Mach's gut

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Durch den geringen Verkehr um diese Uhrzeit, kommen wir relativ schnell an meinem Studentenheim an und als ich auch noch sehe, dass mein Zug in zwei Stunden abfährt, kann ich nicht abwarten, bis ich endlich aussteigen kann, um mich fertig zu machen. Ich hätte einfach früher abhauen sollen. Das hätte mir so viel Stress erspart. Unglaublich viel Stress.

Ich schnalle mich einigermaßen gekonnt ab und öffne schon die Tür, als ich merke, dass Bram dasselbe tut. Erstarrt sehe ich ihn an. "Was hast du jetzt vor?"
Seine eiskalten Augen blicken mich an. "Mit dir hochgehen, bevor ich dich zum Bahnhof fahre."
"Wouw. Halt. Nein. Ich schaffe es alleine hoch. Keine Sorge. Und zum Bahnhof schaffe ich es genauso alleine."
"Willow, bis du fertig bist und los gehst, schaffst du es nicht pünktlich dahin. Erst recht nicht angetrunken." brummt er mit verengten Augen, doch ich schüttle den Kopf.
"Meine Reisetasche ist gepackt. Ich muss mich nur umziehen." Aber das drehen in meinem Kopf lässt mich einen Moment inne halten.
Vorsichtshalber nehme ich noch einige Schlücke des Wassers und steige darauf holbrig aus.
"Ich fahre dich trotzdem zum Bahnhof. Ich warte hier." bleibt er sturr und ich schließe nur die Tür, bevor ich an der Flasche nuckelnd weggehe. Eine wirklich schlechte Idee wäre es nicht. Aber ich will nicht noch mehr Druck verursachen.

Als ich schon fast am Eingang bin höre ich das Zuknallen einer Autotür und sehe verwirrt hinter mich. Tatsächlich ist es Bram, der ausgestiegen ist. Doch er geht energisch in die entgegengesetzte Richtung und bleibt darauf stehen. Man sieht seinem Rücken an, wie angespannt er ist. Doch ich seufze nur und begebe mich hoch.


Sobald ich wieder unter dem leicht erhellten Himmel bin, halte ich auch abrupt wieder an, als ich Brams Wagen immer noch auf dem Parkplatz stehen sehe. Als ob er fast eine Stunde auf mich gewartet hat. Ich schlucke das schlechte Gewissen hinunter und gehe in meinen Vans zu seinem Wagen, um die Beifahrertür zu öffnen.
Überrumpelt stehe ich da, während sein Blick mich spitz durchlöchert. "Du hast echt gewartet?" frage ich mit zusammengezogenen Brauen. "Ich bin inzwischen nüchterner. Ich würde es schon irgendwie überleben, alleine zum Bahnhof zu fahren."

"Ich habe nicht umsonst gewartet. Also steig einfach verdammt nochmal ein." knurrt er und schnallt sich angepisst an.
Erstarrt stehe ich da, bis ich eingeschüchtert nachgebe und einsteige. Solange ich meine kleine Reisetasche zu den Füßen hinstelle, versuche ich meinen Scham zu verbergen, während er ohne zu warten abfährt.
Ich beobachte nur seine grob geformten Hände, wie sie das Steuerrad mit aggressiver Eleganz steuern, bevor ich mich von den Wolkenkratzern um uns ablenken lasse und beobachte, wie der Himmel in geringer Zeit hell wird.

"Und Willow..Du bist dir wirklich sicher?" fragt er dann plötzlich, als wir uns dem Bahnhof nähern. Dabei war die gesamte Fahrt in kompletter Stille verlaufen.
Verwirrt sehe ich ihn an. "Sicher?"
Er nimmt sich einen Moment, bevor er antwortet. "Mir keine Chance zu geben." Ich stöhne innerlich auf, doch reiße mich zusammen. Es gibt eben Menschen, die lange brauchen, bis sie es kapieren. Also bleibe ich ruhig. "Ja, bin ich. Tut mir Leid. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass du eine Bessere finden wirst. Also denk' nicht zu sehr daran, ok?"
Er schnauft verächtlich, ohne mich anzusehen. "Du machst alles so kompliziert." brummt er leise und sieht aus seinem Fenster, nachdem der Wagen zu einem Halt gekommen ist.
Ich schnalle mich schon ab, als auf einmal der Motor erstillt und ich inne halte. "Wieso machst du den Motor aus?"
In dem Moment zieht er den Schlüssel aus dem Wagen und schnallt sich ab. "Ich begleite dich zum Gleis."

Verstört versuche ich seine Worte zu verstehen. "Was? Nein. Du hast so schon zu viel gemacht. Ich schaffe das alleine. Danke für alles."
Ich öffne die Tür und steige aus, da redet er weiter. "Da kann ich auch gleich das machen. Was ist schon dabei?" faucht er und ich sehe ihn ungläubig an.
"Bram, das wird lächerlich. Lass es endlich gut sein." schnappe ich meine Tasche und trete zurück, um sie auf die Schulter zu hängen, "Von hier an, gehen wir getrennte Wege und ich wünsche dir in Zukunft alles Gute. Mach's gut."
Er öffnet wieder den Mund, als würde er diskutieren wollen, doch ich schließe einfach die Tür und gehe zum riesigen Bogen, der direkt in den Bahnhof führt.
Mein Kopf dröhnt noch vom Alkohol und die vielen Geräusche von Motoren, Menschenstimmen und Autotüren machen es nicht besser, aber dennoch bin ich erleichtert. Erleichtert endlich von Bram weg zu sein.
Meine Schritte sind unglaublich mühselich auf den Treppen, aber sobald ich im Zug bin und mich auf meinen Platz am Fenster fallen lassen kann, atme ich entspannt aus. Ich hätte es nicht gedacht, aber jetzt freue ich mich, meine Familie zu besuchen. Ich muss wirklich von allem runter kommen und verarbeiten, was in den letzten Stunden passiert ist.


??? pov.

Ich sehe noch, wie sie dem Kontroleur ihr Ticket zeigt und in den Zug einsteigt. Mit den Händen in den vorderen Hosentaschen versuche ich ruhig zu bleiben, während ich versuche, mich in den Massen gedeckt zu verhalten.
Es braucht nicht lange, da entdecke ich sie wieder, wie sie sich auf den Sitz fallen lässt und nur kaputt aussieht. Verdammt, Willow. Es hätte so einfach sein können. Aber du willst es auf die schwierige Weise. Mir nur recht so. Sobald alles aufgeht, muss ich nie wieder paranoid sein. Mir nie ausmalen, wer seine Finger an ihr hatte und was sie vielleicht tut. Sobald ich fertig bin, werde ich wieder ruhig schlafen können. Ich brauche kein anderes Flittchen.
Mit versteiftem Nacken sehe ich auf die Anzeige. Philadelphia also. Dann muss mein jetziger Stand meines Wissens richtig sein. Ich werde es bald noch zu hundert Prozent wissen. Warte nur.

Grimmig warte ich, bis der Zug abfährt und kann nicht kontrollieren, dass sich meine Hände zu Fäusten bilden. Meine Geduld ist definitv am Ende. Du hast dein Schicksal selbst ausgewählt.

I'll get youWhere stories live. Discover now