92 - overwhelming

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Der Donnerstag in Holmes Chapel war unglaublich und ging leider viel zu schnell um. Wir hatten einander so viel zu erzählen, was wohl niemanden wunderte, wenn man einander acht Jahre nicht gesehen hatte. Außerdem verbrachten wir die Zeit mit Brettspielen, wir kochten gemeinsam Mittag und Abendessen und ich merkte, wie wenig sich Louis Geschwister trotzallem verändert hatten. Sie waren vielleicht etwas älter und reifer geworden, aber sonst war wenig anders. Sie lachten so wie damals, ihr Humor hatte sich wenig verändert, ihre Gesichtszüge waren dieselben und bei allen merkte man, das sie zu Jay gehörten. Natürlich kamen wir auch kurz auf Johannah zu sprechen, wobei Daisy und Phoebe in Tränen ausbrachen.

Sie beide hätten ihre Mutter noch viele Jahre länger gebraucht, genau wie ihre anderen Geschwister, sie vermissten sie schrecklich und ich versuchte irgendwie mit einer Umarmung alles etwas erträglicher zu machen, ihnen zumindest zu symbolisieren, dass sie nicht alleine waren. Ich erzählte auch davon, dass ich meinen Stiefvater verloren hatte, was Louis ihnen schon mitgeteilt hatte und für mich hatten sie dementsprechend auch ein paar tröstende Worte und eine Umarmung, die ich gerne entgegennahm. Vielleicht war das auch etwas, was uns alle verband und etwas näher zusammenbrachte. Wir alle hatten in den acht Jahren jemanden verloren, der uns wichtig war, wir hätten unsere Unterstützung gegenseitig gebraucht und nun, wo wir sie einander wieder geben konnten, wollten wir das nicht wieder verlieren. Ich würde definitiv an Louis und seinen Geschwistern festhalten, wollte sie kein weiteres Mal verlieren.

Wie Louis schon die ganze Zeit vermutet hatte, wollte ich nach dieser Überraschung wirklich erst recht nicht zurück ins X-Factor Haus. Es war gerade alles so positiv gewesen und hatte mir so viel Kraft geschenkt, dass ich diese nicht gleich wieder verlieren wollte. Der Abschied fiel uns allen sehr schwer, aber wir versprachen einander, uns schon bald wieder zu treffen, was alles zum Glück ein wenig erleichterte. Diesmal würde es kein Abschied für die nächsten acht Jahre sein, sondern höchstens für ein paar Tage oder Wochen. Als Louis und ich Holmes Chapel dann verließen und zurück nach London fuhren, dankte ich ihm sicher tausend Mal für diese einmalige Überraschung, die mir definitiv neuen Mut für das Wochenende geschenkt hatte. Louis Geschwister hatten mir versichert, dass sie jede Woche X-Factor schauten, meine Lieder liebten und mir die Daumen drückten, was mir unsagbar viel bedeutete.

Am späten Abend setzte er mich dann beim X-Factor Haus ab. In diesem schliefen schon alle, was es leichter machte, sich heimlich reinzuschleichen und zumindest für diesen Moment niemandem irgendwas erklären zu müssen. Am nächsten Morgen sah das natürlich schon wieder anders aus, ich war der einzige, der so oft aus dem X-Factor Haus verschwand und natürlich warf das Fragen auf, wenn das dann auch noch für zwei volle Tage der Fall war. Ich nutzte aber einfach meine Ausrede, die ich schon Mittwochmorgen für Brendan und Dalton auf einen Zettel geschrieben hatte, nämlich das es Zuhause einen Notfall gegeben hatte. Ob sie mir das dann glaubten, war ihre Sache und als sie den Notfall unbedingt wissen wollten, meinte ich, dass das eine Privatangelegenheit war und damit ließen sie mich dann auch in Ruhe.

Bevor die Gesangslehrer an diesem Freitag kamen, flitzte ich auch noch einmal in den Supermarkt und kaufte Schokolade für Megan, um mich zu entschuldigen. Auch wenn Louis mich entschuldigt hatte, für Mittwoch hatte ich sie auch angelogen und das tat mir immer noch leid. Zehn Minuten bevor die Gesangslehrer kamen, war ich zum Glück wieder im X-Factor Haus. Eigentlich hätte ich schon viel eher wieder da sein wollen, aber hier und da wurde ich von einigen Fans angesprochen, um Fotos und Autogramme gebeten und natürlich konnte ich das nicht ablehnen, schließlich hatte ich ihnen zu verdanken, dass ich Runde für Runde weiterkam, auch wenn es am Ende nichts nützen würde. Solange ich es konnte, wollte ich auf der Bühne auftreten, denn das war das einzige neben Louis, was mich noch in der Show hielt. Ich liebte es zu singen und dafür war ich hier.

Sobald Megan die Schokolade sah und ich ihr diese schenkte, verzieh sie mir zum Glück und hörte sich die Lieder an, die Louis und ich uns gemeinsam überlegt hatten. ,,My Heart Will Go On singt schon jemand, also für dieses Lied kommen wir leider zu spät, aber für Disney oder die Lieder aus deinen zwei Lieblingsfilmen ist eindeutig noch nichts eingetragen, fragt sich natürlich nur, welches Lied du da singen möchtest", klärte Megan mich auf, brach sich ein Stück der Vollmilchschokolade ab und bot mir ebenfalls etwas davon an, was ich dankend annahm. ,,Das ist das Problem", murmelte ich, ,,da bin ich nämlich leider auch noch nicht weiter und hab gehofft, dass du mir einen Rat geben kannst, was ich am besten singen könnte." Megan überlegte, aß ein weiteres Stück der Schokolade und machte sich einige Notizen.

