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Stille beherrschte uns nach diesem Ereignis. Wir konnten die Situation immer noch nicht realisieren, geschweige denn verstehen, was da passiert war. Wir wollten Anthony irgendwie gut zureden, wir wollten Brendan die Schuldgefühle nehmen, doch wir fanden einfach nicht die richtigen Worte. Es gab vermutlich nicht einmal welche. Nachdem die Sendung abmoderiert war, verließen die Zuschauer nach und nach die Arena. Darunter auch meine drei besten Freunde Niall, Liam und Zayn, welchen ich zum Abschied nur zuwinkte. Sie verstanden, das ich jetzt für Brendan und Anthony da sein wollte und mich deshalb nicht noch mit ihnen unterhalten hatte, auch wenn ich es natürlich gerne getan hätte.

Die ganze Zeit über behielt ich einen Arm um Brendans Schulter. Sowie er die letzten Wochen für mich da gewesen war, war ich jetzt auch für ihn da. Auch wenn er es in die nächste Runde geschafft hatte, ich konnte erahnen wie schrecklich er sich fühlte, weil er Anthony ausgestochen hatte. Sich darüber nicht freuen zu können, war vollkommen verständlich, auch wenn er natürlich mit Sicherheit dankbar war, nächste Woche eine neue Chance zu kriegen. ,,Dich trifft keine Schuld Brendan, das weißt du hoffentlich", raunte ich ihm zu, als wir uns im Backstagebereich umzogen, was ihn nur mit den Schultern zucken ließ. Sofort zog ich ihn in meine Arme, als ich seine Unterlippe erzittern sah und wenig später verlor er ein paar Tränchen.

,,Ich fühle mich so schlecht, als hätte ich Anthonys Zukunft zerstört", wisperte er mir ins Ohr, weshalb ich ihn nur noch fester drückte. ,,Das hast du nicht. Millionen von Menschen haben ihn singen hören, darunter sicher auch viele wichtige Produzenten, die sich ab sofort um ihn reißen werden. Er wird seinen Weg gehen, er wird das hier als Sprungbrett nutzen und die Massen zukünftig mit seiner Musik begeistern. Sieh seinen Rauswurf nicht als das Ende für ihn, er hat damit eher eine neue Chance, eine neue Tür die sich öffnet und ihm unendlich viele Möglichkeiten bietet. Du hast nicht entschieden, das er heute gehen muss, es waren die Zuschauer und die Juroren. Also fühle dich nicht schlecht." Brendan schniefte noch einmal, dann löste er sich von mir und sah mich dankbar an. ,,Danke Harry, du findest wirklich immer die richtigen Worte", er ließ sich von mir die Tränen wegwischen und beruhigte sich etwas, ,,komm, lass uns zu Anthony gehen, er braucht jetzt unsere Unterstützung."

Mit neu gefasstem Mut und fertig umgezogen traten wir durch einen der Hintereingänge der Arena. Dort wartete der Fahrer mit unserem Van als letztes, alle anderen Kandidaten waren schon zurück ins X-Factor Haus gefahren worden, wo sie wahrscheinlich feierten, weitergekommen zu sein, während wir wie ein Schluck Wasser in der Kurve nicht aus dem Quark kamen. Als wir in den schwarzen Van einstiegen, wo wir eigentlich nur Dalton und Anthony erwarteten, waren wir auch ziemlich überrascht, Louis zu erblicken, der ebenfalls angeschnallt dort saß. ,,Hey, was machst du denn noch hier?", traute ich mich überrascht zu fragen, setzte mich gegenüber von ihm hin, Brendan neben mich, und wir schnallten uns an. ,,Ich komme noch mit, helfe Anthony dabei, seine Sachen zu packen, möchte ihn verabschieden und mit euch gemeinsam noch einmal ganz ohne Kameras sprechen."

,,Das ist wirklich schön", antwortete ich mit einem ehrlichen Lächeln, was Louis erwiderte und mir, trotz der verdammt blöden Situation, Herzklopfen bereitete. Es freute mich einfach wirklich unglaublich, dass Louis an seinem Versprechen festzuhalten schien und alles versuchte, damit es zwischen uns wieder besser wurde. Die letzten acht Jahre konnte man zwar leider nicht ausradieren, aber ich glaubte daran, sie mit schönen neuen Erinnerungen überschatten zu können, Louis musste nur bereit dazu sein, dass wir uns diese schufen. Doch wichtig war das jetzt nicht, was wirklich zählte war Anthony, der noch nicht ein Wort verlauten lassen hatte. Er schaute aus dem Fenster, Kopf am Rücksitz angelehnt, Mundwinkel unten und das war es.

Kaum fuhren wir auf die Auffahrt des riesigen X-Factor Hauses, hörte man das Geschrei der davor wartenden Fans. Sie konnten uns zwar durch die verdunkelten Scheiben nicht sehen, aber sie konnten eins und eins zusammenzählen, da alle anderen Kandidaten schon an ihnen vorbei gelaufen waren, wussten sie, das wir die letzten waren, die noch fehlten. ,,Paul", Louis sprach seinen Bodyguard an, der auf dem Beifahrersitz saß, ,,bringst du bitte einen nach dem anderen rein? Wir wollen jetzt keine Fotos machen oder ähnliches, wir wollen einfach eben für uns sein und die Entscheidung verarbeiten." ,,Natürlich", antwortete der freundliche Kerl mit den Muskeln sofort, stieg aus und führte dann zuerst Dalton ins Haus. Ich hätte niemals gedacht, dass mein bester Freund mal einen Bodyguard haben würde, aber so können sich die Dinge ändern.

You Have My Heart - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt