Hinhalten

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Einen Moment verharrt er noch so bis ich den kleinen heißen Luftstoß an meiner Wange spüre, der alleine vom minimalen öffnen seiner Lippen kommt. Sein Griff lässt nach und sein Daumen fängt an die Stelle zu streicheln, bevor die Hand behutsam meinen Hals hinunterwandert, um ausgebreitet auf meinen Schlüsselbeinen zu bleiben. Die enorme Wärme, die er dort austrahlt, lässt meinen Atem wieder ruhiger werden und mich insgesamt entspannen.
Ich will glauben, dass das der Bram ist, den ich kenne. Und als sich plötzlich seine glühenden Lippen auf meinen Hals legen und genüsslich, aber zart, an mir saugen, wünsche ich mir die Zeit auf der Party zurück. Wo alles nicht ernst war und sich doch unglaublich anfühlte. Doch das ist er nicht. Das ist nicht die Situation, in der ich mich jetzt befinde.

Erschrocken weiche ich von ihm zurück bis zum Rand der anderen Seite. Er grinst nur kokett und lehnt den Kopf erschöpft gegen den Bettrücken, während er mich fast verträumt ansieht. "Ich habe wegen dir gar nicht geschlafen, weißt du das?" raunt er müde, "Würdest du dich jetzt zu mir legen? Die Erschöpfung ausschlafen?"
Wie er dalehnt und mich engelsgleich anlächelt, lässt die Situation ganz schön anders aussehen, aber ich weiß, was Sache ist. Oder glaube es zu realisieren. Deshalb schüttle ich verschreckt den Kopf.
Müde schließt er die Augen zu seinem zarten Lächeln, doch öffnet sie kurz darauf und atmet tief druch, als er den Kopf in den Nacken legt und sich vom Bettrücken abstößt. "Na schön. Du willst auch bestimmt noch essen." rutscht er vom Bett und trottet zurück zur Tür. Ich lasse ihn zu keinem Moment aus den Augen. "Ich bestelle dir was schönes. Bestimmte Wünsche?" hebt er noch die Braue, während er wieder das schwache Sonnenlicht der anderen Seite auf sich fallen lässt. Doch ich bleibe stumm, was ihn nur zu sich selbst nicken lässt und er endgültig verschwindet.
Wieder ertönt das hineinstecken eines Schlüssels und wie ich erneut in diesen Raum eingesperrt werde.

Ängstlich ziehe ich die Beine an und umarme sie tröstend. Er macht keine Witze..
Ich kann es immer noch nicht glauben. Ich sehe Bram. Ich sehe seinen Charackter und es ist schwer, jetzt anders zu denken, aber ich muss. Sonst wird es gefährlich.
Tief durchatmend halte ich die Tränen zurück und versuche daran zu denken, dass ich bald gesucht werde. Ich muss ihn nur hinhalten oder versuchen mit ihm zu reden. Dann wird sich alles in Null Komma Nichts auflösen und ich kann Maddy erleichtert davon berichten und wie ich ihr schon von Anfang an gesagt habe, dass Bram nicht richtig tickt.


