Kollision

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"Wie war die Nacht, nach dem Essen gestern?" fragt Rufus, nachdem Bram uns alleine im Hotelzimmer gelassen und eine erdrückende Stille hinterlassen hat.
Kurz traue ich mich nicht, seinen Blick zu entgegnen und kämpfe mit dem Gedanken, mich ihm auch hier wieder zu öffnen, bis ich einfach nachgebe. "Wir haben über seine Mutter geredet."
"Seine Mutter?" kommt es verwundert.
Nickend setze ich mich auf das Bett und sortiere meine Gedanken. "Ich habe ihn letztendlich gefragt, nachdem er sich beruhigt hatte. Er hat mir alles erzählt.." Einen Moment warte ich, dass er etwas beisteuert, doch nichts. "Ich kann es immer noch nicht so richtig realisieren. Wusste tatsächlich niemand, was in ihr vorging? Nicht einmal Mr. Chester?"
"Nein. Er wusste selbst nicht, wie sie es so lange vor ihm geheim halten konnte. Es waren..keine leichte Zeiten." gibt er mir zu verstehen, weshalb ich meine Fragen zu ihr unterdrücke.
"Hat Mr. Chester noch etwas über mich gesagt?"
Ein Kopfschütteln. Das lässt meine heutige Motivation zum sprechen verfliegen und ich entscheide nichts mehr zu sagen.

Irgendwann kommt dann der erlösende Anruf von Bram, der uns grünes Licht zum abfahren gibt.
Solange wir unseren Weg zum Ausgang machen, begegnen wir deutlich mehr Menschen, als bei der Ankunft, was mich nervös werden lässt. Es ist nicht nur, wegen des Kampfes nach Hilfe in mir, sondern auch, weil es ungewohnt ist, so viele Gesichter um mich zu haben.
Alle des verschiedenen Alters, aber mein Blick bleibt an einer alten Frau in einem eleganten dunkelblauen Paillettenkleid hängen, die scheinbar erst mit ihrem Mann angekommen ist und nun zufrieden zur Rezeption geht. Die ganze Zeit kann ich sie nicht aus den Augen lassen und als sie dabei ist, lächelnd an uns vorbeizugehen, wird die Unruhe in mir größer. Mein Blick ist starr an ihr geheftet und mein Herz hämmert schmerzhaft auf. Meine Lippen öffnen sich, als sie nur wenige Schritte vor uns ist, doch es kommt kein Ton. Aber selbst wenn, Rufus scheint mich bemerkt zu haben und geht einen Schritt voraus, um mich vor ihr zu verdecken und sie auch vor meinem Blick abzuschirmen.
Sofort schließe ich die Lippen und sehe beschämt auf den Boden, während ich ihm aus den Türen folge und sich eine unangenehme Hitze in mir ausbreitet. Scheiße. Ich kann nur hoffen, dass er meine Intention nicht bemerkt hat, doch ich weiß ganz genau, dass es nicht so ist.

Desto länger wir auf unseren Wagen warten, desto angespannter wird Rufus, was natürlich auch auf mich abfärbt. Aber als der Portei aus unserem weißen Range Rover steigt und wir endlich einsteigen, fällt jeglicher Ballast von uns ab.
Ich sitze zwar nicht, wie sonst mit Bram, vorne, aber fühle mich dennoch sicher genug, um zu entspannen.
Wir fahren ab und ich nutze die Gelegenheit, um einen letzten Blick auf das Stadtleben zu kriegen.
"Ist dein echter Name tatsächlich Ergon?" frage ich irgendwann, um die unangenehme Stille im Auto zu durchbrechen.
Er lässt sich Zeit, bis er antwortet. "Ja."
"Sollte...Sollte ich dich lieber so nennen? Immerhin ist Rufus doch nur ein erfundener Name von Bram."
"Weil er es schon immer genossen hat, über anderen zu stehen." kommentiert er, bevor er eine Baustelle umfahren muss, die Gestern noch nicht da war, aber klingt dabei gar nicht herablassend, sondern eher amüsiert, "Aber mir ist es egal, wie ihr mich nennt. Solange ihr keine Scheiße baut ist alles gut."

Grübelnd sehe ich auf den Schoß und spiele mit den Fingern. Keine Ahnung, wie ich ihn jetzt ansprechen sollte. Ergon ist zwar viel passender und schöner, weshalb ich nicht weiß, was Brams Problem ist, aber irgendwie ist es komisch, ihn jetzt nicht mehr Rufus zu nennen. Außerdem bringt es Bram ein wenig Spaß, wenn ich ihn auch so nenne, also sollte ich wohl dabei bleiben. Mehr Pluspunkte, Willow.
Bei der nächsten Abbiegung kommt wieder eine Absperrung, die uns weiter fahren lässt.
Ab der dritten wird Rufus ungeduldig. "Verdammt nochmal, was soll dieser Mist." knurrt er und setzt sich ein wenig auf, während der Verkehr kleiner wird. Jedoch sollte es doch genau das Gegenteil bei Baustellen sein, oder nicht? Hat sich die Logik der Jahrhunderte verändert, während ich eingesperrt wurde?

Ich warte schon auf den massiven Stau, den die Absperrungen verursachen sollten, doch es passiert genau das Gegenteil. Wir treffen auf immer weniger Autos, obwohl wir mitten in Manhattan sind, was nicht sein kann.
"Sicher, dass wir hier sein sollten?" lehne ich mich weiter vor zum Fahrer und schaue auf die nun leeren Straßen.
"Nein, etwas stimmt nicht." sagt er so leise, dass ich es kaum höre und dennoch treibt es mir die Wärme aus dem Körper.

Mit einer schnellen Bewegung reicht er nach dem Mischpult des Wagens und wählt eine Nummer auf. Bramster, steh auf dem Touchscreen und es fängt an zu tuten.
Ruckartig schwengt Rufus plötzlich aus, was mich erschrocken den Sitz vor mir umpacken lässt, und dreht den Wagen in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Nur gibt er nun Gas.
"Was ist?" meldet sich Brams desinteressierte Stimme am anderen Ende, was meinen so schon schnellen Puls beschleunigt.
"Wir haben ein großes Problem." brummt Rufus, während wir weiter vor uns einen schwarzen Benz sehen, der mir wie ein kleiner Panzer vorkommt, "Wir sind dabei eingekesselt zu werden."
"Was?" zischt es am anderen Ende - leise, aber wütend - , "Wo seid ihr?"
"Du kommst jetzt nicht hier her." knurrt Rufus.

Genau im selben Moment schwenkt der Wagen, bevor er an uns vorbeirast, um, und versperrt uns den Weg so kurzfristig, dass wir gar nicht mehr ausweichen können. Ich kreische leise auf, während Rufus versucht umzuschwenken, doch wir stoßen seitlich volle Kanne gegen den Benz und mein Hirn wir einmal schmerzhaft durchgerüttelt.
"Verdammt nochmal, sage mir, wo ihr seid!" brüllt Bram aufgebracht.

Noch ein wenig erschüttert sieht Rufus auf und ich spüre einen ziehenden Schmerz im Nacken, als ich versuche um uns zu sehen. Der Benz gleich neben uns bleibt reglos, doch Rufus tritt dennoch auf Vollgas, sobald er wieder bei sich ist und schleift dabei laut gegen den Wagen, um dann in eine andere Straße einzufahren. "Du kommst. Nicht. Hierher." brummt er mit steinernen Griff um das Lenkrad.
"Ich schneide dir die verdammte Zunge raus, wenn du nicht sofort antwortest." knurrt Bram aufgebracht, doch es bildet sich ein nachzügelndes Piepen in meinen Ohren, dass mich gar nicht auf ihn konzentrieren lässt. "Wo ist Willow?" höre ich ihn nur und halte mir den Kopf. Mir wird übel.
"Bei mir. Ich bringe uns schon raus."

Tief durchatmend versuche ich die Übelkeit zu verdrängen und sehe auf zum Fenster an meiner Seite.
Nun entdecke ich erneut einen schwarzen Benz. Genau so einer, wie der in den wir eben gekracht sind, doch noch unbeschädigt und deutlich schneller fahrend, als sein Vorgänger.
Erschrocken ziehe ich die Luft ein, als ich ihn aus einer Seitenstraße direkt auf uns zufahren sehe und fahre in meinem Gurt so sehr es geht hoch. "Bram!" rufe ich instinktiv aus, als könnte er es verhindern, doch das nervenzerreibende Bild, des Frontteils, dass nur wenige Meter vor uns weiter rast, ist das letzte klare Bild in meinem Kopf, bevor er nur wenige Zentimeter vor einer Kollision zur Seite schwenkt, doch genauso stark in uns reinfährt, dass unser Wagen sich überschlägt und ich spüre, wie mehrere meiner Gehirnzellen bei der Schleuderkraft verloren gehen. Der Gurt schnürt mir die Luft zu und schneidet sich in mein Fleisch, während ich mehrere Stöße spüre und dann das Bewusstsein verliere.

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