Ich schweige. Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll. Im Grunde ist es mir irgendwie auch egal, was er sagt. Ich kann seinen Worten keinen Glauben mehr schenken.

"Es tut mir leid, dass ich so ausgerastet bin, aber du hattest es verdient. Ich habe alles für dich getan, ich habe dir vertraut und du hast mich so verraten. Ich liebe dich doch, Malia. Ich dachte wirklich, wir haben eine Zukunft miteinander, aber du hast das alles zerstört."

Mir entweicht ein heiseres Lachen.

"Und jetzt?", frage ich ihn direkt und sehe ihm tief in die Augen.

"Jetzt bringe ich dich zur Arbeit", sagt Roy selbstsicher und erwidert meinen Blick standhaft.

"Ins Mirage?", hake ich unsicher nach. "Ins Rouge", antwortet er ohne jegliche Mimik. Er hat wieder sein Pokerface aufgesetzt.

Seine Worte lassen mir das Blut in den Adern gefrieren.

Das muss ein schlechter Scherz sein.

"Ganz sicher nicht, Roy. Ich werde dort nicht hingehen. Ich schlafe nie wieder mit einem fremden Mann.", erwidere ich bestimmt und richte mich im Bett auf.

"Doch, das wirst du", antwortet er nüchtern und nickt zur Bestätigung.

Ich fange aus lauter Verzweiflung an hysterisch zu lachen. "Nein, auf keinen Fall. Wieso sollte ich? Ich dachte du liebst mich?"

"Aber du liebst mich nicht", antwortet er und kommt mir nun ein Stück näher. Sein Blick ist bedrohlich und er hat wieder diese Raubkatzenartige Ausstrahlung eines Tigers, der sein Beutetier anvisiert. Ängstlich weiche ich ein wenig zurück und auf meinem ganzen Körper bildet sich eine Gänsehaut.

Ich beiße mir auf die Zunge, bis sie beginnt zu bluten, um nichts Falsches zu sagen.

"Du wolltest mit mir spielen, Malia, dann spielen wir. Und jetzt interessieren mich auch deine großen Puppenaugen und dein Schmollmund nicht mehr. Du hast mich schon einmal vor Joker blamiert, das lasse ich kein zweites Mal zu.", verkündet er bestimmt und steht vom Bett auf.

"Du hast zwanzig Minuten, dich fertig zu machen. Richtig fertig. Überschmink deine aufgeplatzte Lippe und dein blaues Auge, damit du vorzeigbar ist."

Die kalte Berechnung in seinen Worten verschlägt mir die Sprache. Er spricht mit mir, als wäre ich kein Mensch mehr, sondern eine Ware, ein alter Stuhl, den er putzen will um ihn möglichst gewinnbringend bei eBay Kleinanzeigen zu verscherbeln.

Alles in mir sträubt sich dagegen, Roys Anweisungen Folge zu leisten, und doch mache ich es.

Seine Schläge haben Eindruck hinterlassen und auch wenn er dadurch meinen Respekt verloren hat, so hat er etwas mindestens genauso mächtiges in mir geweckt: Angst.

Ich habe Angst vor ihm. Angst davor, ihm noch einmal zu widersprechen und Angst davor, seinen Zorn erneut zu spüren zu kriegen.

Roy wartet im Wohnzimmer und macht irgendwas an seinem Handy, während ich mir eine dicke Schicht Concealer ins Gesicht spachtele, um meine Blessuren zu überdecken. Meine Lippen schminke ich rot, was den Bluterguss ganz gut kaschiert, jedoch trotzdem nicht über die Schwellung hinweg täuschen kann. Mein blaues Auge versuche ich, mit dunklem Lidschatten unkenntlich zu machen.

Ich binde meine Haare nur zu einem hohen Pferdeschwanz und ziehe eines meiner kurzen einfarbigen Kleider an.

"Fertig?", ruft Roy ungeduldig durch die Wohnung. "Ja, ich denke schon", antworte ich und laufe zu ihm herüber. "Okay. Highheels und Dessous hast du ja noch in deinem Spind. Den kannst du gleich leeren und die Sachen auf dein Zimmer bringen.", weist er mich an.

Ich nicke wortlos und bemühe mich, nicht in Tränen auszubrechen.

Wo bin ich hier nur reingeraten?

Roy bugsiert mich ungeduldig zu seinem Auto und fährt dann mit mir zum Club. Heute endet mein Weg jedoch nicht im Erdgeschoss, sondern zum ersten Mal laufe ich die steile Wendeltreppe hinter Roy hoch in die erste Etage.

Der lange Flur wird durch rotes Licht schummrig beleuchtet. Links und rechts gehen zahlreiche Türen ab. Manche sind geschlossen und mit bunten Namensschildern und teilweise auch Fotos der Frauen geschmückt, andere Türen stehen offen und im Türrahmen stehen Mädchen in Unterwäsche oder räkeln sich lasziv auf Barhockern.

"Hi Roy", flötet eines der Mädchen und winkt ihm mit ihren langen roten Fingernägeln und einem eindeutigen Blick zu. Roy schenkt ihr ein abgestumpftes Lächeln und läuft zielstrebig zu einer Tür am Ende des Ganges.

Er öffnet sie schwungvoll und führt mich herein. Das Zimmer ist ungefähr fünfzehn Quadratmeter groß und luxuriös eingerichtet. Die Wände sind mit einer schwarzen Glitzertapete tapeziert und auf dem Boden liegt schwarzer Granit, der ebenfalls in dem violetten Neonlicht glitzert. Das Herzstück des Raumes ist ein schwarzes großes Lederbett, das mit einigen kleinen Zierkissen bestückt ist.

Wäre das Zimmer nicht in einem Bordell, würde es mir wahrscheinlich sogar ganz gut gefallen.

"Hier drüben ist ein kleiner Schrank, den du abschließen kannst, für deine Sachen. Hinter der Tür da vorne verbirgt sich das angrenzende Badezimmer für dich und deine Kunden. In der Nachtkonsole findest du eine Preisliste, lern die Preise bitte auswendig. Sie sind einheitlich und dürfen nicht angepasst werden, wir sind hier schließlich nicht auf dem Basar. Deine Einnahmen inklusive Trinkgeld gehören zu 50% Joker und mir und werden Abends eingesammelt. Wenn du irgendwas brauchst, findest du auf der Liste auch die Nummern von dem Hausmeister, der Security oder unserem Büro.", weist Roy mich knapp und in nüchternem, geschäftsorientiertem Tonfall ein.

"Ich lasse dir gleich deine Sachen hochbringen, dann kannst du dich umziehen und anfangen. Und lass mir ja keine Klagen kommen, hörst du?", sagt er mit Nachdruck und sieht mir so tief in die Augen, dass es mich fröstelt.

Ich nicke nur eingeschüchtert und sehe ihn aus großen Augen an.

"Angenehme Schicht."

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Meine Lieben,

Es tut mir leid, aber es wird irgendwie immer schlimmer, statt besser..

Hättet ihr gedacht, dass Roy das wirklich durchzieht?

A.

Rot wie die LiebeΌπου ζουν οι ιστορίες. Ανακάλυψε τώρα