,,In erster Linie soll es ein Song sein, mit dem du dich wohlfühlst und mit dem du dich identifizieren kannst, damit die Gefühle wirklich so herüberkommen, wie sie es sollen. Ich weiß, dass das schwer ist, weil du natürlich bisher nur eigene Songs gesungen hast, die natürlich perfekt auf dich abgestimmt waren und darauf, was dir passiert ist. Dementsprechend haben sie dich repräsentiert und du hattest keine Probleme mit den Gefühlen", überlegte Megan, murmelte vor sich hin und seufzte. ,,Jetzt wird wahrscheinlich doch alles etwas knapp, aber wir kriegen das hin, wir sollten..-", wollte Megan mich ermutigen, als es an der Tür klopfte und sie unterbrach.

,,Herein", bat Megan und gleich danach steckte Brendan seinen Kopf durch den geöffneten Türspalt. ,,Louis und seine Freundin sind gerade gekommen. Sie wollen sich einmal anhören, wie weit wir schon sind und ob wir bereit für morgen sind. Wir sind alle schon im großen Gruppenraum", sagte Brendan und bat uns darum, mitzukommen. War das eigentlich Louis ernst, wenn er wusste, dass ich noch nicht einmal einen Song hatte und selbst wenn, ich diesen jetzt sicher noch nicht performen konnte? Panisch sah ich zu Megan, doch diese konnte auch nichts daran ändern. ,,Wir kommen sofort Brendan", sagte sie, womit der Ire sich zufrieden gab und verschwand. ,,Megan, was soll ich denn jetzt machen? Ich hab doch gar nichts", verzweifelt sah ich sie an, doch mit einem Mal schien ihr ein Geistesblitz zu kommen.

,,Vielleicht ist das gar nicht so schlecht." ,,Wie meinst du das?" ,,Naja, vielleicht fällt es dir ja gleich in der Stresssituation viel leichter, einen Song auszuwählen, mit dem du dich wohlfühlst. Vor Louis Tomlinson höchstpersönlich und seiner Freundin möchte man sich sicher nicht blamieren. Wir haben jetzt sowieso keine andere Wahl, also einen Versuch ist es wert, oder?", fragte Megan, versuchte mir mit ihrem Blick Mut zu machen und vielleicht hatte sie Recht, vielleicht würde das helfen. Also standen wir beide schlussendlich auf und kamen als Letzte in den Gruppenraum. Immer noch nicht ganz sicher, wie ich mich hier gegenüber Louis verhalten sollte, nickte ich ihm nur zu und setzte mich dann auf den freien Platz neben Brendan.

Während Louis fragte, wer als erstes vorsingen wollte, wanderten meine Augen sofort zu Eleanor, die ihre Hand auf Louis Oberschenkel legte. Ihre braunen Haare fielen fast schon zu perfekt über ihre schmalen Schultern und immer wieder sah sie freudestrahlend zu Louis. Ich bekam gar nicht wirklich mit, wie Dalton sich als Erster meldete und California Dreamin aus dem Film San Andreas vorsang, so sehr war ich in meiner Beobachtung gefangen. Wie immer schmiegte sich seine Stimme perfekt an das Lied und Dalton war für mich auf jeden Fall ein Kandidat für das Finale. Danach sang Brendan Everybody Hurts aus dem Film Bewitched, auch er legte einen tollen Gesang hin, beeindruckte uns damit wieder einmal alle aufs neue und natürlich sah ich auch ihn im Finale. Leider war ich so damit beschäftigt, Eleanor und Louis zu beobachten, wie sie sich ab und an herüberlehnte, um ihn zu küssen, wie sie Händchen hielten, das mir selbst in dieser Stresssituation kein Song einfiel.

Naja, einer kam mir in den Sinn, aber der stammte nicht aus einem Film. ,,Harry, du bist dran", Louis lächelte mich unsicher an, während ich ihn nur anstarrte und den Kopf schüttelte. ,,Ich...Ich..", stammelte ich, wieder drückte Eleanor Louis einen Kuss auf die Wange und das war für mich zu viel. Die Schmetterlinge in meinem Bauch hatten sich vor Schmerz und Eifersucht schon von alleine in einer Ecke des Käfigs versteckt und gerade konnte ich mir das einfach nicht ansehen, besonders nicht nach den letzten zwei wundervollen Tagen. ,,Entschuldigt mich", ich stand auf und verschwand schleunigst aus dem Gruppenraum, nur um in mein Zimmer zu rennen und mich ins Bett zu werfen. Sekunden später hörte ich es an der Tür klopfen, ich dachte, dass es sich um Brendan handelte, weshalb ich nichts sagte, aber als die Person dann eintrat und Louis Stimme ertönte, blieb mein Herz für eine Sekunde stehen. ,,Harry, was ist los?"

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Was wird Harry Louis jetzt wohl als Erklärung liefern, warum er abgehauen ist? ._.
All the love xx

You Have My Heart - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt