56 - state of uncertainty

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Mein Gegenüber trank nach diesem Satz seinen Kakao leer, was anders als Alkohol wahrscheinlich nicht unbedingt zur Ermutigung beisteuerte, ihm aber Zeit zum nachdenken gab. ,,Also durch die Werbung bist du schlussendlich darauf gekommen, es nochmal bei X-Factor zu versuchen? Oder hatte es mit mir zu tun?" Ich lachte kurz auf, was sicher ziemlich blöd aussah, mit tränenbenetzten Wangen, aber die Situation war so abstrus, ich konnte nicht anders, als kurz über die Frage zu schmunzeln. ,,Mit dir hatte es sicher nichts zu tun, du warst eher der Grund, warum ich mich so gesträubt habe, daran noch einmal teilzunehmen, aber wenn du Freunde wie Liam und Niall hast, dann brauchst du keine Feinde mehr. Und schließlich haben sie mich mit dem Argument überzeugt, dass ich dabei nicht an dich denken soll, sondern daran, meinen lebenslangen Traum zu erfüllen."

,,Ich bin froh, dass du es getan hast. Du verdienst diese Chance und die Erfüllung deines Traumes. Du hattest schon immer mehr Talent als ich und hättest es verdient gehabt, an meiner Stelle zu gewinnen. Dann würden wir uns jetzt auch sicher nicht hier befinden, denn du hättest mich wahrscheinlich niemals wie eine heiße Kartoffel fallen lassen. Egal was auf dem Spiel gestanden hätte, du hättest dich immer für mich entschieden, während ich als bester Freund total versagt habe." Louis Augen wurden erst feucht und dann kullerten wenig später Tränen hinab, die auch mich wieder zum weinen brachten. Ich konnte andere Menschen nicht weinen sehen und erst recht nicht, wenn es sich dabei um Louis handelte. ,,Lou", murmelte ich, wollte ihm irgendwie Trost spenden, doch er wich zurück, als hätte er es nicht verdient, dass ich mich ihm gegenüber fürsorglich verhielt.

,,Es tut mir leid Harry, wirklich alles tut mir leid. Auch das hier, dass wir uns verstecken müssen, weil ich nicht mit dir gesehen werden kann. Das ist nicht fair, dass ist alles einfach nicht fair." Zum ersten Mal schien es, als würde Louis Maske vollständig abfallen, keine Kontrolle über seine Worte oder Emotionen. Er war einfach er selbst. Herzzerreißende Schluchzer ließen seinen Körper erzittern und ich nahm all meinen Mut zusammen, um ihn zu umarmen. Er schreckte nicht zurück, erwiderte die Umarmung aber auch nicht. Deshalb hielt ich ihn einfach fest und wartete eine Weile, ehe ich wieder das Wort ergriff. Ein paar Tränen flossen noch beiderseits, aber es war nicht mehr allzu schlimm.

,,Natürlich ist es nicht fair Louis, das Leben hat weder dich noch mich sonderlich gut behandelt, es ist einfach unfair, aber es geht schlussendlich nicht darum, wie oft du fällst, sondern wie oft du wieder aufstehst. Für mich war es auch hart, dich nach acht Jahren bei den Auditions wiederzusehen, ich verleugne auch nicht, danach zusammengebrochen zu sein. Genauso würde ich lügen, würde ich sagen, dass ich nach der Deliberationsround nicht geweint habe. Aber ich hab das Auto gestartet, bin nach Hause gefahren und am nächsten Tag in aller Frische wieder aufgestanden. Ich habe gekämpft. Auch wenn ich gedacht habe, dass ich dafür kämpfe, dich zu vergessen, mit dir abzuschließen, hat uns der gesamte Kampf am Ende doch hierhin geführt. Ich wollte die Sendung aufgeben, abbrechen, dachte sie macht alles nur noch schlimmer, aber irgendwas hat mich hier gehalten.

Vielleicht hat uns die Musik auseinandergerissen, aber nun führt sie uns auch wieder zusammen. Vielleicht brauchten wir beide etwas Zeit um zu reifen, wie ein guter Wein, ich weiß es nicht, aber was ich weiß ist, dass wir gerade hier stehen und das etwas zu bedeuten haben muss. Wir haben die ganzen letzten Monate nicht solch eine Gefühlsachterbahn durchlebt, um im Nichts zu enden. Das Leben ist vielleicht unfair, aber manchmal bringt es Dinge auch wieder in Ordnung und ich glaube fest daran, dass das hier unsere zweite Chance ist", erzählte ich Louis, wollte ihn damit von der Trauer abbringen, ihm aber auch aufzeigen, dass ich noch an ein Uns glaubte, auch wenn das die letzten Jahre auf dem Eis gelegen hatte.

,,Du stellst dir das so leicht vor Harry", murmelte Louis leise und ich hatte fast schon Probleme, ihn zu verstehen, ,,und ich wünschte, es wäre auch so einfach, doch wir sind nunmal kein Wein sondern immer noch Menschen. Und anders als Wein haben wir Verpflichtungen, die es einzuhalten gilt. Ich vielleicht sogar noch mehr als du und Dinge, von denen du dir gar nicht vorstellen kannst, dass man das beachten muss, werden plötzlich wichtig." ,,Du sprichst wieder in Rätseln", war das einzige, was ich daraufhin sagte und entfernte mich wieder ein Stück von Louis. Ich schnappte mir meine Tasse und stand auf, um sie in der Küche abzuspülen, Louis kam sofort hinterher und stellte sich neben mich, ließ mich nicht aus den Augen.

,,Louis, was erwartest du jetzt eigentlich von mir? Ich versuche, dass du dich irgendwie nicht ganz so schuldig fühlst, wegen dem, was passiert ist. Obwohl es mir das Herz zerrissen hat, kannst du da scheinbar nicht sonderlich viel für, ich schlage für uns sogar eine zweite Chance vor, doch dann stelle ich es mir laut dir wieder zu leicht vor. Warum erklärst du dich mir dann überhaupt?" Ich schnappte mir auch noch Louis Tasse, die er mitgebracht hatte, um sie abzuwaschen, mich abzulenken und ihm dadurch nicht in die Augen sehen zu müssen. ,,Ich weiß, was du da versuchst, aber ich habe Angst. Ich will dich nicht wieder verletzen und mein Glaube daran, dass die Freundschaft unter all den Umständen wirklich funktionieren könnte, ist gering.

Natürlich wäre es toll, wenn es anders wäre, aber ich habe mich dir erklärt, weil ich zumindest darauf hoffe, dass wir uns dann auch abseits der Kameras miteinander verstehen könnten." ,,Und was ist, wenn daraus eine Freundschaft entsteht? Ich meine, so funktioniert das meistens. Menschen, die sich gut miteinander verstehen, werden zu Freunden", entgegnete ich, erkannte an Louis Gesichtsausdruck, das er wusste, dass ich Recht hatte. ,,Ich glaube nicht, dass das geht. Wir müssten uns vor den Kameras so oder so versteckt halten und im X-Factor Haus traue ich auch wenigen. Es wäre auffällig, sollte ich dich anders behandeln, als andere Kandidaten."

,,Ich denke, du machst dir zu viele Sorgen. Im Moment sind wir doch sowieso nur das hier, was auch immer das sein mag. Und bis wir uns wirklich gut verstehen, ohne das es noch komisch wird, ist X-Factor schon lange vorbei." ,,Andere Dinge laufen aber weiter", hörte ich Louis raunen und verwirrt sah ich ihn an. ,,Was meinst du?" ,,Ach nichts. Na gut, wenn du damit einverstanden bist, dass die Möglichkeit besteht, dass du wieder verletzt wirst, dann können wir probieren, einen Weg aufwärts zu finden, aber wie gesagt, im Geheimen", sprach Louis, mein Herz machte einen Hüpfer und mit der festen Überzeugung, dass ich nicht verletzt werden würde, strahlte ich ihn an. ,,Dann machen wir das."

Die Fahrt zurück nach London war etwas entspannter, als noch die Hinfahrt. Wir hatten uns etwas weiter ausgesprochen und auch wenn es wahrscheinlich keine Definition für das gab, was Louis und ich jetzt momentan waren, ich konnte in diesem Schwebezustand gut leben, weil auch er damit einverstanden war, einen Weg zu finden, wie alles wieder besser werden könnte. Zwischendurch hielten wir noch an, um uns etwas zum Abendessen zu kaufen und während Louis im Auto wartete, besorgte ich dies, andernfalls wären wir sicher noch für Stunden aufgehalten worden, hätte ihn jemand erkannt.

Beim X-Factor Haus angekommen war es schon spät am Abend. Dadurch waren endlich mal keine Fans vor der Tür und nach einer kurzen Verabschiedung stieg ich aus dem Auto und ging ins Haus, während Louis wahrscheinlich zu sich nach Hause fuhr. Im Haus hörte ich immer noch von überall Musik und es wunderte mich wenig, dass alle noch für morgen probten. Ich hatte es durch die Zeit mit Louis schon fast verdrängt, aber ein wenig üben würde mir sicher auch noch gut tun, weshalb ich schleunigst auf mein Zimmer ging, wo auch meine drei Gruppenmitglieder noch fleißig am üben waren.

,,Hey", grüßte ich sie in die Runde, gesellte mich neben Brendan, der auf meinem Bett saß und mich neugierig anschaute. ,,Wo warst du? Du bist einfach verschwunden", sprach er, was auch Anthony und Dalton interessierte, neugierig blickten sie zu uns rüber. ,,Ach, Niall und Liam hatten spontan Zeit und du weißt ja, weshalb ich sie nicht vernachlässigen möchte", Brendan auch anzulügen gefiel mir ganz und gar nicht, aber ich würde ihn später aufklären, sobald uns niemand anders mehr zuhörte und zum Glück nahm er meine Ausrede erstmal so hin. ,,Übst du mit mir nochmal meinen Song?", fragte ich dann, um abzulenken. ,,Klar." Noch keiner von uns konnte erahnen, wie hart die nächsten zwei Tage werden würden.

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Louis möchte also auch einen Weg aufwärts finden, worin das wohl enden wird? :( Und wie wird das Wochenende wohl ablaufen?
All the love xx

You Have My Heart - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt