16 - performance

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Vom Backstagebereich aus konnte man auf die Bühne sehen, auf der gerade ein Mädchen vier mal Nein kassierte und von dem Publikum ausgebuht wurde. Das war eindeutig ein super Start, der mich alles andere als motivierte oder ermutigte, da gleich raus zu gehen. Leider reichte der Blick nicht bis zu der Jury, sonst hätte ich mich zumindest ein wenig auf Louis vorbereiten können, doch das wurde mir verwehrt. Wie damals bekam ich ein Mikrophon in die Hand gedrückt und nachdem das Mädchen weinend von der Bühne verschwunden war, wurde ich auf eben diese gejagt. Ich war total nervös und zitterte wie Esbenlaub, da half mir auch all mein neues Selbstvertrauen nicht oder das ich mittlerweile vierundzwanzig und nicht mehr sechzehn war. Fest hielt ich das Mikrophon in der Hand, meine Knöchel traten weiß hervor und bis ich in der Mitte der Bühne angelangt war, hatte ich meine Augen auf den Boden gerichtet. Erst dann erhob ich meinen Blick.

Für einen Moment war es, als würde die Welt stehen bleiben, in dem Augenblick, in dem ich Louis erblickte, so nah und doch so fern. Das Publikum existierte für mich nicht, auch die anderen drei Jurymitglieder nicht. Er hatte sich ziemlich verändert, er war zwar nicht viel größer geworden, aber hatte sich einen Dreitagebart stehen lassen, seine Haare waren perfekt wuschelig gestylt und die Klamotten waren eindeutig mehr wert, als drei Monatsmieten der bescheidenen Wohnung von Liam, Niall und mir. Im Moment unterhielt er sich noch mit Robbie Williams und auch Simon und Ayda richteten schnell ihre Unterlagen, bevor sie mir Beachtung schenkten. Die letzten dreizehn Jahre liefen an mir vorbei, die ersten fünf davon waren die besten meines Lebens, die Entwicklung der Freundschaft zwischen Louis und mir, wie wir lachten, kuschelten und für den anderen da waren. Fast schon musste ich lächeln, doch als dann die letzten acht Jahre hinzu kamen, verfiel das Gefühl von Fröhlichkeit sofort wieder.

Ich versuchte mich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren, was schwer war mit meinem ehemaligen besten Freund, der direkt vor meiner Nase saß. All der Schmerz kam wieder hoch und nur schwer konnte ich diesen herunterschlucken. So lange war ich ihm nicht mehr so nahe gewesen und ich hatte das Gefühl, als würde mich diese Nähe langsam und qualvoll umbringen. Ich atmete tief durch, versuchte wie Niall und Liam es mir geraten hatten, mich genau auf meinen langjährigen Traum zu fokussieren und Louis auszublenden. Es war schwer, kostete mich viel Kraft, aber ich bekam dafür ein halbwegs echtes Lächeln zustande. Keine Sekunde zu spät, denn in diesem Moment wurde die Jury auf mich aufmerksam, stellten ihre Gespräche, sowie die Vorbereitungen ein und Simon fing mit der üblichen Frage an.

,,Hey, wie heißt du und wie alt bist du?" ,,Mein Name ist Harry Styles und ich bin vierundzwanzig", antwortete ich ins Mikrophon, sah nur Simon an, bemerkte dennoch aus dem Augenwinkel wie Louis sich in seinem Stuhl ruckartig bewegte. Er schien nachzudenken, warum es da in seinem Kopf klingelte. Ob er auf die Lösung kam wusste ich nicht. Simon zumindest erinnerte sich nicht an mich, was mich auch nicht wunderte, Tag für Tag sah er neue Gesichter und meins hatte er nur für ein paar Minuten vor acht Jahren das erste und letzte Mal gesehen. ,,Sehr schön und was führt dich hier her Harry?" Mein Blick schwang zu Robbie, der diese Frage stellte. ,,Ich verbinde mit der Musik sehr viel, deswegen dachte ich mehr als schiefgehen kann es nicht." Robbie lachte auf meine Antwort hin. ,,Gute Einstellung." ,,Was möchtest du uns denn heute vorsingen?" Fragte nun wieder Simon, Louis blieb die ganze Zeit stumm, ich traute mich aber auch nicht, ihn anzusehen, zu sehr hatte ich Angst vor seiner Reaktion, die in seinen Augen lag.

Erkannte er mich, trotz das ich mich auch verändert hatte? Was würde er sagen, wenn dem so wäre? Ich war älter geworden, hatte Tattoos, einen neuen Kleidungsstil. Erneute Panik stieg in mir auf, das hier war eine ganz dumme Idee und ich wollte am liebsten von der Bühne stürmen, doch dafür war es jetzt zu spät. ,,Ich singe ein Lied, das ich selbst geschrieben habe." Ich wusste, dass Niall und Liam jetzt davon erfuhren, über den großen Monitor der im Wartebereich stand konnten sie alles mitverfolgen und jedes Wort vernehmen. Doch nach sieben Jahren, in denen ich ihnen dies verschwiegen hatte, wurde es langsam mal Zeit, ihnen zumindest indirekt auf diese Weise davon zu erzählen. ,,Da bin ich mal gespannt, viel Glück", war das letzte was Simon sagte, bevor die Melodie zumindest in meinem Kopf zu spielen anfing. Ich legte meine Lippen an das Mikrophon und begann, meine Gefühle in diesem Lied offen zu legen.

"Same lips red, same eyes blue
Same white shirt, couple more tattoos
But it's not you and it's not me
Tastes so sweet, looks so real
Sounds like something that I used to feel
But I can't touch what I see

We're not who we used to be
We're not who we used to be
We're just two ghosts standing in the place of you and me
Trying to remember how it feels to have a heartbeat

The fridge light washes this room white
Moon dances over your good side
This was all we used to need
Tongue-tied like we've never known
Telling those stories we already told
'Cause we don't say what we really mean

We're not who we used to be
We're not who we used to be
We're just two ghosts standing in the place of you and me."

Natürlich hatte ich das Lied über Louis geschrieben, ich konnte mir nicht anders helfen, um zu verarbeiten was passiert war. Die ganze Zeit über hatte ich meine Augen geschlossen, ließ einzig und allein mein Herz reden. In diesen Momenten war der Schmerz aushaltbar, ich konnte ihn ertragen und das war es, weshalb ich mehr und mehr Songs schrieb. Sie halfen mir, mit der Situation, mit mir selbst und mit meinem Leben klarzukommen. Sie waren allein für mich, waren mein größter Schatz und der Einblick in meine Seele. Da existierte kein Louis Tomlinson, der seinen besten Freund im Stich gelassen hatte oder ein Harry Styles, der darauf reingefallen war. Nur ich allein existierte und die Musik, die mich zwar in dieses dunkle Loch gebracht hatte, mich aber auch wieder ein Stück weit herausziehen konnte.

Als das letzte Wort verklungen war, öffnete ich meine Augen wieder und erblickte für einen minimalen Zeitpunkt Louis. Sein Gesichtsausdruck war verletzend neutral, in den Jahren war er immer besser darin geworden, sich Dinge nicht anmerken zu lassen. Früher konnte ich ihn lesen wie ein Buch, doch im Moment hatte ich keine Ahnung was er fühlte, ob er überhaupt etwas fühlte. Mein Blick fuhr dann aber schnell weiter zu Ayda, die das Wort ergriff. ,,Wow Harry, ich muss sagen, du rührst mich hier zu Tränen", Ayda lächelte und ihre Augen waren tatsächlich wässrig. ,,Du hast wirklich eine sehr angenehme Stimme und einen sehr schönen Song geschrieben. Ich bin froh, dass wir dich A capella hören konnten." Das Publikum applaudierte dabei und ich war erleichtert, dass es keine Buh-Rufe gab. ,,Dankeschön", antwortete ich ihr und hatte ein strahlendes, ehrliches Lächeln auf den Lippen. Ich hätte nie gedacht, solche Worte gesagt zu bekommen.

,,Ich kann meiner Frau nur recht geben, ein schönes Lied, eine schöne Stimme, ein schöner Typ, mehr muss ich dazu glaub ich nicht sagen." Robbie brachte mich mit seinen Worten zum lachen, für kurze Zeit vergaß ich, dass Louis Urteil noch ausstand. Als nächstes ergriff Simon das Wort, da Louis sich noch immer nicht dazu bewegte etwas zu sagen. ,,Ich denke, mit ein wenig Gesangsunterricht, damit du weißt wie du deine Stimme einsetzen kannst, könntest du wirklich sehr gut sein. Also von mir gibt es ein Ja. Louis?" Ich bedankte mich bei Simon, traute mich aber wieder nicht, den Mann anzusehen, den er angesprochen hatte. ,,Ja", ertönte in einer einzigen Silbe seine wunderschöne raue Stimme, die ihren vertrauten Akzent nicht verloren hatte. Es brachte mein Herz zum rasen, dennoch erklomm ein beklemmendes Gefühl meinen Körper.

Auch von Ayda und Robbie erhielt ich ein Ja und ich konnte nicht fassen, dass es wirklich Realität war. Louis hatte mir ein Ja gegeben, unabhängig davon ob er mich erkannte hatte, meine Stimme schien er gut zu finden und auch wenn ich das nicht so nah an mich heran lassen wollte, es freute mich ungemein. ,,Ich danke euch so sehr", mit einem strahlenden Lächeln lief ich von der Bühne, vier Ja's im Gepäck, ausgetauscht durch eines, dass ich 2010 erhalten hatte. Ob das heute nun die falsche Entscheidung gewesen war oder nicht würde sich noch zeigen, aber für den Moment war ich weiter. Unglaublich aber wahr. Mein Herz schlug immernoch vor lauter Aufregung, meine Wangen taten vom Lächeln schon weh. Ich hatte mich nicht blamiert, hatte Louis gezeigt, wie sehr auch ich mich verändert hatte und damit hoffentlich zumindest für mich selbst eine Lawine ins Rollen gebracht, endlich mit meinem ehemaligen besten Freund abschließen zu können. Ich wusste ja noch nicht, wie falsch ich damit lag und das die Lawine mich bald schon unter sich begraben würde.

___
Das lief ja gut für Harry, nur von Louis gab es keine richtige Reaktion, woran das wohl lag? :( Was könnte in Louis vorgehen?
All the love xx

You Have My Heart - Larry StylinsonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt