Mrs Chester

3.7K 84 0
                                    

Willow pov.

Ab einem gewissen Punkt, wird mir klar, dass ich schon seit einger Zeit in Brams Armen liege, aber seine Worte und die gebrauchte Umarmung lassen mich noch einen Moment verweilen, bevor ich mich stumm von ihm entferne und mich auf den Bettrand setze.
Ich hätte nicht erwartet, dass ich so sehr zurück fallen kann, wenn ich mit meiner Vergangenheit konfrontiert werde. Ich dachte, ich wäre darüber hinweg, aber anscheinend irre ich mich letzte Zeit immer häufiger.
Ich höre, wie er sich hinter mir auch aufsetzt. "Ich will zurück in mein Zimmer." brumme ich heiser und stehe wackelig auf.
Bram muss von nichts Bescheid wissen. Aber was passiert ist, ist passiert. Doch er folgt mir nicht. "Wieso siehst du mich nicht an?"

Unter seiner warmen Stimme bleibe ich stehen doch drehe mich nicht um. Ich lege lediglich den Kopf in den Nacken und starre die weiße Decke an.
"Es ist schwer." sage ich einfach, ohne wirklich zu wissen, ob es der Wahrheit entspricht.

Wieder vergeht ein Moment der Stille, bis er aufsteht und mit mir zur Tür geht. Als seine Hand sich darauf behutsam auf meine Schulter legt möchte ich sie abschütteln, doch kontrolliere mich mit der letzten Kraft, die ich noch besitze.

"Ruf' mich falls was." sind seine letzten Worte, bevor er mich einschließt und ich wieder alleine mit mir selbst bin.

Wieso ich mir das wieder antue, weiß ich nicht, aber bei Bram zu sein war mir peinlich genug.
Ich kann jetzt nur hoffen, dass ich hier drinnen ausnahmsweise nicht verrückt werde.


Wieder vergehen die Tage ereignislos und ich stelle mir immer öfter die Frage, wieso ich noch hier bin. Dabei kommt mir nur eine mögliche Antwort in den Sinn: Bram empfindet mehr für mich, als ich dachte. Seine Liebe ist doch schon fast krank.
Und doch war der Wortwechsel zwischen uns eher eingeschränkt, was ich auf meinen Ausraster letztens schiebe. Vielleicht hat er ja Angst.
Einen Moment halte ich inne, um das wirklich in Betracht zu ziehen, doch schüttle den Kopf über mich selbst.

Zwar behandelt er mich mit äußerster Vorsicht, aber es muss einen anderen Grund haben. Vielleicht hält er wirklich nur sein Wort mit dem 'Ich will dir nicht weh tun.' . Das er zu seinem Wort steht, vertraue ich ihm schon an. Auch wenn ich mich bei dieser Meinung am liebsten eingewiesen hätte.


Es ist Rufus, der heute wohl wieder auf mich aufpasst. Er hat mir das Frühstück wieder ans Bett gebracht, dass ich um ehrlich zu sein lieber am Esstisch gegessen hätte, um keinen Kotzreiz von diesem Zimmer zu bekommen, und nun bringt er mir Schwarztee auf dem Tablett.
"Zwei Löffel Zucker sind schon drinnen." überreicht er mir die große Tasse, die ich viel lieber mag, als kleine.
"Danke, Rufus." krächze ich. Genau das brauchen meine Nerven gerade bei dem ganzen Theater.
Allmählich kommt es mir vor, als würde ich mich hier verändern. Als würde mein Hirn sich zurückbilden und über nichts wirklich nachdenken. Liegt sicherlich an meiner Tatenlosigkeit und dem mangel an Sonne.
Seufzend schließe ich die Augen.

"Kann ich noch etwas für dich tun, Willow?" brummt seine tiefe Stimme.
Ich zucke nur die Schultern. Er regt sich schon zum gehen, als ich doch was äußere.
"Ist Bram wieder den ganzen Tag beschäftigt?"
Mit emotionsloser Miene richtet er sich an mich. "Ja, er wird heute kaum Zeit haben."
Eingeschüchtert blicke ich auf meinen Tee. "Kannst du vielleicht wieder etwas hier bleiben?"

Es ist nicht nur peinlich, ihn wieder danach zu bitten, sondern auch die Stille, die darauf verursacht wird.
Aber dennoch setzt er sich neben mich an die Seite des Bettes. "Ist wieder etwas los?" fragt er geduldig.
Wieder zucke ich die Schultern. "Wie lange arbeitest du schon für Bram?" 

Er atmet tief durch und sieht mit seinen schwarzen Augen auf die gegenüberliegende Wand. "An sich arbeite ich für seinen Vater für inzwischen 19 Jahre. Als ich begonnen habe, war Bram gerade mal 6."
Mit großen Augen sehe ich auf seine normalerweise strengen Gesichtszüge, die gerade weicher als sonst wirken. "Und du bist einfach nur ein Assistent?"
Sein fragwürdiges Gesicht wendet sich an mich. "Zum einen vielleicht. Aber größtenteils bin ich ihr Bodyguard. Ich achte darauf, das alles im reinen ist. Und weil ich neben der Routine sowieso Beschäftigung brauche, mache ich auch nebensächliche Aufgaben, wie auf dich aufzupassen zum Beispiel." zeigt seine breite Hand auf mich, an der ich zum ersten mal einen fetten Ring mit dunkelblauem Schleier mittendrin erkenne.
Dadruch stellt sich eine andere Frage in mir auf. Desto mehr ich rede, desto abgelenkter werde ich. "Und du bist nicht verheiratet oder so?" Mit einem plötzlich strengeren Blick, als wäre ihm die Frage zu persönlich, sieht er mich an. "Ich meine nur, weil du sicherlich fast Tag und Nacht hier bist. Da wäre es doch sicherlich blöd, noch eine Familie zu haben, die auf einen wartet." erkläre ich eingeschüchtert.
"Nein, ich brauche niemanden. Ich lebe nur für meine Arbeit." Mit verzogenen Brauen starre ich zurück in seine Augen. Das klingt eher traurig.
"Was gefällt dir denn so sehr daran?" Doch er bleibt stumm. Ein Zeichen, dass ich mit der Zeit verstanden habe: Diese Frage, wird mir wohl nie beantwortet werden. "Oookay,...dann erzähle mir mehr von Brams Eltern, was machen sie beruflich eigentlich genau?"

"Mr Chester ist Leiter einer der größten Konzerne für Immobillien rund um den Globus und besitzt zusätzlich ein erfolgreiches Versicherungunternehmen und eine Veranstaltungsorganisation, die jedoch von ausgewählten Partnern geführt wird."
Zwar bin ich ganz schön beeindruckt, doch warte auf mehr. Doch mehr kommt nicht, was mich stutzig macht. "Und was ist mit seiner Mutter?" Bodenlos sieht er mich an. Wie schon oft, kann man nichts an ihm ablesen.
"Über Mrs Chester kann ich keine Auskünfte geben. Frage Bram lieber persönlich."
"Was? Wieso das?" Doch wieder: Nur Stille zur Antwort. Verwirrt und unwohl zugleich überlege ich mir, warum er so antworten könnte. Lebt sie vielleicht tatsächlich nicht mehr?
Wirklich vorstellen, wie sich sowas anfühlen könnte kann ich mir nicht. Ich hatte nie einen Vater und eigentlich auch keine Mutter, wenn man mein Leben bei ihr ansieht. Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, wenn jemand aus der Familie geht. Meine Großeltern sind verstorben, als ich noch klein war und habe somit keine Erinnerungen an sie. Es gibt nur Bilder von meiner Oma, wie sie auf mich manchmal aufgepasst hat, weil meine Mutter schlichtweg zu unfähig war. Und Grandpa ist anscheinend an der Front mal verstorben. Viel wollte meine Mutter nicht von unserer Familie erzählen. Sie war zu verhasst.

"Dein Tee wird kalt." brummt man mir ruhig entgegen und ich falle aus meinem Kopf, bevor ich auf diesen sehe.

I'll get youWhere stories live. Discover now