zog ein Gesicht, dass dich von ihm fernhalten lassen wollte. Ich und Maddy hörten auf dieses Zeichen. Ein Kumpel von Bram jedoch nicht.
Vielleicht war er zu aufgebraust über was auch immer mit ihm und Bram passiert ist, aber er hörte über den gesamten Abend nicht auf Bram mit Fragen zu bombadieren, bei denen dieser einfach stumm blieb, bis wohl der Schnittpunkt kam und Bram ihm so sehr eine verpasst hat, dass sein Kumpel auf dem Boden gelandet ist.
Direkt gesehen haben wir es nicht, aber den Lärm des umfallenden Tisches mit dem Punsch, der bei dem Fall verursacht wurde, hatte unsere Aufmerksamkeit noch rechtzeitig erlangt, um zu sehen, wie Bram seinen eigenen Kumpel mit einer immensen unterdrückten Wut anstarrte und seine zitternden Fäuste kontrollierte. Der Blickkontakt in dem Moment zwischen den Beiden sprach Bände.
Und doch habe ich über das restliche Jahr beide miteinander, wie sonst auch, gesehen.
Manchmal kapiere ich Männer nicht.
Seufzend starre ich auf die Leinwand voraus, die mit einigen Einstellungen zu kämpfen hat, und genieße das Gefühl vollends mit noramlen Gedanken in meinem Kopf versunken zu sein. Es fühlt sich fast so an, als könnte mir in diesen Phasen niemand etwas antun. Nur ich und meine Erinnerungen.

In diesen Phasen bin ich wie benommen und nehme vage wahr, wie Bram sich durch die Einstellungen klickt, bis endlich der Film aufkommt, den wir wohl schauen.
Bisher bin ich gar nicht dazu gekommen, mir Gedanken darüber zu machen, was wir überhaupt gucken. Und als ich aus dem Nichts den sehr vertrauten Filmanfang sehe, erstarrt jeglicher Muskel in meinem Körper, bis zu dem Punkt, wo der Titel in schwarz-weiß und in einer mäßigen Qualtität auf der Leinwand erscheint.
Psycho. Er hat Psycho angemacht. Ausgerechnet meinen Lieblingsfilm. Es reißt mich aus meiner Phase und ich merke aus dem Augenwinkel, wie er mich eingehend beobachtet. Er will meine Reaktion, zu seinem kranken manipulativen Spiel, sehen.
Und obwohl ich sicherlich meinen Schock im ersten Moment nicht überspielt habe, tue ich es jetzt. Er soll nicht sehen, wie es mich wirklich spüren lässt, also versuche ich in meine Rolle zurück zu schlüpfen und schaffe es sogar ein mikriges Lächeln hervorzubringen. "Psycho. Cool." kommentiere ich nur, ohne ihn anzusehen. Perfekter Film für dich, Bram.

Er sagt nichts weiteres, aber schiebt seinen Arm zwischen Lehne und meinen Rücken, um mich an der Thaille zu umgreifen und mich mehr an sich zu ziehen.
Mein Herz springt ängstlich auf, als er mich an sich schmiegt. Ich werde diesen Film nicht schauen können und bin sogar im Innbegriff, neben meiner Lieblingsblume, auch meinen Lieblingsfilm versauen zu lassen.
Ich kann nichts dagegen tun, als an den Moment zu denken, wo er diesen Film bei mir auf der Arbeit ausgeliehen hat. Dieses Schwein kannte diesen Film bestimmt nicht von allein. Er hat mich wohl genug gestalkt, um meinen Lieblingsfilm herauszufinden und dachte sich, so Pluspunkte zu sammeln. Und diese Feststellung machte mich unglaublich wütend. Sie macht mein Innerstes viel wärmer, als der Hautkontakt mit Bram.


Bram pov.

Zufrieden, umgreife ich Willow und bereue es keines wegs, einen Filmabend geplant zu haben. Zwar lässt mich der Gedanke, was ich mit diesem Zimmer angestellt habe, komisch fühlen, aber es hat verursacht, dass ich in ihrer Nähe bleiben kann und das lässt alle Schuldgefühle erlischen, die ich mit diesem Raum in Verbindung gebracht habe.
Sie sieht sich den Film angespannt an oder versucht es jedenfalls. Mir ist ihre schockierte Reaktion nicht entgangen.

Natürlich ist mir bewusst, dass ich mich mit der Auswahl des Films selbst ein wenig preisgegeben habe. Aber zum einen ist es auch gut so. Sie soll wissen, dass ich immer da war, sobald sie mir aufgefallen ist. Dass ich sie kenne und sie nichts vor mir verbergen kann.
Sicherlich dauert es nicht mehr lange und sie wird mit voller Wucht erkennen, dass sie nie die Konrolle hatte. Sie kann mir nichts vorspielen. Und dann wird sie sich ihrer wahren Gefühle eingestehen.
Unkontrolliert geht mein Blick wieder auf sie. Mir fällt sofort die sachte Zornesfalte zwischen ihren dunkelblonden Brauen auf und es verrät mir, dass sie so einiges versucht zu unterdrücken. Wie immer. Seit Filmbeginn lockert sie sich nicht und wir sind schon fast bei der Hälfte des Films angelangt.
Rein aus Gefühl löse ich die linke Hand von ihrem Unterarm, um ihr behutsam die Haare aus dem Gesicht zu streichen, was sie aus ihren Gedanken zurückschrecken lässt. Doch ansehen tut sie mich immer noch nicht. Sie soll endlich aufhören, alles in sich reinzufressen und mir vertrauen. Wieso redet sie nicht mit mir? Ich kann ihr helfen.

Ein komisches Gefühl breitet sich in mir aus, dass schmerzt. Sie soll nicht denken, dass sie auch mit ihren Gedanken alleine zurechtkommen muss. Ich will nicht, das sie sich auch etwas antut. Getroffen fällt mein Blick von ihrem starren Gesicht, auf ihren Schoß. Unbedacht regt sich meine Hand wieder und streicht über ihren dünnen Schenkel. Sie zuckt kurz zusammen, aber ich bin so sehr mit meinen Gedanken beschäftigt, dass ihre Reaktion nicht komplett zu mir durchdringt.
Ich kann nur mit dem Daumen über ihren Schenkel streichen, den ich fast komplett umgreifen könnte, und ein erdrückendes Gefühl verspüren, als mir klar wird, wie sehr sie abgenommen hat, seit sie hier ist. Habe ich sie zu streng behandelt? Ich wollte ihr nie weh tun, aber sie hat mir keine andere Wahl gelassen. Unmerklich, übt mein Griff einen Druck auf ihr auf. Sie ist so zerbrechlich und ich will nicht, dass sie Schmerzen erleidet. Doch zur gleichen Zeit ist es nötig, damit ihr endlich klar wird, dass sie zu mir gehört.

"Willst du etwas Knabbern?" raune ich ihr entgegen und ihr Kopf dreht sich minimal zu mir, ohne mich anzusehen. Genau in diesem Moment, hoffe ich so sehr auf ein 'Ja.', wie schon seit einiger Zeit nicht. Ich will sie dazu nicht zwingen.
Doch zu meinem Glück zuckt sie die Schultern und ich kann durchatmen.
Als ich mich ein wenig von ihr entferne, sieht interessiert auf meine Hand, die zu meinem Handy greift. Ohne große Angaben, schreibe ich Rufus 'Knabberzeug' und lege das Handy genauso schnell wieder zur Seite. Aber diesmal ziehe ich Willow nicht wieder an mich.
Ich lehne mich einfach zurück und beobachte ihr Vorgehen. Selbst wenn ich zu gern diesen Film beiseite lassen würde und mich mit ihr auf diesen Sesseln ausbreiten würde, versuche ich Geduld zu bewahren. Sie muss zuerst einen Schritt tätigen, bevor ich sie übermäßig berühre. Ich muss sehen, wo wir stehen, bevor ich weiter machen kann.
Doch jetzt schmiegt sie sich noch nicht von alleine an mich und es verursacht eine leichte Leere in mir, die ich nicht erwartet habe.

I'll get youWhere stories live. Discover now