Stumm

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Als ich das Schloss höre, schließe ich für einen Moment meine trägen Augen vor Erleichterung, doch bewege mich nicht, sonder starre wieder auf die Straßen hinunter, die von der Sonne blass und angenehm bestrahlt werden.
"Was machst du da?" höre ich seine kratzige aber leise Stimme. Ohne meinen schlaffen Mund zu beanspruchen bleibe ich, wie ich bin und sehe aus dem Augenwinkel, wie er etwas auf dem Bett abstellt.

Es bleibt lange still, bis seine schweren Schritte langsam zu mir kommen und er neben dem Nachttisch stehen bleibt vor dem ich kauere, um mich anzusehen, aber ich habe ein glänzendes Fenster weiter die Straße runter fixiert, dass zu einem braunen, historischen Gebäude gehört.
"Wieso sitzt du so zusammengesackt in der Ecke?"
Erst jetzt bemerke ich, wie der Nagel meines Daumens sich in meine Innenseite gebohrt hat. Ich habe ihn unbedacht dagegengepresst, nachdem ich mit dem reiben fertig war.
Benommen sehe ich darauf hinunter und merke einen schneidenden Schmerz, als ich meinen Daumen entferne und sehe, dass an der Stelle alles wund ist und ich mich wohl über die Nacht mehrmals dort gekratzt habe. Schon lange habe ich diese Rötungen an mir nicht mehr gesehen.
"Willow." brummt er verärgert, bevor er sich zu mir kniet.

Eingeschüchtert atme ich scharf ein. "Willow, sieh mich an." Aber ich lasse meinen Blick wieder aus dem Fenster schweifen. "So willst du mich also bestrafen.." seufzt er, "Mir ist es egal, ob du in die traumatisierte Phase rutschen möchtest. Wir werden die Tage weiter führen, wie ich es will. Verstanden?" Doch ich rege mich nicht, was ihn zum erheben bringt. "Komm', ich habe für dich extra ein Frühstück mit machen lassen." greift er nach meinen Handgelenken und zieht mich auf die Beine, "Ich hoffe, du magst Rührei mit ein bisschen geschnittenem Gemüse."
Jedoch entfährt mir ein leises Wimmern, als er mein linkes Handgelenk unpassend berührt, was ihn gefrieren lässt. "Was ist denn?" Sein gelockerter Griff lässt mich meine Arme zurückziehen und ich presse mein verletzes Handgelenk gegen meine Brust, während ich es mit der anderen Hand umfasse. Ich brauche nicht in sein Gesicht sehen, um zu wissen, dass ich besorgt beobachtet werde. "Zeig' her." aber er wartet nicht auf mich, sondern greift es sich einfach und inspeziert es selbst, bis er sich anspannt. "Was hast du nur getan?" fragt er leise, aber fassungslos.

Aber ich entreiße es ihm wieder und gehe von ihm weg, um auf das Bett zu klettern. Kurz blicke ich auf den Klapptisch mit dem Essen. Es ist genauso uninteressant, wie das, was Bram gerade empfinden muss. Also lege ich mich einfach mit dem Rücken zu ihm hin und genieße die darauf folgende Stille. Ich bin so müde.
Nur lässt er mir nicht lange den Frieden. "Willow, du isst jetzt." Ungeduldig klettert er über mich, um wieder nach meinen Handgelenken zu greifen. Diesmal um mich aufzusetzen. "Hier." stellt er den Tisch über meine Schenkel und ich starre die Gurkenstreifen benommen an, "Und sollte ich je wieder bemerken, dass du dich selbst verletzt hast, wirst du von einem Schmerz erfahren, den du dir nie erträumt hättest." zischt er.
Komischerweise lässt es meinen rechten Mundwinkel höhnisch heben und ich schnaufe spottend. Es verschwindet sofort, als er meinen Schopf schmerzhaft packt und meinen gesenkten Blick nach oben zwängt. Nun sehe ich doch in seine Augen, die vor Zorn toben. "Lass' diesen Scheiß." knurrt er, "Du denkst, du hast mit diesem Verhalten die Oberhand? Dass du nur so Kontrolle über die Situation haben wirst? Dann kennst du mich aber wohl wirklich schlecht, Willow." Sein bitterer Ton lässt etwas in mir schwappen, aber ich ignoriere es, so gut es geht. "Jetzt iss, bevor ich meine Geduld verliere."

Endlich lässt er von meinen Haaren ab und nach kurzem starren, nehme ich tatsächlich einen Streifen der Gurke und beiße träge ab. Mein Hals erblüht bei dem Wasser, das er zugeführt bekommt, aber mein Kiefer hört irgendwann ermüdet mit dem kauen auf und ich lasse den Streifen zurück auf den Teller fallen. Mir egal, ob ich dehydriere.
Als er merkt, dass nicht mehr von mir kommt, stellt er den Tisch wieder ungeschickt zur Seite. "Wie du willst." presst er dabei hervor und greift mein verletztes Handgelenk, bei dem mich der Schmerz diesmal etwas wachrüttelt, doch er achtet jetzt nicht auf mein zischen, sondern zerrt mich zur Tür. Schwungvoll öffnet er sie, sodass sie sogar gegen die Wand kracht.
Ungeachtet schreitet er weiter und biegt links in den Flur, der an seinem kurzen Ende ein bodenlanges Fenster besitzt. Doch er steuert die einzige schwarze Tür auf der rechten Seite an und stürmt durch sie hindurch. Achtlos schleudert er mich ein wenig in den Raum, um die Tür auch hier mit ihrem Schloss abzusperren. Der Raum besteht komplett aus schwarzem Marmor mit leichten glitzernden Funken. Sei es der Boden, die Wände oder das Waschbecken. Nur hier und da kommt etwas anders farbiges auf und die grellen Lichter sorgen für mehr Leben.

Dann zerrt er mich durch das große Bad auf die andere Seite. Direkt zu einer offenen Dusche, die ein langes Glas besitzt und sie vom Rest abschottet. Jedoch ist sie links davon offen und genau vor diese Öffnung schleudert er mich.
Mit erhöhtem Puls versuche ich ruhig zu bleiben und sehe ihn verwirrt an.
"Da du es ja nicht anders wolltest, gehst du jetzt duschen. Auf der Stelle." brummt er und verkreuzt die Arme.

Erschrocken schüttle ich den Kopf, was ihn spottend auflächeln lässt. "Süße, du hast keine andere Wahl. Wenn du dich schon mit mir anlegst, musst du mit Konsequenzen rechnen."
Nervös starre ich auf den Duschkopf, der aus der schwarzen Wand ragt und wechsle ohne Pause meinen Stand auf dem Bein. Ich will mich nicht vor ihm ausziehen. "Na los. Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit." Wieder brauche ich einen Moment, indem ich nur panisch werde und überlege, ihn anzubetteln und mich für mein Verhalten zu entschuldigen.
Als ich von der Dusche wieder zu ihm sehe treffen sich jedoch wieder unsere Augen und ich werde plötzlich in die Zeit vor dieser zurückgeworfen. Augenblicklich meldet sich meine Wut wieder, während ich mich an die Momente erinnere, an denen Bram mich richtig angepisst hat. Sei es, wenn er sich neben mich gesetzt hat und alles und jeden von mir fernhalten lies. Seine nervigen Stimmungsschwankungen oder die Male, als ich ihm immer und immer wieder erklären musste, wieso das mit uns nichts wird. Dieser Typ geht mir auch jetzt auf die Nerven und ich kann nicht fassen, dass er sich traut, diese ganze Nummer abzuziehen.
Der gesamte Hass, denn ich über die Monate auf ihn sammeln durfte lässt meinen Körper auffahren und ich spanne mich mit verengten Augen an. Wie du willst.

Mit festen Schritten gehe ich unter den Duschkopf und kehre ihm den Rücken zu. Das Glas zwischen uns lässt mich entspannt, als auch selbstbewusster fühlen. Ohne zu warten drehe ich am Henkel, der wohl verschiedene Arten des Wasserfalls einstellen lässt und spüre das warme Wasser momentan auf mich prasseln.
Kurz spanne ich mich vor dem ungewohnten Kontakt an, doch werde darauf momentan von einem angenehmen Gefühl übermannt, das mich die Augen schließen lässt und strecke das Gesicht entgegen. Es macht mir nicht einmal was aus, dass meine Kleidung ebenso nass wird. Ich genieße einfach nur, wie der künstliche Regen meine Angst, als auch meine Ermüdung wegfließen lässt. Ausatmend stehe ich da. Es ist, als würde ich wieder zu mir selbst finden und denn ganzen Wahnsinn, den ich nicht wahrhaben will, vergessen.

Ich gehe mir durch meine nun teils nassen Haare, während ich mich zu Bram umdrehe und seinen brennenden Blick entgegentrete. Mit einer festen Standhaftigkeit recke ich ihm meine beiden Mittelfinger entgegen, bevor ich mich wieder direkt unter den Wasserstrahl stelle.
Durch das noch klare Glas sehe ich plötzlich Belustigung in seinen Augen auffunkeln und es ist sein Grinsen, dass mich kurz zurück wirft, bevor ich ihm wieder den Rücken zuwende und meine Haare vollends unter das Wasser halte. Er kann mich mal.

Jedoch sinkt mein Hochmut, als ich ihn darauf an der Öffnung stehen bleiben sehe. Misstrauisch sehe ich ihn von der Seite an. "Keine Sorge. Ich stehe nur hier, damit du nicht zu früh rauskommst. Solltest du auch nur wagen in meine Richtung zu gehen, ohne, dass ich es erlaube, gibt es wieder Konsequenzen." lehnt er sich mit verkreuzten Armen an die Wand.
Irritiert entgegne ich seinen Blick. Soll ich jetzt Stunden hier stehen oder was? Er mustert mich noch einige Momente amüsiert und deutet darauf auf das kleine Metallgitter nicht weit vom Duschkopf. "Bediene dich. Du hast da Reinigungsmilch, Schampoo, eine Kur und weiteres, was ich wahllos gekauft habe, dass ihr Weiber anscheinend verwendet." Seine Bezeichnung lässt mich ihn kurz böse anfunkeln, bevor ich auf die vielen Flaschen an der Wand schaue. Und obwohl ich ein 'Weib' bin, bin ich jetzt schon mit den vielen Bezeichnungen überfordert. Das meiste davon sagt mir nichts. Ich benutze sogar selten eine Spülung, weil ich einfach das Minimum gewohnt bin.

Bei der Reinigungsmilch schaue ich peinlich berührt auf mich herunter. Die werde ich nicht verwenden, wenn ich wie eine Bekloppte in Kleidung dusche.
Bram selbst hält sich an seine Worte und steht einfach tatenlos neben der Dusche. Es ist erst beim schampoonieren meiner Haare, dass er seinen Arm so schnell zum Regler schießen lässt und ich vor dem eiskalten Wasser aufkreischen muss, dass sofort auf mich runterprasselt.
Erschrocken fange ich schon an in seine Richtung zu springen, doch erinnere mich an seine Warnung und presse mich stattdessen mit schnellem Puls gegen das Glas.

Erst, als ich mich beruhige gifte ich ihn mit meinem Blick an. "Huh, du bist doch geschickter, als ich dachte." lächelt er neckend und drückt seine Zunge mit locker geöffneten Mund verlockend gegen seine Wange.
Ich unterdrücke das verursachte Herzrasen und schnaufe wegblickend aus. Patzig stelle ich das Wasser wieder warm und fange an meine Haare auszuspülen. "Das war die Konsequenz für gestern. Nur damit du's weißt."
Mein Blick bleibt stur auf den Boden gerichtet, während ich meine Haare vielleicht ein wenig zu grob behandle. Seine verdammten Konsequenzen gehen mir jetzt schon auf die Nerven! Aber jetzt muss ich keine Angst haben, dass er aus dem nichts wieder etwas anstellt.

I'll get youWhere stories live. Discover now