Es vergeht wieder eine nervenzerreibende Zeit und obwohl schon die ersten Tränen gefallen sind, halte ich mich erstaunlich wacker, bis Bram wieder zurück kommt.
Missmutig setze ich mich im Bett auf, während er mir einen kleinen weißen Frühstückstisch hinstellt. Neugierig sehe ich noch auf den Teller, aber ich will es genauso wenig anfassen, wie die Wasserflasche auf dem Nachttisch. Dafür gehe ich meinen Monolog durch, den ich mir in der Zeit halbwegs ausgedacht habe und fixiere stattdessen ihn. Auch sein Blick ist auf mir, was mich komisch fühlen lässt. Es ist das kalte Kribbeln, dasss mich vor ihm warnt.
"Bram, wieso genau machst du das?" frage ich relativ fest, aber traue mich nicht laut zu sprechen.
Amüsiert hebt sich seine Augenbraue und er lehnt sich mit dem Arm nach hinten, solange er nur eine Armlänge weg von mir auf der Bettkante sitzt. "Damit du endlich mir gehörst. Ist das nicht offensichtlich gewesen?" Ein Kribbeln durchfährt mich und ich schlucke, als er den Kopf schief legt.
"Aber das bringt dir doch nichts. Das ist keine normale Beziehung und am Ende hast du nur die Polizei am Hals. Lass' doch diesen Blödsinn endlich sein." krächze ich unsicher, aber er reagiert mit einem schallenden Lachen.
"Willow, also erstens, wird die Polizei niemals davon erfahren. Niemand wird dich vermissen. Und zweitens, ist mir das lieber, als dir zu erlauben, mich von dir zu stoßen und am Ende noch einen Anderen dich begrapschen zu sehen." er lächelt schwach, aber seine Stimme klingt äußerst kühl.
"Es ist mein Leben." flüstere ich die Tränen unterdrückend.
Er verdreht die Augen, als wäre es inzwischen schon eine alte Leier für ihn und steht auf. "Jetzt ist es unseres."
"Bram, das ist krank." keife ich und sein hasserfüllter Blick trifft mich. Jetzt kommt er doch wieder auf mich zu und bäumt sich gefährlich am Fuße des Bettes auf.
"Nenn' es nicht so!" zischt er mit verengten Augen und sein Blick brennt mit einem Mal so stark vor Wut, dass ich mich nicht vom Fleck rühren kann. "Ich hatte dir die Chance gegeben, einen schönen und einfachen Weg zu gehen. Aber du hast es abgelehnt. Fünf. Verdammte. Male. Weil du dich krumm gestellt hast und dich doch so machtvoll hinstellen wolltest." wedelt er demonstrativ mit der Hand. "Aber jetzt reicht's mir. Mir reicht diese Scharade, denn jeder weiß, wie machtlos du in Wirklichkeit bist. Du bist nicht stark, du bist schwach!" Erschrocken von seinem Zischen mache ich große Augen und spüre ein leichtes Stechen in meiner Brust. "Du bist mit die zerbrechlichste Person, die ich je kennengelernt habe. Nur, dass du versuchst stark zu wirken!"
Er starrt mich einen Moment an, bis sein Blick unerwartet weicher wird und er einige Schritt um das Bett herum auf meine Seite tätigt, doch ich signalisiere ihm mit meinem Wegrutschen, dass er mir nicht zu nahe kommen soll. Und er hört darauf. Sieht mich wieder einfach nur an. "Es heißt nicht, dass ich es direkt hasse. Ganz im Gegenteil, ich liebe es, wie du die Dinge manchmal anpacken möchtest und versuchst den Anderen zu zeigen, wo es lang geht. Aber nicht, wenn du es gegen mich verwendest." sein mattes Lächeln wirkt plötzlich traurig. Er macht mir damit jedoch nur mehr Angst. "Ich habe eine gute Gabe darin, andere zu durchschauen. Dich mit am besten. Und ich sehe dir an, dass du tief innerlich nur kaputt, unsicher und einsam bist. Es gehört nicht zu deiner Person, den Mund weit zu öffnen, weshalb du dich hinter deiner kleinen besten Freundin versteckst, die durch ihre Hochnäßigkeit für dich sprechen und dich verteidigen kann. Aber das ist jetzt vorbei. Jetzt hast du mich." Obwohl er ein kleines Lächeln auf den Lippen trägt, starren seine Augen mich wie in einem Schleier emotionslos an. Seine Worte sitzen. Und das hart. Es fühlt sich schon an, als hätte er meine Schwachstelle direkt attakiert und jetzt weiß ich nicht, wie ich mich verteidigen soll. Wieder sehe ich den alten Bram vor mir. Bei dem ich tatsächlich aufpassen muss, weil mir schon seit einiger Zeit seine psychischen Tricks aufgefallen sind, die er gerne verwendet, um andere zu manipulieren. Und er macht es erschreckend gut. Aber zur selben Zeit sind mir diese Emotionen an ihm neu. Er lächelt sonst selten und wenn er das mal in meiner Nähe getan hat, dann nicht so kalt und tod, wie er es jetzt tut.


I'll get youWhere stories live. Discover now